Auf der Langenhorner Chaussee ereignen sich die meisten Unfälle. Die GAL fordert Radstreifen und zudem den Rückbau auf zwei Spuren.

Hamburg. Die Situation ist buchstäblich völlig verfahren. Mal bricht der Radweg plötzlich ab und geht in eine 20 Meter lange Sandwüste über, mal machen aufstrebende Baumwurzeln die Fahrradroute zu einer gefährlichen Holperstrecke. Rund 80 Prozent der Radwege an der Langenhorner Chaussee sind nach Angaben des Bezirksamts Nord in einem maroden Zustand. Sie müssten auf einer Länge von vier Kilometern saniert werden. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Die Frage, die zurzeit auf höchster Behördenebene verhandelt wird: Werden die Radwege an der Langenhorner Chaussee auf die Straße verleg? Und wird diese - bisher häufig vierspurig genutzte Straße - dadurch zu einer eindeutig zweispurigen Straße zurückgebaut?

Die 5,2 Kilometer lange Hauptverkehrsachse im Bezirk Nord, die werktags zwischen 25 000 und 38 000 Autos verkraften muss, ist Hamburgs gefährlichste Straße. Zu diesem Ergebnis kommt die vom Senat eingesetzte Unfallkommission: Von Ende September 2010 bis Anfang November 2011 wurden auf der Langenhorner Chaussee 251 Unfälle offiziell erfasst - so viele wie auf keiner anderen Straße in Hamburg.

+++ Vorteile der Radstreifen +++

+++ Senioren am meisten gefährdet +++

Der letzte schwere Unfall ereignete sich am 12. Januar. Beim Versuch, die Straße zu überqueren, wurde eine Frau von einem Wagen erfasst, durch die Luft geschleudert und blieb auf der Straße liegen. Dort überfuhren drei weitere Autos die Frau. Die 28-Jährige wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.

Weil die beiden Fahrspuren mit rund fünf anstelle der üblichen 3,25 Meter Überbreite haben, halten viele die Langenhorner Chaussee für eine vierspurige Straße. Die Folge: Riskante Überholmanöver, ständig versetztes Fahren und permanentes Einfädeln nach den Kreuzungsbereichen. Und anscheinend lädt die breite Fahrbahn viele zum Rasen ein. Bei einer Messung am 28. Februar in ganz Hamburg wurde der schlimmste Raser mit 108 km/h erwischt - auf der Langenhorner Chaussee. Erlaubt sind dort 50 km/h.

"Viele Menschen haben Angst, die Langenhorner Chaussee und ihre Radwege zu benutzen - egal ob sie mit dem Rad oder dem Auto unterwegs sind", sagt Carmen Wilckens von der GAL. "Fußgänger haben Angst, an den Ampeln zu warten, wenn die Laster vorbeidonnern. Sie haben Angst um ihre Kinder, wenn diese auf dem Schulweg sind." Ihre Fraktion im Bezirk Nord will zum einen den Durchgangslastverkehr von der Langenhorner Chaussee auf die Zeppelinstraße (B 433) umlenken. Und ihr Parteikollege Thorsten Schmidt sieht nur eine Lösung in dieser heiklen Frage: Da man nicht sämtliche Bäume fällen könne, um die Radwege zu sanieren und der Kauf von Privatgrundstücken kaum finanzierbar sei, müsse der Radweg auf die Fahrbahn verlegt werden. "Radfahrstreifen sind eine kostengünstige und sowohl für Rad- als auch Autofahrer eine wesentlich sicherere Lösung", sagt er.

Um die Sicherheit geht es auch der Polizei. Burkhard Rüland, 56, ist Erster Polizeihauptkommissar vom PK 34 im Wördenmoorweg. Im Regionalausschuss der Bezirksversammlung hat er bereits darauf hingewiesen, dass die Radwege wegen des schlechten Zustandes irgendwann gesperrt werden könnten. Für diesen Fall, teilte das Bezirksamt als Antwort auf eine Kleine Anfrage mit, müsse der Radverkehr auf die Fahrbahn verlegt werden. Ausnahme: Kinder bis zu zehn Jahren dürften auf dem Fußweg fahren. "Wir müssen immer wieder neu abwägen", sagt Rüland, "von welchem Zeitpunkt an die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist." Neben den maroden Radwegen ist für ihn die hohe Zahl der Unfälle auf der Langenhoner Chaussee das größte Problem. "Wir verzeichnen hier jedes Jahr im Schnitt rund 400 Unfälle", sagt Rüland.

Die Entscheidung über den Umbau liegt aber nicht beim Bezirk, sondern bei der für Hauptverkehrsstraßen zuständigen Wirtschaftsbehörde. Dort hat man das Problem erkannt. "Die Situation für den Radverkehr an der Langenhorner Chaussee ist unbefriedigend. Der Grund liegt in erster Linie in den unzureichenden Platzverhältnissen. Dass grundsätzlich Handlungsbedarf besteht, ist der Behörde bewusst. Zu gegebener Zeit werden Lösungsvorschläge mit dem Bezirksamt Nord und der Polizei abgestimmt", sagt Behördensprecherin Helma Krstanoski. Schließlich hat der SPD-Senat sich auf die Fahnen geschrieben, den Anteil der Radfahrer als Verkehrsteilnehmer in der Umwelthaupstadt auf 18 Prozent zu erhöhen. Er liegt laut Mobilitätsstudie aus dem Jahr 2008 bei 12,2 Prozent.

Da hilft vielleicht der Vorschlag, mit dem Harald Rösler, 62, kommissarischer Leiter des Bezirksamts Nord, jetzt auf die Wirtschaftsbehörde zugehen will. "Wir könnten erst einmal den Radweg im Süden zwischen Sengelmannstraße und Erdkampsweg auf die Fahrbahn verlegen", sagt er. Diese Maßnahme beträfe noch die Alsterkrugchaussee und hätte den Vorteil, dass sie noch in diesem Jahr relativ problemlos umgesetzt werden könnte - und Daten liefern würde, welche Auswirkungen das auf den laufenden Verkehr hätte.

Denn vieles hängt von dem Bauwerk ab, das derzeit am nördlichen Ende der Langenhorner Chaussee entsteht und Anfang 2013 fertiggestellt werden soll: ein rund 80 Meter langer Tunnel in Nord-Süd-Richtung mit einem Kreisel als Deckel, der den Ost-West-Verkehr in Fluss halten soll. Der Kreisel wird zweispurig gebaut und einen Durchmesser von mehr als 40 Metern haben. Die Frage, die niemand seriös beantworten kann: Wird dieser neue Knotenpunkt im Norden den Verkehr auf der Langenhorner Chaussee be- oder entlasten? "Nach Fertigstellung müssten per Gutachten die Auswirkungen erfasst werden", sagt Rösler. Um dann eventuell den Radweg auf der gesamten Länge der Langenhorner Chaussee auf die Straße zu verlegen.