Die Zahl der Verunglückten nimmt bei den über 64-Jährigen am stärksten zu. 62 Prozent ihrer Verkehrsunfälle sind dabei selbst verursacht.
Hamburg. Gestern Morgen, 7 Uhr: Tempokontrollen der Polizei in Osdorf, Bahrenfeld und Stellingen. Mit Radarpistolen und mobilen Blitzern überwachen mehr als 40 Beamte den Berufsverkehr. Als die Polizisten ihre Ausrüstung nach sechs Stunden wieder einpacken, ist die Bilanz ernüchternd: 500 Raser haben sie in dieser Zeit überführt, der Schnellste fuhr 130 Kilometer pro Stunde, wo 60 erlaubt sind.
Nur wenige Stunden zuvor hatten Innensenator Michael Neumann (SPD) und Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch die Jahreszahlen vorgestellt. "In allen wesentlichen Bereichen der Unfallstatistik gab es 2011 Steigerungen gegenüber dem Vorjahr", erklärte Neumann auf dem Podium im Polizeipräsidium. Die Ergebnisse der groß angelegten Verkehrskontrolle wirkten da nur noch wie der letzte Beweis.
Die Senioren gehören in Hamburg zu der am stärksten gefährdeten Altersgruppe im Straßenverkehr. Sie weist den größten Anstieg in der Unfallstatistik 2011 aus. Um mehr als 20 Prozent, also mehr als ein Fünftel, ist die Zahl der verunglückten Senioren im Vergleich zu 2010 gestiegen - 962 ältere Verkehrsteilnehmer kamen im vergangenen Jahr zu Schaden. 800 waren es noch ein Jahr zuvor.
+++ Hamburg: Noch nie so viele Verkehrsunfälle +++
Fast verdoppelt hat sich dabei die Zahl der über 64-Jährigen, die als Fußgänger getötet oder verletzt wurden. Auffällig: Während im Jahresvergleich seit 1994 kontinuierlich mehr Senioren verunglücken, sind die Zahlen bei Kindern (bis 14 Jahre) und den jungen Erwachsenen (18 bis 24 Jahre) deutlich gesunken.
Außerdem sind Senioren häufiger als die anderen beiden Altersgruppen auch für die Unfälle verantwortlich: 61,6 Prozent der Unfälle wurden von den Senioren selbst verursacht. Bei den jungen Erwachsenen sind es 60,2 Prozent, bei Kindern noch 54,8.
Junge Erwachsene verunglücken im Gegensatz zu Kindern immer noch überproportional häufig. Acht Prozent der Hamburger sind 18 bis 24 Jahre alt. Ihr Anteil an den Verunglückten liegt aber bei 14 Prozent. Obwohl die Zahl ihrer Unfälle gleich blieb, wurden trotzdem deutlich mehr 18- bis 24-Jährige verletzt als im Vorjahr (plus neun Prozent). Laut aktueller Unfallbilanz wurden 2011 auch sieben Prozent mehr Kinder verletzt.
Radfahrer sind nur an etwa jedem 20. Unfall beteiligt, kommen dabei aber überdurchschnittlich oft zu Schaden. In der Gesamtbilanz ist jeder fünfte Verunglückte ein Radfahrer. Mehr Unfälle verzeichnete die Polizei auch durch Alkohol (plus 10,3 Prozent) und "unter dem Einfluss sonstiger Drogen" - die Zahl stieg von 86 auf 102 Unfälle.
"Wir müssen die Zahlen des Vorjahres ernst nehmen und alles daransetzen, dass sich die Entwicklung in diesem Jahr nicht wiederholt", sagte Innensenator Neumann. "Dies gilt insbesondere für die Zahl der tödlich Verunglückten, deren Anstieg mich besonders betroffen macht." Hamburg werde den Weg "einer konsequenten Verkehrsüberwachung" fortsetzen, in Verbindung mit den Angeboten der Unfallprävention. "Im Mittelpunkt steht dabei der Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer, insbesondere der Kinder und Radfahrer."
Die CDU kritisierte die aus ihrer Sicht "alarmierenden Zahlen": Es sei unerlässlich, die Unfallzahlen sowohl präventiv als auch durch zielgenaue repressive Überwachung zu senken, sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Klaus-Peter Hesse. "Leider wurden weder Konzepte noch Vorschläge vorgestellt, um das Problem zu lösen."
Die Polizei kündigte unterdessen für die kommenden Wochen weitere Kontrollen in allen Teilen der Hansestadt an. Der Überwachungsdruck solle hoch bleiben, betonte Polizeipräsident Kopitzsch. Und stellte klar: "Verkehrsüberwachung ist keine Abzocke - es geht um Menschenleben."