Hamburg. Das Kreuzfahrtschiff MS Europa startete zur Weltumrundung — eine Premiere. Kapitän: „Der Mensch ist die größte Herausforderung.“
Es ist eine ganz besondere Reise, zu der die MS Europa am Freitag im Hamburger Hafen aufbrach: Zum ersten Mal wird das Kreuzfahrtschiff die Welt umrunden, von Hamburg nach Hamburg, in 337 Tagen. Als das Schiff um 23 Uhr von einem Feuerwerk begleitet die Stadt verließ, war das für Kapitän Mark Behrend ein besonderer Moment. „Das ist schon ein bisschen magisch.“ In seiner Studienzeit hat er in Blankenese gewohnt, Hamburg ist für ihn noch immer ein Stück Heimat.
Am frühen Freitagnachmittag laufen die letzten Vorbereitungen für die große Fahrt. Zusammengeschnürte Bündel aus Vasen, bunten Eimern und Kartons mit Lebensmittel landen per Kran auf dem Deck, der Flügel im Bühnenbereich wird gestimmt, gerade noch waren die Fensterputzer da, es riecht nach Putzmittel mit Zitronenduft. Auf der Brücke steht Kapitän Behrend in weißer Uniform, der Bart dezent gestutzt. Der 53-Jährige blickt mit blauen Augen auf den Hafen, das Wasser glitzert an diesem heißen Sommertag. Beste Einstimmung auf elf Monate Sommer-Kreuzfahrt.
Die gesamte Reise gibt es ab 147.000 Euro
Aufgeteilt auf fünf Etappen und 21 Teilstrecken – reist die „MS Europa“, die zur Flotte von Hapag-Lloyd Cruises gehört, unter anderem über Lissabon, Kapstadt, Mumbai, Singapur, Auckland, Shanghai und Honolulu bis nach Vancouver. Von dort aus geht es über Acapulco und New York wieder zurück nach Hamburg. Das Kreuzfahrtschiff steuert insgesamt 200 Häfen auf sechs Kontinenten – immer im Sommer – an und legt dabei 74.217 Seemeilen zurück. 285 Crewmitglieder und bis zu 400 Passagiere passen auf das 17 Jahre alte Schiff. Sieben Passagiere haben die gesamte, fast elf Monate lange Reise gebucht, das ist in einer 27-Quadratmeter-Kabine der günstigsten Kategorie zu einem Preis ab 147.000 Euro möglich. Die übrigen Gäste kommen für verschieden lange Teilabschnitte an Bord.
Mark Behrends persönliches Highlight auf der Weltumrundung wird Alaska sein. „Dort gehen wir auf Expeditionen und wollen hungrigen Bären beim Lachsfang zusehen.“ Auch das Klima – für Alaska erwartet er um die 20 Grad – liege ihm eher als extreme Hitze. So hat auch jeder andere an Bord Vorlieben für bestimmte Wetterlagen. „Die erste Frage ist immer die nach dem Wetter“, sagt Behrend. Er verzieht dabei keine Miene, scheint weder genervt noch belustigt.
Kapitän: "Ich zeige keine Fünf-Sterne-Welt"
Der Kapitän ist ein geübter Gesprächspartner. Seit 34 Jahren fährt er zur See, seit zwölf Jahren als Kreuzfahrtkapitän, vor drei Jahren kam er auf die „MS Europa“. Er ist nicht nur Chef der Besatzung, sondern auch ganz nah dran an den Passagieren auf dem 199 Meter langen Schiff. Ausweichen geht nicht, auf See bilden sie alle eine enge Gemeinschaft auf Zeit. Das kann nur aushalten, wer echtes Interesse mitbringt, für die Fragen, Erzählungen, Sorgen und Nöte der Mitreisenden. „In den Gesprächen finde ich Ruhe und Kraft“, sagt Behrend. „Obwohl sie auch zu den anstrengendsten Dingen an Bord gehören.“
Widersprüche gehören für den 53-Jährigen zum Leben dazu. Deshalb ist es für ihn auch nicht merkwürdig, dass die im Luxussegment vermarktete „MS Europa“ auf ihrer Reise auch Orte wie das indische Mumbai anläuft, wo teure Luxushotels kaum von der extremen Armut, die dort herrscht, ablenken können. „Ich will den Leuten die Welt zeigen“, sagt der Kapitän. „Und das ist keine Fünf-Sterne-Welt.“ Der Luxus auf dem Schiff bestehe für ihn daher vor allem in der wertvollen Zeit, die alle Reisenden an Bord mitbringen. Er hat auch einen ganz praktischen Tipp: Um in ihren eigenen Rhythmus zu kommen, sollten die Gäste am besten ihre Armbanduhren ablegen.
20.750 Flaschen Champagner für die Gäste
„Die Zeit macht etwas mit den Menschen. Aus der Entfernung erkennen sie oft, wie gut es ihnen zu Hause eigentlich geht. Es ist auch eine Reise zu sich selbst“, sagt der Kapitän, der selbst nach jeweils etwa dreieinhalb Monaten eine Bordpause einlegt und an einen Kollegen übergibt. „Natürlich wird es auf dieser Reise auch Durchhänger geben.“ Dabei sollen die Gäste stets bestens versorgt sein: 56.000 Liter Milch stehen auf der Einkaufsliste, 337.413 Eier und – das darf auf einer Kreuzfahrt von diesem Format nicht fehlen – 20.750 Flaschen Champagner sowie 435 Kilogramm Kaviar.
Wetter wird immer weniger vorhersehbar
Nicht nur die Logistik muss funktionieren, auch viele andere Herausforderungen können auf einer solchen Reise auftreten: Stürme, gesperrte Häfen, Versorgungschiffe, die nicht rechtzeitig vor der „MS Europa“ den Hafen erreichen. Auch das Wetter werde immer weniger vorhersehbar, sagt Behrend. “Die größte Herausforderung aber ist der Mensch. Jeder Passagier bringt einen persönlichen Rucksack mit seinen Wünschen mit.“ Der Kapitän freut sich auf die ganz besondere Reise, die er nun antritt. Trotzdem bleibe bei jeder Fahrt eine „innere Zerrissenheit“, sagt er. „Ich bin neugierig auf die Welt. Aber ich freue mich auch wieder auf zu Hause.“
Zwei neue Schiffe für Kreuzfahrtreederei
Pünktlich zum Start der Weltumrundung gab Hapag-Lloyd Cruises bekannt, dass zwei neue Schiffe für die Flotte gebaut werden. Die beiden Fünf-Sterne-Expeditionsschiffe sollen nach einer Bauzeit von 20 Monaten im Frühjahr und Herbst 2019 auf Fahrt gehen. Die Schiffe sollen im deutschsprachigen Raum unterwegs sein, eines zusätzlich in Großbritannien, Belgien, den Niederlande und den USA. Im Jubiläumsjahr – vor 125 Jahren schickte die Reederei das erste Kreuzfahrtschiff der Welt auf Reise – sollen so die Weichen für die Zukunft gestellt werden.