Hamburg. Skipper Karsten Börner schildert Rettung von 15 Passagieren des gesunkenen Schiffs von Milliardär Mike Lynch. Was ihm dabei „total peinlich“ ist.

Als das Abendblatt Karsten Börner (69) am Donnerstagmittag erreichte, war an Bord der „Sir Robert Baden Powell“ alles ruhig. Der Großsegler, der unter niederländischer Flagge unterwegs ist, fährt gerade in Richtung Sardinien. Die Sonne scheint, das Thermometer geht in Richtung 30-Grad-Marke – perfekte Bedingungen. So richtig genießen konnte der Hamburger das aber nicht.

Zu präsent ist noch die Rettungsaktion vom Montagmorgen, als der Kapitän und sein Erster Offizier 15 Menschen – darunter ein kleines Baby – von der in Not geratenen Luxusyacht „Bayesian“, die dem inzwischen tot geborgenen britischen Milliardär Mike Lynch gehört, retten konnte.

Luxusyacht gesunken: Hamburger Kapitän rettet 15 Menschen vor Sizilien das Leben

In Italien wird der Hamburger medial als Held gefeiert. „Mir ist das total peinlich. Ich habe nur gemacht, was jeder gemacht hätte. Die Helden sind die Menschen auf der Yacht, die trotz der Ausnahmesituation kühlen Kopf bewahrt haben und ein Rettungsfloß zu Wasser gelassen haben“, sagt der erfahrene Kapitän nach dem Schiffsunglück in Italien.

Der in Hamburg geborene Karsten Börner fährt seit 41 Jahren zur See. Nun wurde er auf dem Mittelmeer zum Helden.
Der in Hamburg geborene Karsten Börner fährt seit 41 Jahren zur See. Nun wurde er auf dem Mittelmeer zum Helden. © privat | Privat

Wie kam es zu dem Vorfall? Eigentlich sollte es für den britischen Tech-Milliardär Mike Lynch ein feierlicher Ausflug aufs Meer werden. Lynch wurde nach Betrugsvorwürfen vor Gericht freigesprochen. Seine Luxusyacht, auf der zehn Crewmitglieder und zwölf Gäste an Bord waren, ankerte rund eine halbe Seemeile vor dem Hafen von Porticello in Sizilien.

Der Wetterbericht ließ erahnen, dass es ungemütlich werden könnte. „Wir haben gesehen, dass Gewitter aufziehen. Und da die Wassertemperatur rund 32 Grad beträgt, ist das Potenzial für Wassertornados sehr hoch. Es war laut Wetterdienst schlussendlich ein Tornado der Kategorie zwei“, sagt Börner, der seit 41 Jahren zur See fährt.

Warum die „Bayesian“ so schnell unterging, ermitteln nun die Staatsanwaltschaft und das Seeamt in Italien.
Warum die „Bayesian“ so schnell unterging, ermitteln nun die Staatsanwaltschaft und das Seeamt in Italien. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Perini Navi Press Office Handout

Hamburger Kapitän: „Eine solch große Yacht verschwindet doch nicht einfach“

Börner entschied sich ob des aufziehenden Unwetters dagegen, das Segelschiff „Sir Robert Baden Powell“ Richtung Hafen zu bewegen. „Wir haben mit voller Motorenkraft unsere Ankerposition gehalten“, erklärt der gebürtige Harburger, der stets Sichtkontakt zu der 56 Meter langen „Bayesian“ hatte.

Als das Gewitter mit Böen der Windstärke zwölf und kräftigen Regenfällen zunehmend stärker wurde, berichtete Börners Steuermann plötzlich, dass die Miliardärsyacht weg sei. „Ich sagte nur, dass das Quatsch sei. Eine solch große Yacht verschwindet doch nicht einfach. Leider sollte mein Steuermann recht behalten. Ich habe die roten Leuchtraketen gesehen, die von dem Schiff abgeschossen wurden.“

Taucher bereiten sich nach dem tragischen Unglück vor Sizilien im Hafen von Palermo auf die Suche nach weiteren Opfern vor.
Taucher bereiten sich nach dem tragischen Unglück vor Sizilien im Hafen von Palermo auf die Suche nach weiteren Opfern vor. © AFP | ALBERTO PIZZOLI

Nachdem sich die die meteorologische Lage etwas gebessert hatte, stieg Börner mit seinem Ersten Offizier in ein Beiboot und fuhr in Richtung der Yacht. Nach nur wenigen Metern entdeckten sie Polstermöbel, die umhertrieben. „Wir haben dann eine für zwölf Personen ausgelegte Rettungsinsel gesehen, auf der 15 Menschen – darunter ein kleines Baby – waren. Die vier Schwerverletzten wurden mit Druckverbänden auf dem Floß versorgt. Das war außergewöhnlich, davor habe ich großen Respekt“, sagt Börner.

Karsten Börner aus Hamburg rettet Passagiere der gesunkenen Yacht aus dem Mittelmeer

Der Hamburger Kapitän brachte die havarierten Passagiere der „Bayesian“ auf sein Segelschiff und versorgte die sichtlich geschockten Menschen mit Decken, Handtüchern, Essen und Trinken. Parallel hielt er Funkkontakt zur italienischen Küstenwache, die kurze Zeit später am Unfallort ankam und zunächst die Schwerverletzten von Bord brachte.

Weil eine Mitarbeiterin von Börner aus dem Service noch Stimmen auf hoher See gehört hatte, begaben sich ein Steuermann und ein pensionierter Elblotse, der als Gast auf der „Sir Robert Baden Powell“ war, noch einmal auf das Mittelmeer, um nach weiteren Unglücksopfern zu suchen – vergeblich. Nach dem schweren Schiffsunglück vor Sizilien wurden mittlerweile fünf Leichen – darunter Mike Lynch – geborgen. Am Freitag wurde auch dessen Tochter Hannah (18), die ebenfalls an Bord war, tot geborgen.

Tech-Miliardär Mike Lynch galt als der „britische Bill Gates“. Der Unternehmer starb im Alter von 59 Jahren auf seiner Yacht.
Tech-Miliardär Mike Lynch galt als der „britische Bill Gates“. Der Unternehmer starb im Alter von 59 Jahren auf seiner Yacht. © DPA Images | Yui Mok

Yacht vor Sizilien gesunken: Hamburger Kapitän von Staatsanwaltschaft befragt

Die italienischen Behörden und das Seeamt haben die Ermittlungen übernommen. Auch Börner wurde mehrere Stunden zu dem tragischen Unglück befragt. Der erfahrene Kapitän kann sich nicht erklären, warum ein so massives Schiff wie die „Bayesian“, die 2008 vom Stapel gelaufen war und 2020 modernisiert wurde, so schnell sinken konnte.

Zumal die „Sir Robert Baden Powell“ nur marginale Schäden davongetragen hat. „Die ‚Bayesian‘ hatte einen 75 Meter hohen Mast. Eine Überwachungskamera einer Villa an Land hat wohl zufällig aufgezeichnet, wie die Yacht einfach umgedrückt wurde und nach rund 16 Minuten einfach auf die Seite gefallen ist. Vielleicht war es ein Konstruktionsfehler? Das ist aber schwer zu sagen“, spekuliert Börner.

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Ganz sicher ist hingegen, dass der Hamburger Kapitän noch einige Tage brauchen wird, um das Erlebte zu verdauen. Trotzdem wollen Börner und seine Crew den sieben Passagieren, mit denen er am Donnerstag in Richtung Sardinien aufbrach, eine schöne und vor allem sichere Zeit an Bord bieten. „Ich habe in all den Jahrzehnten immer mal wieder kleinere Rettungsaktionen gehabt, aber nichts in diesem Ausmaß. Das war dramatisch. Gott sei Dank erlebt man derlei Sachen nicht so oft“, sagt Börner.