Hamburg. Alle zwei Wochen an dieser Stelle: Unsere Volontärinnen und Volontäre stellen sich vor, schildern ihre ersten Erfahrungen in Hamburg und beim Abendblatt. Heute: Louisa Eberhard.
„Guten Morgen“, entgegnete ich ganz selbstbewusst an meinem ersten Tag an der Universität Hamburg, als ein Kommilitone pünktlich um 16.15 Uhr mit einem fröhlichen „Moin“ den Seminarraum betrat. Dass ich mich damit direkt als Zugezogene outete, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Eher fühlte ich mich darin bestätigt, dass einige Studierende offenbar wirklich erst mittags ihr Bett verlassen – die faule Generation Z halt.
Das Erste, was mich die Leute bis heute fragen, wenn sie erfahren, dass ich aus Berlin komme: „Und? Was ist besser? Hamburg oder Berlin?“ Meist folgt das Gespräch dann einem festen Muster. Ich entgegne: „Hamburg natürlich, mit Abstand“, sofort folgt die Frage nach dem „Warum“ – und dann beginne ich, aufzuzählen.
Bahn fahren in Hamburg – deutlich entspannter als in Berlin
Fangen wir beim öffentlichen Nahverkehr an: Sind Sie in Berlin schon mal Bahn, Bus, U-Bahn oder Tram gefahren? Wenn nein, gut für Sie, es ist anstrengend. Wenn ja, wissen Sie vielleicht, wovon ich nun spreche: Selbst nach zwei Jahrzehnten in der Hauptstadt hat sich mir noch nicht offenbart, welche Logik dem Berliner Nahverkehrsnetz zugrunde liegen soll.
Panisch öffne ich vor jeder Bahnfahrt die BVG-App, schaue, ob ich nur drei-, vier- oder doch wie meistens eher fünfmal umsteigen muss, um mein Ziel zu erreichen. Im Vergleich dazu ist Bahnfahren in Hamburg wie Wellnessurlaub: Jede Bahn fährt über den Hauptbahnhof, Gedanken ums Umsteigen muss man sich hier nicht machen.
Hamburg besticht durch saubere Straßen und ordentliche Wohngegenden
Apropos Umsteigen: Jedes Mal, wenn ich nach ziemlich genau einer Stunde und 44 Minuten aus dem ICE von Hamburg nach Berlin steige und den Bahnhof verlasse, erschrecke ich mich kurz. Gehwege voller Müll, Schmierereien an Häuserwänden (ich rede hier nicht von kunstvollen Graffitis), üble Gerüche – Berlin ist dreckig. Hamburg hingegen hat mich in den vergangenen sechs Jahren mit seiner immer herausgeputzten Innenstadt und den ordentlichen, aus Rotklinkerbauten bestehenden Wohnvierteln verwöhnt.
Natürlich lässt es sich nicht über die Vorzüge Hamburgs schreiben, ohne die Alster zu erwähnen. Ich könnte jetzt ins Schwadronieren darüber kommen, wie atemberaubend schön es ist, wenn dutzend bunte Segelschiffchen auf dem Wasser ihre Runden drehen oder die Sonne hinter den am Wasser gelegenen Alstervillen untergeht. Das lasse ich.
Menschen in Hamburg sind mir stets offen begegnet
Was mich so viel mehr begeistert, ist, dass es mit ihr einen Ort gibt, an dem ganz Hamburg zusammenkommt. Sie ist das Herz der Hansestadt. Hier treffen Promis auf Normalos, Sportnerds auf Genussmenschen, Freundesgruppen auf Liebespaare, Alt auf Jung. In Berlin gestaltet sich das etwas anders. Die Hauptstadt hat mehrere Herzen – und jedes schlägt für sich allein. Äußerst selten wird es Neuköllner und Neuköllnerinnen nach Dahlem oder Steglitz ziehen, und auch in Kreuzberg bleiben die meisten wohl lieber unter sich.
Und dann gibt es da noch etwas, das ganz weit oben auf meiner Pro-Hamburg-Liste steht, sich aber nicht ohne Verallgemeinerungen beschreiben lässt. Es ist die Mentalität der Menschen. Entgegen dem Vorurteil der typisch norddeutschen Verschlossenheit habe ich die Hamburger und Hamburgerinnen als stets offen, warm und interessiert erlebt.
Diese eine Hamburger Angewohnheit wird man nicht mehr los
Für mich sind es eher die Berliner und Berlinerinnen, die in dieser riesigen, bunten und immer lauten Stadt oftmals sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Der große Vorteil dabei: Es interessiert niemanden, was du tust und wer du sein willst. Der große Nachteil: Es interessiert niemanden, was du tust und wer du sein willst.
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„Und fühlst du dich jetzt eher wie eine Hamburgerin oder eine Berlinerin?“ Die Antwort auf diese Frage fällt mir meist schwerer, ist Berlin doch immer noch das Zuhause meiner Familie und auch 20 Jahre lang von mir selbst gewesen. Wenn ich jedoch heute bei einem meiner (häufigen) Besuche der Hauptstadt einen Späti (Zur Erklärung: Ein Kiosk, der rund um die Uhr oder bis tief in die Nacht hinein geöffnet hat) aufsuche – eine der wenigen Dinge, die ich in Hamburg wirklich vermisse – betrete ich den Laden mit einem „Moin“. Egal zu welcher Tageszeit. So sehr ich es auch versuche: Diese Angewohnheit bekomme ich wohl nicht mehr los. Und vielleicht ist das auch das beste Zeichen dafür, wo ich mich verwurzelt fühle.