Hamburg. Materialengpässe sorgen für Recycling im Baugewerbe. Noch ist das Angebot gering, aber in der HafenCity macht man die ersten Schritte.

Eine Lagerhalle in der Nähe der Elbbrücken: Dort fallen sofort Paletten, auf denen sorgsam rote Klinkersteine gestapelt sind, ins Auge. Wenige Meter weiter sind diese sogar zu einer Musterfassade aufgereiht. Mittendrin steht Lothar Schubert. Das ist der geschäftsführende Gesellschafter von DC Developments. Das seit 16 Jahren bestehende Unternehmen, mitgegründet von Makler Björn Dahler, entwickelt aktuell in der HafenCity unter anderen die Luxuswohntürme The Crown und Fiftynine auf dem Strandkai und baut die neue Zentrale für VTG auf dem Baufeld 101 im Elbbrückenquartier. Und jetzt kommt das Material aus der Lagerhalle ins Spiel. „Wir planen, diese Klinkersteine für die Fassade der neuen VTG Zentrale zu verwenden. Natürlich wird jeder einzelne Stein geprüft. Auch bei diesem Neubauprojekt liegt für uns der Fokus auf der Nachhaltigkeit. Deshalb fokussieren wir uns auf Baustoffe, die besonders CO2-arm hergestellt, recycelbar oder wiederverwendbar sind“, erklärt Schubert. Es werde für den Neubau die Auszeichnung „Platin“ des HafenCity-Umweltzeichens angestrebt.

Und die Klinkersteine sind eine echte Hamburgensie. Denn die, bislang sind es rund 35.000 Stück, kommen aus Altona. Sie stammen aus dem Abbruch der Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei. „Wir brauchen noch rund 300.000 weitere Ziegelsteine, um damit das Stahl-Beton-Skelett der VTG Zentrale später zu verkleiden. Auf dem Holsten-Areal stehen aber noch einige Liegenschaften, die abgerissen werden sollen. Das heißt, wir werden noch jede Menge Material geliefert bekommen“, sagt Schubert. Aber das wird nicht reichen. Deshalb startet der Immobilienexperte im Abendblatt jetzt einen Aufruf. „Gewerbliche Anbieter, die aus einem Abbruch noch gute, wiederverwertbare Klinkersteine haben, können sich gerne bei uns melden.“

Gebrauchte Baustoffe werden immer öfter genutzt

Werden bei Neubauvorhaben bereits häufiger Baumaterialien verwendet, die aus dem Abriss von Altbauten generiert werden? „Ja, es ist eine zunehmende Tendenz zu verzeichnen, da die Herstellung der Baumaterialien über die Hälfte des gesamten CO2-Ausstoßes eines Gebäudes ausmachen und damit 20 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes“, sagt Annabelle von Reutern. Die Architektin ist für die Unternehmensentwicklung des Berliner Start-up Concular verantwortlich. Das hat nach eigenen Angaben in Deutschland das größte Angebot für hochwertige gebrauchte Baustoffe. Von Reutern: „Aber auch der Materialmangel führt zu einer erhöhten Nutzung von wiedergewonnen Materialien. Daher kann man sagen, dass es wahrscheinlich kein Neubauvorhaben mehr geben wird, bei dem nicht solche Materialien eingesetzt werden müssen.“ Concular verkaufe aktuell etwa 1,5 bis zwei Millionen gebrauchte Ziegelsteine pro Jahr.

Und was wird noch verwendet? „Neben Ziegelsteinen gibt es Materialien wie zum Beispiel Mosaiksteinpflaster, Holzbalken und -fassaden oder auch eine große Anzahl von Materialien aus dem Innenausbau wie Doppelbodenplatten oder Systemtrennwände, welche täglich in neue Bauprojekte eingebracht werden“, so von Reutern. Demnächst wird Concular auch Material für das Bauvorhaben von Landmarken, die das Wohnhochhaus Moringa auf Baufeld 105 in der HafenCity errichten, liefern. Das Gebäude soll mit recyclefähigen, schadstofffreien Materialien gebaut werden.

In diesem Bau (HafenCity) werden alte Klinker verwendet.
In diesem Bau (HafenCity) werden alte Klinker verwendet. © kadawittfeldarchitektur | kadawittfeldarchitektur

Auch interessant in Bezug auf Hamburgs jüngsten Stadtteil ist: „Bei der Realisierung der Freiräume in der HafenCity wurde von Beginn an in großem Umfang auf bereits bestehende Ressourcen gesetzt. So handelt es sich bei sämtlichem Großsteinpflaster um wiederverwendetes, gebrauchtes Material“, sagt die Sprecherin. Und beim Amerigo-Vespucci-Platz stammen die Steine zum Beispiel aus dem Bezirk Wandsbek.

In der HafenCity soll der nächste Riesenbau entstehen

Unterdessen soll demnächst der Baubeginn für die rund 60 Meter hohe VTG Zentrale sein. Die Fertigstellung ist im ersten Quartal 2026 geplant. Auf dem rund 3150 Quadratmeter großen Grundstück wird ein 15 Stockwerke hohes Gebäude, entworfen von steidle Architekten, gebaut. Das Investitionsvolumen liegt bei 160 Millionen Euro. „Die VTG hat rund 11.500 Quadratmeter angemietet. Es stehen für weitere Büronutzer noch rund 6000 Quadratmeter zur Verfügung“, sagt Schubert. 850 Quadratmeter im Erdgeschoss sind für eine „öffentlichkeitswirksame Nutzung“ vorgesehen. „Es gibt viel Diskussionen darüber, ob überhaupt noch neue Büroflächen gebraucht werden. Die Antwort ist ja.

Aber diese müssen in Bezug auf Ausstattung und Nachhaltigkeit höchste Ansprüche erfüllen.“ Das gelte auch für die Aufteilung der Räume. „Die Unternehmen wollen ihren Mitarbeitern eine Art Erlebniswelt bieten“, sagt Schubert. So soll es in dem Neubau auf Baufeld 101 zum Beispiel auch eine mehr als 400 Quadratmeter große begrünte Dachterrasse als Rückzugsort für die Mieter geben. Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch bei der Verwendung des Betons eine Rolle. Es ist geplant, CO2- reduzierten Beton zum Einsatz zu bringen.

70 Parkplätze für 800 Mitarbeiter sind geplant

Mit gutem Beispiel geht der Bauherr auch bei der Anzahl der Tiefgaragenplätze vor. Es werden in dem Gebäude später 800 Mitarbeiter arbeiten, aber es sind nur 70 Parkplätze für Autos geplant. Dafür stehen aber mehr als 400 Fahrradstellplätze und ein Carsharing-Angebot zur Verfügung. Zudem ist die U- und S-Bahn-Haltestelle Elbbrücken nur etwa fünf Gehminuten entfernt.

Auch andere Projektentwickler setzen auf gebrauchtes Baumaterial. Beim Johann Kontor am Klosterwall (die früheren Cityhöfe), das bis Sommer 2024 fertiggestellt sein soll, hat der Projektentwickler Aug. Prien noch nicht mit recycelten Baumaterialien gearbeitet. Aber demnächst bei dem Neubau von 71 öffentlich geförderten Wohnungen in Norderstedt, gleich hinter der Hamburger Stadtgrenze, „planen wir, auch gebrauchte Klinkersteine zu verwenden. Das nachhaltige Bauen ist die Zukunft, und da ist ein Aspekt auch, bereits einmal verbaute Materialien wiederzuverwenden“, sagt Geschäftsführer Jan Petersen und führt weiter aus. „Mit blu haben wir sogar im vergangenen Jahr eine eigene Tochtergesellschaft für nachhaltige Immobilienprojekte gegründet.“