Hamburg. Auf St. Pauli fielen am Sonntag Schüsse. 39-Jähriger bedrohte Passanten und Polizisten mit Waffe. Mutter des Täters meldet sich zu Wort.

Nahe der Reeperbahn sind am Sonntagmittag nach einer Bedrohungslage mehrere Schüsse gefallen. Wie die Polizei Hamburg am Abend mitteilte, hat ein Mann mehrere Passanten und Polizeikräfte zuvor mit einem Schieferhammer und einem Molotowcocktail bedroht. Diese hätten daraufhin von ihren Schusswaffen Gebrauch gemacht und den möglicherweise in einem psychischen Ausnahmezustand handelnden Angreifer verletzt.

Der Mann wurde von einem gezielten Schuss getroffen und fiel zu Boden. Wie schwer der 39-Jährige verletzt wurde, ist bislang unklar. Die Einsatzkräfte leisteten laut Polizeiangaben sofort Erste Hilfe, die kurze Zeit später von Rettungskräften und einem Notarzt fortgesetzt wurden. Anschließend wurde der Mann zur weiteren medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus transportiert. Stunden später nahmen Ermittler sein Wohnhaus in Niedersachsen unter die Lupe.

Polizei Hamburg war mit zahlreichen Kräften an der Reeperbahn im Einsatz.
Polizei Hamburg war mit zahlreichen Kräften an der Reeperbahn im Einsatz. © Alexander Berthold | Alexander Berthold

Reeperbahn Hamburg: Nach Polizei-Schüssen – Angreifer muss in Psychiatrie

Nachdem der 39-Jährige in den Morgenstunden aus dem Krankenhaus entlassen worden war, musste er sich vor dem Haftrichter verantworten. Hamburgs Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering erklärte dem Abendblatt am Nachmittag, dass die „einstweilige Unterbringung" des Betroffenen angeordnet wurde. Das bedeutet, er wurde in eine psychiatrische Einrichtung gebracht. Ihm werden versuchter Totschlag und Straftaten nach dem Waffengesetz zur Last gelegt. Er habe im Rahmen der Vorführung keine Angaben zum Tatvorwurf gemacht, hieß es weiter.

Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurden Unterlagen sichergestellt. Die Ermittlungen zum Tatmotiv dauerten weiter an. Das Verfahren liegt nun bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg und dem Staatsschutz. Oechtering erklärt: "Grund ist die Bedeutung der Sache und die noch unklaren Hintergründe der Tat."

Medien-Bericht: Mutter des Täters informierte bereits früher Amt

Währenddessen hat sich die Mutter des Täters gegenüber der "Bild"-Zeitung geäußert. Sie will gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern in der Vergangenheit bereits mehrfach die Behörden vor ihrem Sohn gewarnt haben. Sie habe sogar einen Brief an das zuständige Amt geschrieben, in dem sie für ihn um eine Unterbringung in einer Wohngruppe bittet.

Daraus wurde jedoch nichts. Sie schildert weiter, dass ihr Sohn nur einen sechswöchigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik hatte. Doch bei seiner Rückkehr soll er unverzüglich wieder in gleiche Muster gefallen sein.

Reeperbahn: Mann droht mit Hammer und Molotowcocktail – Polizei schießt

Der Vorfall ereignete sich gegen 12.30 Uhr an der Silbersackstraße, die direkt von der belebten Reeperbahn abzweigt. Zu dem Zeitpunkt hielten sich in dem Gebiet zahlreiche Fußballfans auf, die sich auf St. Pauli für das Fußball-EM-Spiel Niederlande gegen Polen in Stimmung brachten, das um 15 Uhr begann.

Laut der Polizei Hamburg gibt es jedoch keine Hinweise, dass es einen Bezug zur EM gibt. Es gebe auch keine Hinweise auf ein islamistisches Motiv. „Hinweise auf seine Motivation liegen aktuell nicht vor“, teilt die Polizei am Sonntagabend mit. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen handele es sich bei dem Mann um einen 39-jährigen Deutschen.

Der Angreifer soll nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse aus dem Restaurant an der Ecke Reeperbahn und Silbersackstraße gekommen sein und von dort aus auf Passanten und vor Ort befindliche Polizisten losgegangen sein. In der Hand hielt er demnach einen Molotowcocktail und den Schieferhammer.

Polizisten sollen erst Pfefferspray eingesetzt haben – dann wurde die Dienstwaffe gezogen

Nach Abendblatt-Informationen sollen die Beamten dann versucht haben, den Mann mit Pfefferspray außer Gefecht zu setzen. Doch weil ihn dies offenbar nicht stoppen konnte, griffen dann nach Abendblatt-Informationen drei Beamte zu ihren Dienstwaffen. Sie sollen mehrere Schüsse abgegeben haben, darunter auch Warnschüsse.

Der Angreifer soll neben einer Spitzhacke auch einen aus einer Glasflasche hergestellten Brandsatz dabei gehabt haben.
Der Angreifer soll neben einer Spitzhacke auch einen aus einer Glasflasche hergestellten Brandsatz dabei gehabt haben. © TV Newskontor

Zeugen vor Ort berichten, dass der Angreifer etwas gerufen habe, als er aus dem Restaurant kam. Die Sprache sei aber nicht verständlich gewesen. Als ihn die Beamten dann überwältigt hatten, soll er nach Informationen unserer Zeitung Deutsch gesprochen haben.

Polizei Hamburg geht nach Schüssen an Reeperbahn von einem Einzeltäter aus

Für Fans auf dem Heiligengeistfeld oder auf dem Kiez bestehe dadurch keine Gefahr. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus, teilte man über die Internetplattform X mit. Und: „Die Veranstaltung am Heiligengeistfeld unterliegt diversen Sicherheitskontrollen und ist gut geschützt.“

Auch eine Drohne setzt die Polizei an der Hamburger Reeperbahn ein.
Auch eine Drohne setzt die Polizei an der Hamburger Reeperbahn ein. © Alexander Berthold | Alexander Berthold

Der Täter soll keine Fußballkleidung wie ein Trikot oder Ähnliches getragen haben. Im Gegenteil: Er soll nach Erkenntnissen des Abendblattes mit freiem Oberkörper aus dem Lokal gekommen sein. Bei der Waffe soll es sich um einen sogenannten Schieferhammer gehandelt haben, der aussieht wie eine Mischung aus Axt und Spitzhacke. Das Werkzeug wird unter anderem von Zimmerleuten verwendet. In der anderen Hand hielt er die Flasche, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün.

Mehr zum Thema

Die Reeperbahn, insbesondere der Abschnitt an der Silbersackstraße, wurde zwischenzeitlich gesperrt. Spurensicherung und Landeskriminalamt rückten an, um Beweismittel zu sichern. Die Ermittler starteten unter anderem auch eine Drohne, um sich den Tatort aus der Luft anzuschauen.

Das Landeskriminalamt hat in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen übernommen. Im Hinblick auf den Schusswaffengebrauch durch die Einsatzkräfte übernahm, wie in solchen Fällen üblich, das Dezernat Interne Ermittlungen der Innenbehörde die Überprüfungen.

Angriff an der Reeperbahn: Polizei untersucht Wohnhaus des Verdächtigen

Am Sonntagabend dann rückten Polizisten zum Wohnort des Mannes in einer Kleinstadt in Niedersachsen aus. Nach Abendblatt-Informationen brauchten die Ermittler mehr als sechs Stunden, um der Mutter des Angreifers zu vermitteln, dass ihr Sohn angeschossen im Krankenhaus liegt. Sie lebt in Niedersachsen mit dem mutmaßlich psychisch kranken 39-Jährigen, der auch schon mal in die Psychiatrie zwangseingewiesen worden sein soll.