Altstadt. Ob auf dem Jungfernstieg, an der Mö oder in der Kaiser-Wilhelm-Straße, überall in Hamburg wird gebuddelt. Das gefällt nicht jedem.

Matthias Iken

Zwei Farben dominieren derzeit die Hamburger Innenstadt. Es sind die Farben Rot und Weiß. Es sind die Farben der Baken, der Absperrbänder, der Sicherheitsaufkleber, der Baustellen, die derzeit die Stadt prägen. Diese Baustellen sind ein Thema, das die Bürger der Stadt umtreibt - sie sind Aufreger in den Leserbriefspalten, in der Bürgerschaft, aber auch bei Experten. Gerade erst hat die Hamburger Stiftung Baukultur diskutiert, wie der städtische Raum davon entlastet werden kann.

Seit Langem hadern Gewerbetreibende und Immobilienbesitzer mit der Situation. Wenn Frithjof Büttner, Geschäftsführer des Trägerverbunds Projekt Innenstadt e.V., derzeit durch die City läuft, sieht er kaum etwas anderes als einen Albtraum in Rot-Weiß. Ob Tiefbau, Hochbau, Innenausbau oder Reparaturarbeiten, kaum eine Straße, ja kaum ein Gebäude bleibt derzeit davon verschont.

City Hamburg: „Es wäre einfacher zu sagen, welche Straße gerade keine Baustelle ist.“

„Es wäre einfacher zu sagen, welche Straße gerade keine Baustelle ist, als wo gebaut wird“, klagt Büttner. Vieles kommt zusammen: Arbeiten am Fernwärmenetz und Maßnahmen zur Klimaanpassung, Erneuerung von Brücken und Straßen, Ausbau der U-Bahn und die Sanierung des Bestandes. Büttner stellt dabei nicht infrage, dass an viele Stellen gearbeitet werden muss, ihn stört aber der Umgang mit den Baustellen: die Koordination, die Kommunikation, die Gestaltung.

Frithjof Büttner, Geschäftsführer Trägerverbund Projekt Innenstadt, wünscht sich schönere Bauzäune.
Frithjof Büttner, Geschäftsführer Trägerverbund Projekt Innenstadt, wünscht sich schönere Bauzäune. © Matthias Iken | Matthias Iken

„Es beginnt mit der Kommunikation“, sagt er und verweist darauf, dass Behörden die Anlieger oft sehr kurzfristig vor vollendete Tatsachen stellen. „Wenn die Business Improvement Districts (BID) eine Baustelle planen, werden diese rechtzeitig vorher mit den Betroffenen besprochen – so können sich Einzelhändler, Büros, Praxen oder Lieferanten darauf einstellen. Bei manchen Behörden hingegen wird man quasi über Nacht von der Baustelle überrascht.“ Die BID, bei denen Grundeigentümer in Abstimmung mit der Stadt in ihr Quartier investieren, gelten als Hamburger Erfolgsmodell.

City Hamburg – überall sind Baustellen

Die Jungfernstieg-Verkehrsberuhigung hingegen sei mit den Anliegern kaum abgestimmt worden, kritisiert Jean Jaques de Chapeaurouge, Vorstand des Trägerverbunds. „Da fehlten die Informationen“, kritisiert er. Er fürchtet, dass die Bauarbeiten auf Hamburgs Prachtboulevard noch über das Jahresende hinaus laufen. Dann wartet schon die nächste Herausforderung: Wenn der Hamburger Hof entkernt wird, bekommt das ganze Areal über den Baustellenverkehr ein zusätzliches Problem.

Ein besonderes Ärgernis ist die Dauerbaustelle an der Kaiser-Wilhelm-Straße, die seit November 2020 die Stadt lahmlegt. Eigentlich sollten die Herstellung von Leitungstrassen, Fahrbahn und Radwegen längst abgeschlossen sein, aber immer wieder treten Probleme auf, etwa mit einem denkmalgeschützten Versorgungstunnel von 1892. „Das ist schon fast unmenschlich für die Anlieger - egal ob es alte Leute, Gastronomen oder Händler betrifft. Sie kommen kaum noch aus dem Haus oder ihnen gehen Kunden verloren. Sie müssen die Folgen tragen und bekommen nichts ersetzt“, sagt Büttner. Man müsse dahin kommen, Baustellen endlich kunden- und anwohnerverträglicher zu gestalten.

An vielen Stellen liegt Baumaterial herum

Am Jungfernstieg findet Büttner auch ein positives Beispiel, wie man mit Baustellen umgehen kann. „Alles, was sie attraktiver und unauffälliger macht, ist gut. Leider kostet es, und deshalb scheuen die Bauherrn oft diese Maßnahmen.“ Er lobt die Baustelle von Wempe am Neuen Wall. Sie wird im Obergeschoss eingerichtet, sodass das Erdgeschoss nicht unter Gerüsten verschwindet.

Ein anderes Vorbild ist die Baustelle an der Mönckebergstraße 9, wo früher C & A beheimatet war - dort zeigt der Bauzaun, wie das neue Gebäude („faszinierend anders“) nach der Fertigstellung aussehen soll. „Jede Information ist ein Gewinn.“

Büttner macht noch etwas anderes zu schaffen: An viele Stellen stehen Baustelleneinrichtungen hinter Baken und Gitterzäunen im Straßenbild herum. „Das löst unterbewusst ein Störgefühl aus“, sagt er. Am Ida-Ehre-Platz parken mehrere Handwerkerfahrzeuge hinter Zäunen, an der Spitalerstraße liegen Baumaterialien im öffentlichen Raum herum. „Die Innenstadt ist die Visitenkarte Hamburgs. Und die sieht schlimm aus“, sagt er.

Der Trägerverbund wünscht sich klare Regeln

Büttner wünscht sich einheitliche und klare Regeln, die private BID einst gemeinsam mit dem Bezirk Mitte und der Stadtentwicklungsbehörde „für stadtbild- und besucherverträgliche Baustellen“ verfasst haben. Darin heißt es etwa: „Baustellen sind durch 2,20 Meter hohe und ansprechend gestaltete Bauzäune abzugrenzen.“ Zudem sollte eine Einsehbarkeit etwa durch Gucklöcher gewährleistet sein oder Einrichtungsflächen täglich gereinigt haben. „Hamburg ist eine Stadt der Baustellen“, sagt Büttner. „Wenigstens die sollten ordentlich aussehen. Schließlich spiegeln sie die außerordentliche wirtschaftliche Kraft Hamburgs.“

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