Hamburg. Yalemzerf Yehualaw Densa und Cybrian Kotut laufen beim Haspa-Marathon neue Streckenbestzeiten. Auch deutsche Läufer glänzten.

Frank Thaleiser (56) ist selten um Worte verlegen. Diesmal jedoch atmete der Chef des Haspa Marathons erst einmal tief durch, bevor er seiner Begeisterung Ausdruck verlieh. „Das war ein Rennen für die Ewigkeit. Heute hat alles gepasst. Hoffentlich haben wir unser Glück nicht für die nächsten zehn Jahre verbraucht“, sagte er dann und umarmte im Zielraum jeden, der ihm in die Nähe kam.

Thaleisers Freude war verständlich, unterboten doch der Kenianer Cybrian Kotut (30) und die Äthiopierin Yalemzerf Yehualaw Densa (22) die Streckenrekorde beim mit Abstand schnellsten Lauf in der Geschichte des Hamburger Marathons, der in diesem Jahr zum 36. Mal ausgetragen wurde. Geschätzte 200.000 Zuschauende an der Strecke machten den Lauf für die knapp 15.000 Starterinnen und Starter im Marathon, dem Halbmarathon und den Staffeln zu einem Erlebnis. 5000 waren trotz Anmeldung nicht angetreten. Am Vortag hatte der Schülerlauf „Das Zehntel“ mit 9000 Teilnehmenden nach drei Jahren Pause sein Comeback gefeiert.

Hamburg-Marathon 2022: Kotut kassiert 25.000 Euro

Kotut blieb in 2:04:47 Stunden deutlich unter dem bisherigen Streckenrekord seines Landsmanns Eliud Kipchoge, des späteren Weltrekordlers und zweimaligen Olympiasiegers, der bei seinem Marathon-Debüt 2013 nach 42,195 Kilometern in 2:05:30 Stunden am Fernsehturm eintraf. Kotut kassierte 25.000 Euro Siegprämie und 15.000 Euro für die neue Hamburger Bestzeit.

Cybrian Kotut aus Kenia feiert seinen Sieg beim Hamburg-Marathon.
Cybrian Kotut aus Kenia feiert seinen Sieg beim Hamburg-Marathon. © dpa | Christian Charisius

Wie stark der 36. Haspa Marathon besetzt war, zeigten die Zeiten der Nachfolgenden. Der Ugander Stephen Kissa (27) musste sich bei seinem Marathon-Einstieg erst auf der Zielgeraden in der Karolinenstraße im Endspurt Kotut geschlagen geben. Eine Sekunde und ein halber Meter Rückstand kosteten ihn bei einer Prämie von 17.5000 Euro für Platz zwei im Vergleich zum Siegerlohn 22.500 Euro. Gleich hinter der Ziellinie verfinsterte sich seine Miene, während Kotut vom „fast perfekten Rennen“ sprach. Workineh Tadesse (Äthiopien/2:05:07) als Dritter und Victor Kiplangat (Uganda/2:05:09) als Vierter unterboten ebenfalls die alte Bestmarke Kipchoges.

Yehualaw war die schnellste Debütantin in der Geschichte

In die Marathon-Annalen wird vor allem der Auftritt Yehualaws eingehen. Die 22-Jährige rannte in 2:17:23 Stunden die sechstbeste bisher gelaufene Frauenzeit über diese Distanz, und nie war eine Debütantin vorher schneller (zuvor 2:18:56 Stunden der Engländerin Paula Radcliffe/2002 in London). Sie pulverisierte zudem die alte Hamburger Rekordmarke (2:21:55 Stunden).

Die hatte 2016 ihre Landsfrau Meselech Melkamu aufgestellt. Zusätzlich zu den 25.000 Euro Preisgeld erhielt Yehualaw noch 40.000 Euro für ihre von allen bejubelte Weltklasseleistung. Thaleiser hatte diese Gratifikation ausgelobt für eine Zeit unter 2:18:56 Stunden – und für diesen Fall eine Versicherung abgeschlossen. Die Prämie betrug inklusive Schadenersatzansprüchen bei einem Ausfall der Veranstaltung (maximal eine Million Euro) rund 12.000 Euro.

"Tempomacher spät ausgestiegen"

Auch Athletenmanager Jurrie van der Velden (38) von der niederländischen Agentur Global Sports Communication konnte den Renntag genießen. Sein Konzept war aufgegangen. Bei den Männern blieb eine Spitzengruppe mit zehn, später sieben Läufern bis Kilometer 35 zusammen. „Zudem sind die Tempomacher spät ausgestiegen, haben uns lange vor dem Gegenwind geschützt“, sagte Sieger Kotut. Der zum Teil böige Wind sei bei idealen Marathon-Temperaturen von am Start neun Grad und im Ziel zwölf Grad Celsius „das einzige Problem auf dieser fantastischen Strecke und bei diesen großartigen Zuschauern“ gewesen, meinte der Kenianer.

In den vergangenen Tagen hatte van der Velden sich allerdings der Kritik Thaleisers stellen müssen, weil mehrere verpflichtete Topathleten kurzfristig absagten. Die Zeiten am Sonntag versöhnten schließlich alle. Und Yehualaw, die am 27. Februar in Spanien in 29:14 Minuten einen neuen Weltrekord im Zehn-Kilometer-Straßenlauf aufgestellt hatte, bekannte später sogar: „Ich hätte noch ein bisschen schneller laufen können.“ An Energie fehlte es ihr nicht.

Hamburg-Marathon 2022: Benjamin Franke verteidigte Titel

Nach den ersten Gratulationen lief sie noch mal die Zielgerade in die andere Richtung herunter, um sich vom Publikum feiern zu lassen. In Hamburg wird man sie wohl nicht wiedersehen. „Ich fürchte, wir werden sie nicht mehr bezahlen können“, ahnt van der Velden. „Jahrhunderttalent“ Yehualaw dürfte künftig allein mehr als 100.000 Euro Antrittsgeld kosten. Ihr Name wird aber immer mit dem Haspa Marathon verbunden bleiben. Erfreulich die Resultate der deutschen Topläuferinnen: Kristina Hendel (LG Braunschweig) blieb als Fünfte in 2:27:29 Stunden zwei Sekunden unter ihrer Bestzeit und den Normen für die WM im Juli in Eugene (USA/2:29:30) und der EM im August in München (2:32:30).

Deborah Schöneborn (SCC Berlin) wurde Neunte (2:29:51). Die deutschen Männer liefen dagegen ihren Ansprüchen hinterher. Philipp Pflieger (SCC Berlin) stieg nach 30 Kilometern wegen Rückenbeschwerden aus, Teamkamerad Johannes Motschmann (2:17:08) bekam auf den letzten Kilometern muskuläre Probleme. Bester Deutscher: Florian Röser (Konstanz/2:15:03), der 21. wurde. Benjamin Franke (32/Laufteam Haspa Marathon) verteidigte in 2:30:14 Stunden seinen Titel als Hamburger Meister.