Hamburg. Von Hamburg nach Tirol – plötzlich wurde die Fahrt gestrichen. Einer Abendblatt-Redakteurin stehen buchstäblich die Haare zu Berge.
Man darf das Thema Bahnfahren im Bekanntenkreis lieber gar nicht erst ansprechen, ansonsten gibt es den ganzen Abend kein anderes Gesprächsthema mehr. Schließlich macht jeder so seine Erfahrungen mit der Deutschen Bahn.
Weil ich selbst regelmäßig von Hamburg aus mit dem Zug in meine alte Heimat Österreich fahre, habe ich notgedrungen auch sehr viel zu erzählen. Von kaputten Zugtüren, nicht funktionierenden Klimaanlagen bei 30 Grad Außentemperatur und Feueralarm wegen rauchender Bremsen. Von defekten Toiletten, umgekehrten Wagenreihungen und angedrohten Einsätzen der Bundespolizei, wenn zu viele Fahrgäste an Bord sind. Von Menschen oder Tieren auf oder neben den Gleisen – oder immer mal wieder von Streiks, wie zuletzt im Januar.
Deutsche Bahn: Zug von Hamburg nach Tirol fällt aus, doch es gibt keine Infos
In letzter Zeit kommen ganz neue Probleme dazu. Jetzt gibt es E-Mails der Deutschen Bahn AG, die man bislang eher von Fluglinien kannte. Verbindungen werden einfach wenige Wochen vor Reiseantritt gecancelt.
In der Überschrift der E-Mail klingt es noch eher harmlos: „Fahrplanänderung auf Ihrer Reise am 2. März: Fahrt nicht wie geplant möglich.“ Nach dem Klicken auf die rot unterlegte Schaltfläche mit der Aufforderung „Aktuelle Informationen hier abrufen“ heißt es dann plötzlich: „Verbindung ist nicht mehr fahrbar.“ Das Angebot „Alternative Verbindung suchen“ führt leider ins Nichts. „Keine Suchergebnisse“! Toller Service!
Bahn bietet abenteuerliche Alternative: Zwölf Stunden von Hamburg nach Tirol
Die Verbindungen, die man in der Fahrplanauskunft findet, lassen einem die Haare zu Berge stehen: Statt einer Fahrtzeit von gut neuneinhalb Stunden mit dem „Ski-Express Tirol“ werden zwei Verbindungen mit fünf Umstiegen angezeigt. Fahrzeit: zwölf Stunden.
Auch die Route ist abenteuerlich: Statt von Hamburg Dammtor, wie von uns geplant, geht es vom Hamburger Hauptbahnhof mit dem ICE bis Frankfurt/Main, von dort mit dem ICE weiter nach Ulm. Hier muss man in einen Interregio nach Kressbronn am Bodensee umsteigen und dort in einen Bus nach Lindau-Reutin am Bodensee. Von dort geht es mit der S-Bahn weiter bis Bregenz und erst ab da mit einem RailJet an den Zielbahnhof in Tirol.
Von Hamburg mit dem Ski-Express nach Tirol: Bahn-Sprecherin findet Zug nicht
Dafür muss man eineinhalb Stunden früher losfahren, um trotzdem eine Stunde später anzukommen. Und auch spätere Verbindungen sind alles andere als ideal.
Bei der Deutschen Bahn gibt man sich völlig ahnungslos: „Eine Zugnummer ICE 1201 ist uns nicht bekannt“, so die knappe Antwort einer Bahn-Sprecherin in Hamburg. Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn ist da deutlich findiger. „Der ICE 1201 steht in der Fahrplanauskunft der DB mit dem Zusatz ,fährt Sonnabend bis 17. Februar‘. Das ist ungewöhnlich für einen Zug, der extra in der Ski-Saison fährt.“
Wohl wahr! Immerhin beginnen die Hamburger Skiferien erst in der zweiten Märzhälfte.
Fahrgastverband kritisiert: Deutsche Bahn plant oft nicht langfristig genug
Naumann zufolge gibt es im Schienennetz derzeit mehrere Hundert Baustellen bundesweit. „Jeden Tag kommen zwei bis drei neue Baustellen dazu“, so der Pro-Bahn-Sprecher. „Diese Zahl hat deutlich zugenommen, weil jetzt Geld dafür da ist, um zu reparieren. Das hat natürlich Konsequenzen für die Zugverbindungen.“
Was Naumann kritisiert, ist, dass viele Baustellen sehr kurzfristig eingerichtet würden und es weniger langfristige Planungen gebe. „Das ist eine Mixtur aus jahrzehntelanger Vernachlässigung und wenig vorausschauender Planung. Wenn Baustellen langfristig geplant werden und es einen großzügigen Baustellen-Fahrplan gibt, sind die Einschränkungen für die Bahnkunden nicht so groß.“
Bahn-Sprecherin verteidigt kurzfristig notwendigen Bauarbeiten
Die Bahn-Sprecherin äußert sich hingegen anders zu den Arbeiten im Schienennetz. Sie betont, dass die „meisten Baumaßnahmen lange im Voraus geplant werden“. Die daraus folgenden Änderungen könnten in die Fahrpläne eingearbeitet werden, noch bevor die Reisenden ihr Ticket buchen.
„Jedoch gibt es – wie im Straßenverkehr – auch bei der Bahn kurzfristige Bauarbeiten und Einschränkungen. Daher bitten wir alle Reisenden, sich kurz vor der Fahrt noch mal über bahn.de oder die App DB Navigator zu ihrer Verbindung zu informieren.“ Ein entsprechender Hinweis finde sich auf jedem Ticket.
84 Prozent der Bahnkunden kaufen ihre Fernverkehrstickets online
Laut Deutscher Bahn werden im Fernverkehr mittlerweile 84 Prozent aller Tickets digital über bahn.de oder die App DB Navigator gekauft – mit stark steigender Tendenz. Die Mehrheit der Kundinnen und Kunden nutze dabei die Funktion „Benachrichtigungen zur Reise“.
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„Dann werden sie frühzeitig über Abweichungen vor- oder während der Zugfahrt benachrichtigt. Das geschieht per Push-Nachricht oder E-Mail. Einmal aktiviert erhalten die Kundinnen und Kunden automatische Benachrichtigungen, wenn es auf der Reise zu Änderungen kommt“, so die Bahn-Sprecherin.
Auch im Reisezentrum erhalten diese ihren Angaben zufolge beim Kauf eines Sparpreis-Tickets automatisch eine digitale Fahrkarte, bei deren Buchung sie eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer angeben, über die sie bei Änderungen informiert werden können.
Deutsche Bahn: Ski-Express – in Hamburg geht es nun schon um 4.09 Uhr los
Woran die überraschende Stornierung des Ski-Express Tirol ab diesem Wochenende nun genau liegt, beantwortet die Bahn-Sprecherin leider nicht. Aber den Zug hat sie im System ja auch gar nicht gefunden. Und warum dieser Zug nicht einfach eine Ausweichroute nimmt, sofern es an plötzlich notwendigen Bauarbeiten liegt, erklärt sie auch nicht.
Abschließend erklärt sie nur: „Insgesamt fallen rund zwei bis drei Prozent der Fernverkehrszüge auf dem gesamten Laufweg ersatzlos aus.“
Rechnet man das mal hoch, muss man wohl schon dankbar sein, wenn man nicht erst am Bahnsteig merkt, dass der gebuchte Zug ausfällt. Statt um 5.57 Uhr mit dem Ski-Express nehme ich jetzt einen Zug mit zwei Umstiegen. Abfahrt: 4.09 Uhr. Aber eine Thermoskanne mit Tee und genug Proviant nehme ich garantiert mit. Dann kann mich wenigstens ein möglicherweise defektes Bordbistro nicht schocken.