Hamburg. Stephanie Pinkowsky ist Single, als sie sich Nachwuchs wünscht. In Dänemark gibt es Hilfe. Ein Weg, den immer mehr Frauen gehen.

Wenn die zweijährige Zoe ein Foto von ihrem Vater anschaut, dann blickt sie auf einen kleinen Jungen mit einem blonden Wuschelkopf. Zoes Mutter Stephanie hatte das Bild entdeckt, als sie sich durch die Spenderprofile bei einer Samenbank geklickt hat. Bilder der heute erwachsenen Männer durfte sie aus rechtlichen Gründen nicht sehen, damit die Spender anonym bleiben.

Es ist das einzige Bild, das sie von Zoes leiblichem Vater haben. Am Ende war es das Lächeln, das die freiberufliche Texterin aus Hamburg-Mitte überzeugte. „Es erinnerte mich an meine Großmutter“, erzählt die 32-Jährige.

Familie Hamburg: Kind per Samenspende – Zahl der Solo-Mütter steigt

Stephanie Pinkowsky ist Solo-Mutter, hat sich also dazu entschlossen, allein und ohne Partner ein Kind zu bekommen und großzuziehen. Eine Entscheidung, die sie bewusst getroffen hat und auf die sie stolz ist.

Ein ganz normales Familienleben mit Tochter Zoe Emilia: Stephanie Pinkowsky ist stolz darauf, dass sie den Weg gegangen ist.
Ein ganz normales Familienleben mit Tochter Zoe Emilia: Stephanie Pinkowsky ist stolz darauf, dass sie den Weg gegangen ist. © privat | Privat

Mit diesem Entschluss steht Pinkowsky nicht allein da. Die Zahl der Solo-Mütter steigt. Das legen zumindest die Zahlen des deutschen Registers für In-Vitro-Fertilisation (kurz IVF, die Befruchtung im Reagenzglas) nahe. Demnach ist die Anzahl der alleinstehenden Frauen, die behandelt wurden, von 146 im Jahr 2018 auf 1287 im Jahr 2022 gestiegen.

Die tatsächliche Zahl der Single-Mütter dürfte aber deutlich höher sein, denn nicht gelistet über das IVF-Register ist etwa die Zahl der Inseminationen – hier wird der Samen direkt in die Gebärmutter gespült. Außerdem gibt es viele alleinstehende Frauen, die sich im Ausland behandeln lassen. So auch Stephanie Pinkowsky.

Hamburger Solo-Mutter: Irgendwann wurde der Kinderwunsch immer größer

Aber von vorn: Piknowsky war Ende 20, als sie beschloss, sich ihren Kinderwunsch auch ohne Partner zu erfüllen. Hinter ihr lag eine langjährige Beziehung mit einem drei Jahrzehnte älteren Mann. Dass er keine Kinder mehr haben wollte, störte sie in den ersten Beziehungsjahren nicht.

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„Das Thema rückte erst näher an mich heran, als im Bekanntenkreis immer mehr Frauen schwanger wurden und eine eigene Familie gründeten.“ In dieser Zeit spürte Pinkowsky: „Das möchte ich auch haben.“ Schließlich trennte sie sich von ihrem Partner. Nicht nur, aber auch deswegen. Und so richtig es sich auch anfühlte: „Es dauerte, bis die Trennungswunden heilten“, erinnert sich die Hamburgerin.

Gleichzeitig wurde der Kinderwunsch immer größer. „Aber ich war noch nicht bereit für eine neue Partnerschaft.“ Schließlich begann sie zu recherchieren: Kann man sich als Single in Deutschland an eine Kinderwunsch-Klinik wenden? Darf man eine Samenspende nutzen?

Single und Kinderwunsch: In Deutschland sind die bürokratischen Hürden groß

Schnell stellte sie fest: „Grundsätzlich ist das möglich, aber die bürokratischen Hürden sind groß. Ich hätte zum Beispiel eine Garantieperson nennen müssen, die die finanzielle Verantwortung übernimmt, wenn ich zum Beispiel meinen Job verliere.“ Das habe sie niemandem zumuten wollen.

Die Professorin für Soziologie und Familiendemografie an der Universität Rostock, Heike Trappe, bestätigt die zum Teil schwierige Situation für Alleinstehende: .„Obwohl das Samenspenderregistergesetz aus dem Jahr 2018 die Position der alleinstehenden Frauen gestärkt hat, möchten nicht alle Kliniken dieser Gruppe bei einer Kinderwunschbehandlung zur Verfügung stehen, da die Gesetzgebung auf diesem Gebiet nicht eindeutig ist.“

Zoe Emilia ist heute zwei Jahre alt. Ihren Vater darf sie kontaktieren, wenn sie 18 Jahre alt ist.
Zoe Emilia ist heute zwei Jahre alt. Ihren Vater darf sie kontaktieren, wenn sie 18 Jahre alt ist. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Die alleinstehenden Frauen seien dem Gesetz nach auch finanziell schlechter aufgestellt. „Beispielsweise kann eine Frau mit einem Spenderkind keine staatlichen Zuschüsse zum Unterhalt erhalten“, so Trappe.

Hamburger Single-Mutter: In Dänemark erfüllt sie sich ihren Wunsch

Stephanie Pinkowsky entschied sich also schließlich für eine Insemination bei der Diers Klinik in Dänemark mit angeschlossener Samenbank. Schon seit 2006 behandelt die Einrichtung in Aarhus auch alleinstehende Frauen oder lesbische Paare. „70 Prozent unserer Kundengruppe kommen aus Deutschland, und wir hören oft, dass die Gesetzgebung Probleme bereitet“, sagt Liza Diers, Leiterin und Gründerin der Diers Klinik.

Deutsche Kinderwunschkliniken würden es in einigen Fällen ablehnen, lesbische Paare und alleinstehende Frauen zu behandeln. „Deshalb machen diese sich stattdessen auf den Weg nach Dänemark.“ Diers bestätigt ebenfalls einen Anstieg bei der Nachfrage: „Insbesondere bei den alleinstehenden Frauen hat das Interesse deutlich zugenommen.“ Interessant sei auch: „Noch vor einigen Jahren kamen die Frauen oft mit über 40 zu uns. Heute entscheiden sich viele schon mit Ende 20 oder Anfang 30 für ein Kind.“

Samenspende: Suche nach passendem Vater war „wie Katalog-Shoppen“

Bevor es bei Pinkowsky losgehen konnte, musste sie noch einige Voruntersuchungen machen, etwa die Durchlässigkeit der Eierstöcke prüfen lassen. Als alles gut aussah, konnte sie sich für einen Spender entscheiden. Pinkowsky erinnert sich: „Das war ein bisschen wie Katalog-Shoppen.“

Zu jedem Spender gab es einige Angaben, also etwa Haarfarbe, Größe, Gewicht, Interessen und Bildungsgrad. Was ihr wichtig war? „Da ich eher zierlich bin, habe ich mich für einen großen Mann entschieden.“ Und ansonsten? „Bei Zoes Vater weiß ich, dass er einen akademischen Abschluss hat. Aber das wäre für mich nicht entscheidend gewesen. Ich hab das Foto gesehen und wusste, dass er es wird“, sagt Pinkowsky.

Ebenfalls war ihr wichtig, dass es sich um eine offene Spende handelt. Das heißt, dass Zoe bei Interesse den Vater mit 18 Jahren kontaktieren darf.

Hamburger Solo-Mutter: Kurz vor dem Eisprung beginnt die Reise

Kurz vor dem nächsten Einsprung fuhr Pinkowsky schließlich nach Dänemark. Ein letzter Check per Ultraschall und dann konnte die Insemination starten. Dabei wird der Spendersamen mit einer Spritze in die Gebärmutter eingeführt. Und tatsächlich sollte Pinkowsky nur diesen einen Versuch brauchen. „Ich wurde sofort schwanger und konnte mein Glück kaum fassen.“

Erinnerungen an die Schwangerschaft ohne Partner. „Ich habe die Zeit genossen“, sagt die Hamburgerin Stephanie Pinkowsky.
Erinnerungen an die Schwangerschaft ohne Partner. „Ich habe die Zeit genossen“, sagt die Hamburgerin Stephanie Pinkowsky. © privat | Privat

Schwangerschaft und Geburt erlebte sie als eine wundervolle Zeit – auch ohne Partner. „Ich habe vollen Rückhalt von meiner Familie bekommen. Und bei der Geburt war meine Mama dabei. Das war für uns beide ein wunderbarer Moment.“

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Mit ihrer Geschichte ist Stephanie Pinkowsky von Anfang an offen umgegangen. „Ich binde es nicht jedem auf die Nase, aber wenn jemand fragt oder es sich ergibt, dann erzähle ich ganz einfach, was passiert ist. Je weniger Brimborium man darum macht, desto normaler reagieren die Leute“, glaubt sie. Die Reaktionen: „Ich bekomme viel Zuspruch und Akzeptanz für meine Entscheidung“, sagt die junge Mutter.

Hamburg-Mitte: Solo-Mutter möchte anderen Mut machen

„Die große Problematik ist nicht das normale Umfeld, sondern das System, das viel zu konservativ ist. Auch heute noch strebt der Staat nach dem Ideal, dass Mann und Frau verheiratet sein sollen, um eine Familie zu gründen, aber dieses Vorbild ist eine Illusion“, so Pinkowsky.

In der Realität aber würden viele Kinder in Scheidungsfamilien aufwachsen, in Familien mit Missbrauchsproblemen oder in Familien, in denen ein Elternteil die Familie verlässt. „Warum sollte eine Familie mit zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen oder ein weiblicher Single nicht gut genug sein?“ Pinkowsky möchte mit ihrer Geschichte anderen Mut machen, erzählt sie.

Familie Hamburg: Die Chance auf Nachwuchs sollte jeder haben

„Wer einen Kinderwunsch und keinen Partner hat, der hat auch das Recht auf die Chance, eine Familie zu gründen“, findet sie. Die Kosten hätten sich bei ihr in Grenzen gehalten. Insgesamt rund 2000 Euro hat Pinkowsky inklusive der Voruntersuchungen in Deutschland gezahlt. Inzwischen seien die Kosten angestiegen. Und wichtig: „Sind mehrere Versuche nötig, erhöht sich der Preis natürlich.“

Aber sie betont: „Zoe ist das Beste, was mir passiert ist. Der Weg hat sich so sehr gelohnt.“ Gibt es sie dennoch, Momente, in denen einem das eigene Kind fremd vorkommt, weil man dessen Wurzeln nicht kennt? „Nein“, sagt Stephanie Pinkowsky. Im Gegenteil: „Seit einiger Zeit erkenne ich in ihrem Lachen das Lachen des kleinen blonden Jungen von dem Foto wieder. Und das finde ich schön.“