Hamburg. Unterwegs in Gottes Namen auf Norddeutschlands größtem Volksfest: Angelika Gogolin traut Paare erstmals in Fahrgeschäften.
- Pastorin Angelika Gogolin traut Paare auf dem Dom
- Vor allem junge Menschen werden angesprochen
- Trauung in 60 Metern Höhe auf dem Riesenrad möglich
Wo würde man Pastoren in Hamburg wohl als Letztes vermuten? Genau. „Wir treffen uns im Bierzelt“, erklärt Maia Nicklaus, die für die Pressearbeit bei St. Moment verantwortlich ist. Sie geht voraus, bahnt sich einen Weg über den gut besuchten Winter-Dom. Im Hanseaten zwischen Bockwurst und kühlem Blonden ziehen sich die Pastoren um.
Angelika Gogolin, Friedrich Brandi und Fabio Fried stechen in ihren schwarzen Talaren mit bunter Stola durchaus hervor zwischen dem hiesigen Partyvolk. Trotzdem setzen sie noch eins drauf – beziehungsweise Fabio Fried tut dies. Völlig unvermittelt schnallt er sich noch einen Kasten vor den Bauch. „Das ist unser Kaugummikasten mit Segenssprüchen“, erklärt Nicklaus erneut mit irritierender Selbstverständlichkeit. Und damit geht‘s ab in einen der ungewöhnlichsten Abende auf dem Hamburger Dom.
Dom-Premiere: Pastorin traut Paare auf dem Riesenrad – erstmals
Um 19.30 Uhr startet die Gruppe aus evangelischen Pastoren zu ihrer Tour über Norddeutschlands größtes Volksfest. Sie wollen mit den Besuchern ins Gespräch kommen. Menschen segnen zwischen Losgeschäft und Entenangeln. Sie möchten nach Sorgen und Wünschen fragen. Und wer mag, kann an diesem Abend erstmals mit kirchlichem Segen auf dem Dom heiraten. Auch ganz spontan. Hochzeitspastorin Angelika Gogolin bietet an, heiratswillige Paare zu trauen – ganz gleich ob im Autoscooter, im Riesenrad oder in der Geisterbahn.
Grenzen sind der Sache nur insoweit gesetzt, als dass Hochzeitspastorin Gogolin nicht ganz schüttelfest ist. Aufgrund eines Unfalls und eines Genickbruchs würde sie nur ungern in ein Fahrgeschäft wie den Shaker steigen, erklärt sie beim Gang über den Dom. „Den Unfall habe ich nur knapp überlebt“, so Angelika Gogolin, über die offenbar irgendwer schützend die Hand hielt. An diesem Abend ist es sie, die die Hand über andere hält. Immer dann, wenn sie einen Segen erteilt. Und das sind viele.
Hamburger Dom: Zwischen Bratenfett und Kirmesrummel gibt es ernste Momente
Die Frohnatur kommt schnell ins Gespräch mit den Besuchern auf dem Hamburger Dom. Besonders die jungen Leute zeigen Interesse, sind offen. Der Kaugummiautomat nimmt Hemmschwellen. Da, wo die Gruppe auftaucht, wird viel gelacht. Aber es gibt durchaus ernste Momente. „Was wünscht du dir?“ fragt die Patorin einen elfjährigen Jungen, der gesegnet werden möchte. Hier mitten im Domtrubbel, während die Musik aus Boxen dröhnt und der Geruch von gebratenen Fritten einem um die Nase weht, hält der Junge inne und sagt dann: „Gesundheit für mich und meine Eltern.“
Tausende laufen an diesem Abend über den gut besuchten Dom. Sehr still steht plötzlich ein Paar am Rande der Gruppe, wartet bis Angelika Gogolin ihr Gespräch beendet. Dann gibt es ein großes Wiedersehen. Man kennt sich von einer Hochzeit. Die Pastorin hat das Paar im August getraut. Nach zehn Jahren Beziehung gaben sich die Erzieherin aus Eimsbüttel und der Kieler im Rathaus von Laboe erst standesamtlich das Ja-Wort, dann ließen sie sich auf dem Kirchenschiff „Flusi“ im Hamburger Binnenhafen kirchlich trauen.
„Sie trug weiße Turnschuhe an dem Tag“, erinnert sich Yvonne Dohrmann an die Pastorin. „Genauso wie wir.“ Abgesprochen habe man sich nicht. Es passte perfekt. Wie an diesem Abend. Das eingespielte Team entscheidet sich spontan für eine kirchliche Segnung noch an diesem Abend im Riesenrad.
Dom-Pastor Friedrich Brandi: „Können nicht ewig warten, dass Leute zu kommen“
Den „Türöffner“ dazu macht Dom-Pastor Friedrich Brandi. Auch er ist an diesem Abend dabei. Ihn kennen die Schausteller und vertrauen ihm. „Seit 13 Jahren organisiere ich immer am ersten Sonntag zum jeweiligen Dom-Beginn einen Gottesdienst im Hanseaten“, erklärt er. Nach dem Aufbau gegen Mitternacht würden sich dann etwa 60 bis 100 Leute versammeln. Um sich Gehör zu verschaffen, brauche es eine klare Ansprache bei den Schaustellern, denen Brandi eine tiefe und fromme Ader attestiert. Zudem biete er ehrenamtlich einen Intensivkurs für Konfirmanden der Schausteller an.
Was Brandi von Trauungen im Autoscooter oder Segnungen auf dem Heiligengeistfeld hält? „Ich bin heute auch hier, um mir eine Meinung zu bilden“, sagt der Dom-Pastor. „Aber schaden kann es doch nicht. Wir können doch nicht ewig warten, dass die Leute zu uns kommen. Warum nicht dorthin gehen, wo sie sind?“
Kirche Hamburg: „Du bist ein Hauptgewinn“ für Hochzeit auf Winter-Dom
Genau das ist die Grundidee von st. Moment, einer Agentur der evangelischen Kirchengemeinde in Hamburg. Trauungen, Taufen oder gemeinsames Trauern: Es geht darum, wichtige Lebensmomente zu teilen. Dabei zeigt sich die Kirche erstaunlich offen. So bietet Pastorin Gogolin auch Hochzeiten in der Kiezkneipe an.
„Du bist ein Hauptgewinn“ – mit diesem Slogan und mit Werbebändchen macht die Pastoren-Crew an diesem Abend nun auf die neueste Idee aufmerksam: Die Hochzeit auf dem Winter-Dom.
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Wir romantisch das sein kann? Yvonne und Thorsten Dohrmann sind das erste Paar Hamburgs, die das ausprobieren. Zusammen mit Pastorin Angelika Gogolin geht es in die Gondel des Riesenrades. Es ist enger als gedacht, aber auch schöner als erwartet.
„Was wünscht ihr euch für eure Zukunft?“, möchte Angelika Gogolin von ihnen wissen. Sie hat neben dem Paar auf der Sitzbank Platz genommen. „Dass wir ganz, ganz alt miteinander werden“, sagt die 47-Jährige, während es langsam immer weiter hochgeht, bis auf 55 Meter über Hamburg.
Dom Hamburg: Hochzeit im Fahrgeschäft bis 10. Dezember möglich
„Und was liebst du an Thorsten besonders?“, fragt die Hochzeitspastorin in dem etwas verknappten Traugespräch. „Er ist immer für uns da. Ist liebevoll. Er ist mein bester Freund und Ehemann, ich kann mit ihm über alles reden“, erklärt die 47-Jährige, und der 53-Jährige ergänzt: „Jeder Tag schweißt uns immer mehr zusammen.“ Es habe vom ersten Moment an gepasst zwischen den beiden. Zur Segnung am höchsten Punkt geht‘s noch etwas höher: Alle trauen sich, aufzustehen.
Während die Gondel leicht schwingt, sagt die Pastorin – so wie sie es auch bei einer ersten Trauung machen würde: „Gott segnet euch mit dem Glück des Himmels, dem bunten Glück des Doms, den Lichtern und dem Glitzern, Gott segne euch mit allem Glück der Erde.“ Im Hintergrund leuchten die Kirmeslichter um die Wette und man hört kaum noch die Schreie derer, die gerade vom Air Power durch die Luft gewirbelt werden.
Der Winter-Dom läuft noch bis zum 10. Dezember. Bis dahin gibt es auch das Angebot von St. Moment, sich hier jederzeit kirchlich trauen zu lassen.