Hamburg. Angeklagte erklären im Prozess, warum sie ein berühmtes Gemälde von Caspar David Friedrich für ihre Aktion auswählten.
Es ist ein ikonisches Gemälde und eines der berühmtesten Bilder der deutschen Romantik: „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich. Dieses Werk von besonderer Symbolkraft haben sich zwei Aktivistinnen der Letzten Generation für eine spektakuläre Aktion ausgesucht: Sie wollten das durch einen Glasscheibe geschützte Gemälde mit einem Poster überkleben – und so auf den fortschreitenden Klimawandel hinweisen.
Wegen dieser Handlungen vom 19. März dieses Jahres mussten sich am Mittwoch die beiden 57 und 41 Jahre alten Frauen im Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf den Hamburgerinnen versuchte gemeinschaftliche Sachbeschädigung und gefährliche Körperverletzung vor. Sie hätten bei der Aktion gegen das Gemälde in der Kunsthalle Hamburg zudem auf einen Sicherheitsmitarbeiter, der eine Beschädigung des Gemäldes habe verhindern wollen und sich schützend davorstellte, mit Fäusten eingeschlagen, heißt es.
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Anschließend hatten die beiden Aktivistinnen das Plakat, das eine zerstörte, brennende Landschaft hinter dem Wanderer zeigt, stattdessen auf den Boden gelegt und mit Asche bestreut.
Beide Angeklagte räumten ein, die Aktion geplant zu haben, erläuterten aber ausführlich ihre Motive. Um auf die fortschreitende Klimakatastrophe hinzuweisen, habe sie sich „für die Kunst als Botschafterin entschieden“, betonte die 41-Jährige. Die Kunst habe „das Gedächtnis von Jahrhunderten“. Und die „Klimakatastrophe zerstört, was wir lieben“, sagte die Mutter von vier Kindern.
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Die Menschen und die Kunst seien von der immer bedrohlichere Ausmaße annehmenden Erderwärmung gefährdet. Sie müsse mit „Wut und Verzweiflung sehen, wie die Zerstörung weitergeht“, erklärte die Hamburgerin. Sie gehöre zur Letzten Generation, die verhindern könne, dass die Menschen Schaden nehmen. Ihr jüngster Sohn werde gerade eingeschult. Wenn jetzt nicht entschieden gegen den Klimawandel vorgegangen werde, müsse ihr kleiner Sohn, wenn er ihr Alter erreicht habe, „in einer Welt leben, in der kein Mensch leben möchte“.
Zwar seien die Zahlen und Fakten über den Klimawandel bekannt, argumentierte die Angeklagte weiter. „Aber Zahlen erreichen die Menschen nicht.“ Anders sei es mit der Kunst, die „voller Gefühle“ und „ein wichtiger Schlüssel der Erkenntnis“ sei. „Wir können nicht mehr nur am Infostand stehen. Wir müssen laut sein“, verteidigte sie ihre medienträchtige Aktion.
Auch die 57-jährige Angeklagte räumte ein, an der Aktion beteiligt gewesen zu sein und nannte ihre Tat einen „Akt des zivilen Ungehorsams“, mit dem sie auf die Klimakatastrophe habe hinweisen wollen. „Ich wollte zeigen, dass wir alle in der Verantwortung stehen.“ Sie stehe zu ihrer Tat, weil sie angesichts der Bedrohung durch die Erderwärmung „verzweifelt genug“ sei.
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Beide Angeklagte betonten, sie hätten ausdrücklich verhindern wollen, dass das Gemälde Schaden nimmt. Sie hätten gewusst, dass das Werk Caspar David Friedrichs (1774–1840) in der Kunsthalle durch eine Glasscheibe geschützt ist. Es sei vorher „geprobt“ worden, was nötig sei, um die Unversehrtheit des ikonischen Gemäldes sicherzustellen. So hätten sie beispielsweise die Größe des Posters so gewählt, dass es Maße des Gemäldes unterschreitet. So hätten Poster und Klebstoff ausschließlich auf der Glasscheibe angebracht werden sollen. Auch den Wachmann hätten sie nicht verletzt.
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Staatsanwaltschaft und Verteidigerinnen forderten schließlich einen Freispruch für die Angeklagten. Und entsprechend dieser Anträge lautete auch das Urteil der Amtsrichterin. Die Vorsitzende sagte, die Angaben des Wachmannes, der als Zeuge ausgesagt hatte, seien widersprüchlich. Außerdem habe ein ungeschnittenes Video, das die Aktion zeige, bewiesen, dass die Frauen niemanden angegriffen hätten. „Ich finde Ihre Motivation menschlich nachvollziehbar“, sagte die Richterin.
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Beim nächsten Mal sollten die Aktivistinnen jedoch bedenken, dass ihre Aktionen auch Auswirkungen auf Dritte hätten. Außerdem habe das Gemälde beschädigt werden können.
Kurze Zeit nach der Verkündung des Urteils meldete sich die Letzte Generation zu Wort. „Tatsächlich fragen wir uns, warum wir uns heute dafür verteidigen müssen, dass wir friedlich für dringend notwendigen Klimaschutz protestieren?“, wird die 41 Jahre alte Angeklagte Eika Jacob zitiert. „Während unserer friedlichen, symbolischen Aktion sind wir mit äußerster Sorgfalt vorgegangen, sodass zu keinem Zeitpunkt etwas oder jemand hätte Schaden nehmen können.“
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Sie und ihre Mitstreiterin liebten die Kunst, heißt es in der Mitteilung weiter. Jacob: „Deswegen haben wir sie als Botschafterin gewählt. Wir können uns nur schwer eine Welt ohne sie vorstellen. Doch nur in einer ökologisch intakten Welt werden Lebensgrundlagen wie angemessener Wohlstand, Sicherheit, Frieden ... erhalten bleiben.“
Und die 41-Jährige erklärt: „Wir wünschen uns, dass die Energie, welche von Polizei und Justiz darauf verwendet wird, legitimen Protest zu kriminalisieren, lieber genutzt wird, um die ökologischen Verbrechen an der Erde und der Menschheit zu verhindern.“