Hamburg. Die Fahrbahnen der Überseeallee sind unterschiedlich hoch. Wie es zu dem Phänomen gekommen ist und was dort jetzt passiert.
Baustellen in der HafenCity sind an sich nichts Ungewöhnliches. Schließlich entsteht der jüngste Stadtteil Hamburgs ja erst in diesen Jahren. Bagger, Kräne und Lkw mit Baumaterialien prägen das Straßenbild in dem Viertel an der Elbe, und jedes Mal, wenn mal wieder ein Besuch ansteht am Brooktorhafen oder im Lohsepark, wundert man sich über die vielen neuen Gebäude – und manche kuriose Planung.
Verwundert sind nun aber auch jene Hamburger, die in der HafenCity leben und an Bauarbeiten eigentlich gewöhnt sind. Denn mit der Überseeallee überrascht eine Straße, die auf zwei Ebenen verläuft. Die eine Spur hat dort ein wesentlich höheres Niveau als die andere.
HafenCity Hamburg: Die Überseeallee ist eine Straße mit Höhenunterschied
„Neben der Baustelle für das neue Westfield Hamburg-Überseequartier wurde die Straße offenbar rund einen Meter zu niedrig angelegt“, berichtet ein Nachbar aus der HafenCity. Nun werde die Fahrbahn dort Stück für Stück höher gelegt, schildert der Hamburger seinen Eindruck von den laufenden Arbeiten. Ist dort, wo Hamburgs neues Shoppingparadies entstehen soll, etwas schiefgelaufen?
Die Ursache für den Absatz mitten auf der Straße, so argumentiert die HafenCity Hamburg GmbH auf eine Anfrage des Abendblatts, sei in den ungewöhnlichen Umständen vor Ort zu suchen. Der Unterschied zwischen Nord- und Südbereich der Straße liege vor allem an dem „schwierigen Baugrund der HafenCity“. Es sei hier stets mit Sekundärsetzungen zu rechnen, „die dann im Laufe des Bauprozesses ausgeglichen werden müssen“, heißt es in der Fachsprache über die Flächen, die abgesackt sind.
Überseeallee in der HafenCity wurde auf Klei und Torf errichtet
Schließlich sei die Überseeallee auf „organischen Weichschichten, bestehend aus Klei und Torf“ errichtet. Dass sich das Material im Lauf der Zeit absenke, sei zu erwarten – und komme aufgrund der unterschiedlichen Bodenschichten im gesamten Stadtgebiet in geringen Höhen immer wieder vor.
Bevor eine Straße in der HafenCity gebaut wird, werden sogenannte Setzungsvorwegmaßnahmen durchgeführt. Dabei wird der Untergrund mit Sand aufgeschüttet, um Druck auszuüben. Gleichzeitig wird der Boden entwässert. Dies führt zu einem Zusammendrücken, einer Setzung des schwierigen Baugrundes.
Das ist auch bei der Überseeallee passiert, jedoch nicht gleichzeitig für beide Fahrbahnen. Denn: Die südliche Fahrspur bestand bislang nur provisorisch und wurde für die Baustelle des Einkaufszentrums genutzt. Diese ist mit der Zeit noch weiter abgesackt. Nun, so heißt es von der HafenCity Hamburg GmbH, würden die „nachlaufenden Setzungen mit der Herstellung der endgültigen Straße ausgeglichen“.
HafenCity: Gebäude entstehen auf rund 20 Meter langen Pfählen
Das Bauen auf wenig tragfähigem Baugrund in Wassernähe hat in Hamburg eine lange Tradition. Bei Gebäuden wird daher in vielen Bereichen der Stadt auf eine sogenannte Pfahlgründung zurückgegriffen. Die Bauwerke entstehen auf in den Erdboden eingebrachten Pfählen. In der HafenCity sind diese Pfähle in der Regel rund 20 Meter lang.
Im Straßenbau werden dagegen in der Regel auf die aufwendigen Pfahlgründungen verzichtet – denn hier ist die hohe Tragfähigkeit der Pfähle nicht immer notwendig. Stattdessen wird der Baugrund durch die Sandaufschüttungen einige Jahr vor dem Ausbau verfestigt.
Hochwasserschutz hat den Höhenunterschied noch vergrößert
Doch es kommt an der Überseeallee noch etwas hinzu: Denn die abgesackte Fahrbahn wird auch an das Niveau des südlichen Überseequartiers angepasst, das sich bereits am aktuellen, etwas höheren Hochwasserschutzniveau orientiere.
Zur Erklärung: Die Überseeallee zwischen den Straßen Am Sandtorpark und Osakaallee wurde bereits im Jahr 2005 nach den damals erforderlichen Flutschutzhöhen geplant und errichtet. Allerdings wurden diese Flutschutzhöhen in Hamburg zuletzt nach oben angepasst, um die Überflutungssicherheit weiter zu erhöhen.
Doch auch das wurde bislang nur bei der nördlichen Fahrbahn der Überseeallee umgesetzt – was den Höhenunterschied der zwei Spuren noch einmal vergrößert hat.
Flutschutz für den Hamburger Stadtteil wurde nachträglich erweitert
Zum Hintergrund: Die HafenCity wird nicht durch einen Deich, sondern wie eine Warft in der Nordsee vor den Fluten geschützt. Warften sind aufgeschüttete Hügel, auf der eine Siedlung im Marschgebiet vor steigendem Wasser gesichert ist. In der HafenCity wird diese Warft durch neue Straßen auf einem erhöhten Niveau von 7,8 bis 8,5 Metern über NHN (Normalhöhennull) hergestellt.
- Großes Weinfest in der HafenCity – mit Jazz und Streetfood
- „Spektakulär“ – Hamburg soll High Line wie New York bekommen
- Paloma-Viertel St. Pauli- Saga prüft Grundstückskauf
Da das südliche Überseequartier über einen langen Zeitraum realisiert werde, habe sich hier die Gelegenheit geboten, die Höhenlage der Straße an die neuen Flutschutzziele anzupassen, heißt es von der HafenCity Hamburg GmbH.
Schließlich hatte sich das Projekt durch einen Investorwechsel und die Finanzkrise lange hinausgezögert. So lange, dass die Straße am neuen Einkaufszentrum, für das derweil immer mehr Mieter bekannt werden, nun nachträglich zu erhöhen ist, um auch den aktuellsten Sicherheitsmaßnahmen gegen Überflutungen zu entsprechen.
HafenCity Hamburg: Höhenunterschied an der Überseeallee ist „einmalig“
Die Folge, die jetzt für die Nachbarn zu sehen ist: Der Südteil der Fahrbahn ist noch aus dem Jahrn2005, er ist abgesackt und noch auf altem Hochwasserschutzniveau gebaut, während der Nordteil der Fahrbahn durch eine Straßenbaumaßnahme im laufenden Jahr 2023 auf die endgültige Höhe, unter Berücksichtigung des höheren Hochwasserschutzniveaus, gebracht wurde.
„Auch dieser Sachverhalt ist, wie die außergewöhnlich große Setzung, einmalig in der HafenCity“, heißt es in der Begründung für diese erstaunliche Baustelle.