Hamburg. Die 38 Jahre alte Angeklagte bestreitet die Vorwürfe im Mordprozess. Ihre Verteidigerinnen kritisieren zudem die Ermittlungen.

Den ganzen Tag über gab es kein Lebenszeichen. Deshalb waren die Angehörigen von Jose L. besorgt, ob dem 69-Jährigen etwas zugestoßen sein könnte. Ein Check in der Wohnung des Hamburgers bestätigte die schlimmsten Befürchtungen: Der Mann war verstorben – und offenbar gewaltsam ums Leben gekommen.

Jetzt, gut zwölf Monate nach den Geschehnisse vom 12. Mai vergangenen Jahres, muss sich eine Frau wegen Mordes an Jose L. verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Catalina R. (Name geändert) im Prozess vor dem Landgericht Hamburg vor, die Wohnung des früheren Geschäftsmannes in einem Mehrfamilienhaus in Borgfelde unter einem Vorwand aufgesucht zu haben.

Prozess Hamburg: Frau erstickt Opfer – war es ein Mord aus Habgier?

Dort habe die 38-Jährige den Mann auf der Suche nach Bargeld und anderen Wertgegenständen zu Boden gebracht, sich auf ihn gekniet, ihm dabei mehrere Rippen gebrochen und ihm die Atemwege zugedrückt. Dadurch sei das Opfer erstickt, heißt es in der Anklage. Dabei habe Catalina R. die Tat womöglich gemeinsam mit einem weiteren, bislang unbekannten Mittäter ausgeführt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Tat aus Habgier verübt wurde.

Gefunden hatte das Opfer seinerzeit der Neffe des 69-Jährigen. Er hatte sich zur Wohnung des Mannes begeben, weil er diesen über Stunden nicht hatte erreichen können. Sein Onkel liege in dessen Wohnung, teilte der Neffe in einem Notruf an die Feuerwehr mit.

Im Notruf: „Ist er bei Bewusstsein?“ – „Nein, er ist kalt.“

Auf die Frage, ob der Mann „bei Bewusstsein“ sei, antwortete der Verwandte: „Nein, er ist kalt.“ Und dass es in der Wohnung so aussehe, als sei eingebrochen worden. „Die Schränke sind auf.“ Eine erste rechtsmedizinische Einschätzung noch am Tatort ergab Hinweise auf stumpfe Gewalt gegen den Kopf des Opfers.

Name, Alter, Geburtsland: Nachdem die 38-Jährige im Prozess vor dem Schwurgericht ihre Personalien bestätigt hat, hüllt sich die Angeklagte in Schweigen. Ihre Mandatin bestreite die Vorwürfe, geben ihre Verteidigerinnen kund. Catalina R. war im Dezember als Verdächtige ermittelt und schließlich verhaftet worden. Damals hieß es, sie gehöre „zum erweiterten Bekanntenkreis“ des Opfers. Faserspuren und DNA, die am Tatort gefunden worden waren, hatten zu der Verdächtigen geführt.

Mordanklage: Faserspuren und DNA führten zu der Verdächtigen

Mit scharfen Worten kritisieren die Verteidigerinnen zum Prozessauftakt, dass Catalina R. überhaupt auf der Anklagebank gelandet ist. Die Hauptverhandlung könne „nach vier Tagen mit einem Freispruch beendet“ werden, meinen die Anwältinnen.

Dass Fasern und DNA, die ihrer Mandantin zugeordnet wurden, in der Wohnung des Opfers gefunden wurden, lasse sich durch ganz unverdächtige Umstände erklären. Denn Catalina R. habe fünf Tage, bevor der Mann getötet wurde, in dessen Wohnung Haushaltstätigkeiten ausgeführt, unter anderem Wäsche gebügelt. „Sehen Sie sich die Angeklagte an!“, fordern die Anwältinnen das Gericht und die Staatsanwaltschaft auf. „Sie soll einen Mann, den sie erst einmal gesehen hat, mit bloßen Händen getötet haben?“

Prozess Hamburg: Angeklagte zur Tatzeit schwanger

Außerdem habe die Angeklagte für die vermutete Tatzeit ein Alibi, weil sie damals gemeinsam mit einer Kollegin in einem Hotel ein Zimmer gereinigt habe. Auch dass von der Staatsanwaltschaft als Mordmotiv Habgier angenommen wird, ist aus Sicht der Verteidigung nicht plausibel. Denn es sei nicht festgestellt worden, dass in der Wohnung des Opfers etwas fehle. Insbesondere sei Bargeld zurückgelassen worden.

Bemängelt wird von der Verteidigung zudem, dass Catalina R., zur Tatzeit im neunten Monat schwanger und mittlerweile Mutter eines Sohnes, diesen nicht in einer Mutter-Kind-Station eines Gefängnisses bei sich haben könne. Der kleine Junge sei mittlerweile nacheinander in zwei Säuglingsstationen untergebracht gewesen und durch die Trennung von der Mutter traumatisiert.

Prozess Hamburg: Angeklagte arbeitete zur Probe in Wohnung

Ganz ruhig, fast wie erstarrt sitzt die Angeklagte da, während solche Details im Prozess erörtert werden. Auch als Fotos vom Tatort, aus der Wohnung des Opfers und von dem Getöteten selber gezeigt werden, bleibt Catalina R. still.

Ein WhatsApp-Chat zwischen ihr und Jose L., den das Gericht verliest, zeigt auf, wie sich die ersten Kontakte zwischen der 38-Jährigen und dem ehemaligen Unternehmer offenbar angebahnt haben. „Ich wäre an einem Job als Köchin oder Haushalts-Hilfskraft interessiert“, schreibt Catalina R. da – offenbar in Anspielung auf ein Inserat, das der Rentner geschaltet hatte. Mehrere Nachrichten, die hin- und hergeschrieben wurden, legen nahe, das die 38-Jährige einmal bei ihm in der Wohnung zur Probe gearbeitet hat.

Lernten sich Täter und Opfer auf Datingplattform kennen?

Dies betonen auch die Verteidigerinnen und kritisieren eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, dass sich die Angeklagte und das spätere Opfer auf einer „Datingplattform“ kennengelernt hätten. „Dies gibt ein völlig falsches Bild wieder“, monieren die Anwältinnen.

Als die Polizei im vergangenen Jahr noch nach einem möglichen Täter oder einer Täterin gesucht hatte, hieß es in einer Mitteilung, das Opfer sei „sehr kommunikativ und offen gegenüber neuen Bekanntschaften“, verkehre in sozialen Netzwerken. Seine Kontakte zu Frauen reichten auch in das Prostitutionsmilieu rund um den Hansaplatz und die Süderstraße. Der Prozess wird fortgesetzt.