Hamburg. Der Säugling war drei Wochen alt. Die Polizei geht von gewaltsamem Tod aus. Die Mutter, die ein weiteres Kind hat, sitzt in U-Haft.
Nach dem Tod eines drei Wochen alten Säuglings sitzt die 32 Jahre alte Mutter unter besonderer Beobachtung in Untersuchungshaft – ihr wird Totschlag vorgeworfen. Die Frau gilt, so hieß es am Dienstag, weiter als suizidgefährdet. Sie hatte sich selbst der Tötung ihres Kindes bezichtigt und anschließend versucht, sich das Leben zu nehmen.
Was genau passiert ist, wie der drei Wochen alte Junge ums Leben kam, ist unklar. Das Kind hatte am 22. Mai leblos im Bett gelegen. Die Mutter, die zusammen mit ihrem Mann – dieser war zu dem Zeitpunkt bei der Arbeit – und ihrem zweiten Sohn (2) in der Wohnung in Billstedt lebt, hatte selbst einen Notarzt gerufen. Doch dieser konnte das Baby nicht retten.
Baby in Billstedt getötet: Polizei geht von gewaltsamem Tod aus
Zunächst wurde auch ein plötzlicher Kindstod nicht ausgeschlossen. Zu diesem kann es im ersten Lebensjahr kommen – gesunde Babys hören ohne einen klar erkennbaren medizinischen Grund auf zu atmen. Jedoch ist der plötzliche Kindstod in Deutschland sehr selten: 2020 starben 84 von mehr als 770.000 geborenen Kinder auf diese Weise.
Bei dem drei Wochen alten Jungen aus Billstedt dagegen stand am Dienstag die genaue Todesursache noch nicht fest. Das Gutachten der Rechtsmedizin steht noch aus. Die Ermittlungsbehörden gehen aber von einem gewaltsamen Tod aus. Vier Tage nach dem Tod ihres Sohnes versuchte die 32-Jährige, sich das Leben zu nehmen. Sie hatte zuvor bei einer nahen Verwandten angerufen und ihren Suizid angekündigt. Diese wiederum hatte die Polizei alarmiert.
Baby in Billstedt getötet – Polizei entdeckt Mutter unter dem Bett
Beamte fuhren zu der Wohnung der 32-Jährigen, die sich im achten Stock eines Hochhauses befindet. Auch Hundeführer waren im Einsatz, da die Polizei davon ausging, dass die Frau die Wohnung verlassen haben könnte. In der Wohnung sollten die Tiere an Bekleidung der 32-Jährigen schnüffeln, um so die Witterung aufnehmen zu können.
Doch noch in der Wohnung bemerkten die Beamten, dass eine Person unter dem Bett lag. Es war die 32-Jährige. Sie hatte sich mit der Absicht, sich zu ersticken, eine Plastiktüte über den Kopf gezogen. Die Frau konnte gerettet werden. Sie kam zunächst in ein Krankenhaus, später vor einen Richter, der Haftbefehl wegen des Verdachts des Totschlags erließ.
2015 erstickte eine Mutter ihr Baby in Harburg – Haftstrafe
Totschlag ist auch der Vorwurf bei dem Delikt, das landläufig „Kindstötung“ genannt wird. So werden Fälle bezeichnet, bei denen kurz nach der Geburt das Baby von einem Elternteil durch Unterlassung – also wegen fehlender Versorgung – oder aktiv getötet wird. So eine Tat kann mit bis zu 15 Jahren, in minderschweren Fällen – wenn ein psychischer Ausnahmezustand vorlag – mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.
2015 erstickte in der Gaiserstraße im Stadtteil Harburg ein fünf Monate alter Säugling. Seine Mutter hatte das Baby mit Decken abgedeckt, weil es zu laut geschrien hatte. Die Mutter hatte im Nachbarzimmer am Handy gespielt, während ihr Kind erstickte. Die Frau hatte ihre Tat mit Stress begründet. Sie wurde 2016 zu sieben Jahren und acht Monaten Haft wegen Totschlags verurteilt.
Totes Baby in Billstedt – litt die Mutter unter Wochenbettdepressionen?
Im aktuellen Fall ermittelt die Mordkommission. Nach Abendblatt-Informationen hat die Polizei bislang kein Motiv für die Tat finden können. Eine Rolle wird bei den Ermittlungen spielen, ob die 32-Jährige eine Wochenbettdepression hatte, die bei sieben Prozent der Frauen nach einer Geburt auftritt, oder sogar eine Psychose, unter der laut Statistik 0,1 Prozent der Frauen nach einer Geburt leiden.
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Kindstötungen gab es in Hamburg in der Vergangenheit immer wieder. In den meisten Fällen wurden die Säuglinge kurz nach der Geburt umgebracht. 2003 lag ein kurz zuvor geborener Junge tot in einer Mülltonne in Sasel. Die Mutter, so ermittelte die Polizei, hatte das Kind heimlich entbunden und dort entsorgt.
Polizei Hamburg entdeckte 2014 zwei Babyleichen im Schließfach
2004 entdeckten Passanten in einem Park am Ausschläger Elbdeich die Leiche eines kurz zuvor geborenen Jungen. Das Baby war erstickt worden. 2007 fand ein Spaziergänger auf dem Rasen unterhalb eines Hochhauses eine in einen Plastikbeutel gewickelte Babyleiche. Die Mutter hatte das Kind getötet und aus dem 10. Stock geworfen.
2014 entdeckte die Polizei in einem Schließfach im Hamburger Hauptbahnhof gleich zwei Babyleichen – sie lagen umwickelt mit Plastikfolie in einem Koffer. Die Mutter hatte drei Jahre zuvor schon einmal einen toten Säugling auf einem Friedhof versteckt. Damals konnte die Todesursache wegen der starken Verwesung nicht festgestellt und die Behauptung der Mutter, das Kind sei totgeboren worden, nicht widerlegt werden. Die Frau kam nach dem Fund der Babyleichen im Koffer in die Psychiatrie.
Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der Möglichkeit von Nachahmungen berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen die Seelsorge unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet bei telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.