Hamburg. Kita-Fachkräfte beklagen fehlende Zeit für pädagogische Arbeit, immer mehr würden hinwerfen. SPD und Grüne zeigen Verständnis.
Aus Protest gegen den Personalmangel im Kita-Bereich haben gewerkschaftlich organisierte Erzieherinnen am Dienstag vor dem Hamburger Rathaus die „Bildungsempfehlungen“ symbolisch an die Politik zurückgegeben, vertreten durch die Vorsitzende des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses der Bürgerschaft, Sabine Boeddinghaus (Linke).
Durch den 2013 eingeführten Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz seien das Kita-System massiv ausgebaut worden, ohne für entsprechendes Fachpersonal zu sorgen, kritisierten die Vertreterinnen des Kita-Netzwerks Hamburg, Alexandra Balthasar, Marina Jachenholz und Steffi Reiher. „Die Anforderungen in der täglichen Arbeit steigen, die Kinder werden immer jünger und viele Kinder als auch Erwachsene tragen noch Belastungen aus der Coronazeit mit sich herum“, hieß es.
Kita-Netzwerk prophezeit „Kollaps“ des Systems
„Die Diskrepanz zwischen dem eigenen pädagogischen Anspruch und der Realität führt dazu, dass immer mehr Fachkräfte das Tätigkeitsfeld verlassen – dies führt zu einer noch höheren Dauerbelastung in den Häusern und somit wieder zu einem hohen Krankenstand.“ Das Kita-Netzwerk prophezeite unter den gegebenen Umständen daher „eine weitere Abwärtsspirale“, die „dieses System in den Kollaps führen“ werde.
Insa Tietjen, kitapolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Bürgerschaft, sagte: „Eine große Mehrheit des Hamburger Kita-Personals hat angesichts der drastischen Personallage längst nicht mehr das Gefühl, noch pädagogischen Ansprüchen gerecht werden zu können.“ Das habe der Kita-Personalcheck der Gewerkschaft Ver.di bereits im Jahr 2020 bereits eindrucksvoll belegt.
Linke: 4000 Fachkräfte fehlen in den Kitas – Senat müsse endlich handeln
„Die Forderung von Ver.di nach Notfallplänen macht erneut deutlich, wie ernst die Personallage in Hamburgs Kitas ist und dass jetzt Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den weiteren Verlust von Fachkräften zu verhindern“, so Tietjen. „Der Senat muss anerkennen, dass mehr als 4000 Fachkräfte in Hamburgs Kitas fehlen und er muss endlich handeln.“
SPD und Grüne zeigten Verständnis für den Protest und die Forderungen, hoben aber hervor, was die Stadt bereits alles unternehme, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. „Neben der Vereinbarung zur Verbesserung des Fachkräfteschlüssels werden Ausbildungskapazitäten stets erweitert und Quereinstiege ermöglicht, um den Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken“, sagte Britta Herrmann, familienpolitische Sprecherin der Grünen.
Grüne wollen über Notfallpläne diskutieren
„Gleichzeitig ist auch klar, dass die Situation akut angespannt ist und noch viel Arbeit vor uns liegt.“ Die geforderten Notfallpläne könnten beispielsweise „schnell und unkompliziert Entlastung ermöglichen und sollten daher diskutiert werden“.
Güngör Yilmaz, SPD-Abgeordnete im Familienausschuss der Bürgerschaft, wies darauf hin, dass die Stadt die durch den demographischen Wandel bedingte Verknappung von Fachkräften früh erkannt und gehandelt habe: „Um Fachkräfte zu gewinnen, wurden die Ausbildungskapazitäten deutlich erhöht und berufsbegleitende Formate ausgebaut.
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Die Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistenz wurde auch für Menschen mit einem erweiterten ersten Schulabschluss geöffnet und der Einstieg in die Erzieherausbildung für Abiturientinnen und Abiturienten erleichtert.“
Nach Yilmaz’ Aussagen hätten die Maßnahmen Erfolg gehabt: „Im Jahr 2021 haben in Hamburg 1850 junge Menschen ihre Aus- oder Weiterbildung in einem sozialpädagogischen Beruf abgeschlossen. Das sind rund 700 Abschlüsse mehr als noch vor zehn Jahren. Dadurch steht Hamburg besser da, als es vielerorts in Deutschland der Fall ist.“