Hamburg. Diverse Großprojekte in der HafenCity stocken oder sind gleich ganz zum Erliegen gekommen. Nur ein Bereich scheint weiter zu florieren.
Der Immobilienmarkt in Deutschland schreibt Tag für Tag neue Schlagzeilen. Die Zinsen steigen, die Baukosten für Investoren und Wohnungsunternehmen explodieren, und zuletzt verkündete der Konzern Vonovia, vorerst gar nicht mehr neu bauen zu wollen. Wie wirken sich diese Trends auf die Hamburger HafenCity aus? Sie ist mit einer Fläche von rund 127 Hektar immerhin eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in Europa.
Aktuell könne man von einer „multiplen Marktstörung“ sprechen, sagt Andreas Kleinau. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH macht sich aber keine großen Sorgen um die Zukunft des jüngsten Stadtteils. „Wir haben in der HafenCity einen sehr attraktiven Nutzungsmix. Bevor wir ein Grundstück vergeben, prüfen wir das Konzept und den Bauherrn auf Herz und Nieren. Deshalb sind mir auch bei den Projekten, die im Bau sind, aktuell keine gravierenden Probleme bei der Umsetzung bekannt“, sagte Kleinau dem Abendblatt.
HafenCity: Wo Gruner + Jahre bauen wollte, herrscht Stillstand
Aber zur Wirklichkeit gehört auch: Auf der Karte der Baufelder der HafenCity finden sich noch einige gelbe Felder. Das sind die Flächen, die noch zu haben sind oder auf denen geplante Bauvorhaben schlicht nicht umgesetzt werden. Zum Beispiel das Baufeld 73/74/75 am Lohsepark gegenüber vom „Spiegel“-Gebäude. Dort sollte eigentlich die Zentrale des Verlagshauses Gruner + Jahr entstehen.
Bereits seit Mai 2021 – also vor bald zwei Jahren – ist bekannt, dass dieses Bauvorhaben gescheitert ist. Einen neuen Nutzer für die Fläche gibt es nach Abendblatt-Informationen trotzdem noch nicht. Das Areal soll für eine Bürobebauung ausgeschrieben werden. Dabei gibt es diese Nutzung in der HafenCity reichlich, aktuell sind zahlreiche weitere Bürogebäude im Bau.
Ein Experte, wenn es um die Vermarktung solcher Flächen geht, ist Richard Winter. Der Niederlassungsleiter des Immobiliendienstleisters Jones Lang LaSalle (JLL) prognostiziert: „Die Entwicklung des ein oder anderen noch freien Baufelds wird sich etwas hinziehen. Zum Beispiel, weil es aktuell für die Finanzierung eines Projekts mit Büronutzung schwierig ist, wenn man nicht vor Baustart schon einen Mieter präsentiert.“ Dennoch sehe er vor allem für die HafenCity einen großen Bedarf an grünen, nachhaltigen Büroimmobilien.
Bezahlbare statt Luxuswohnungen? Dann hat Quantum kein Interesse mehr
Der Stadt ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden, dass in der HafenCity neben Luxuswohnungen auch bezahlbarer – öffentlich geförderter – Wohnraum entsteht. Das ist aber, wie die Abendblatt-Recherchen belegen, nicht immer von Erfolg gekrönt. Ein Beispiel ist das Baufeld 62, das ursprünglich Quantum anhand gegeben bekommen hatte. Dort sollten Mietwohnungen entstehen, zwei Drittel davon öffentlich gefördert.
Der Hamburger Projektentwickler hat das Grundstück im Mai 2022 – nahezu geräuschlos – zurückgegeben. Quantum-Sprecher Michael Nowak nennt dafür fehlende Wirtschaftlichkeit in Bezug auf Holzbau und gefördertes Wohnen.
Aktuell wird die Fläche zwischengenutzt für die Lagerung von Baustellenmaterial für das benachbarte neue XXL-Viertel Westfield Hamburg-Überseequartier. Das Einkaufs- und Entertainmentviertel, das der Immobilienkonzern Unibail-Rodamco-Westfield (URW) realisiert, soll im Frühjahr 2024 fertiggestellt sein.
Kosten für Einkaufsquartier Westfield explodieren: 500 Millionen mehr
Auch bei diesem Großprojekt, zu dem rund 200 Flächen für Geschäfte, Entertainment und Gastronomie gehören, musste der Eröffnungstermin mehrfach korrigiert werden. Nicht nur das: Für den Bau hatte URW im Jahr des ersten Spatenstichs 2017 noch mit einer Summe von rund einer Milliarde Euro geplant. Inzwischen sind es aufgrund gestiegener Materialkosten und Verzögerungen im Bauablauf etwa 1,5 Milliarden Euro. Das ist auch dem aktuellen Geschäftsbericht zu entnehmen.
Bauverzögerung und Kostensteigerungen sind nicht alles. Groß angekündigte Leuchtturmprojekte werden gar nicht realisiert. Eigentlich sollte bereits im Herbst 2020 auf dem Baufeld 119 der Baustart für Hamburgs größtes Kongresshotel sein mit zwei Marriott-Marken unter einem Dach, insgesamt 655 Zimmern und einem Saal mit einer Kapazität für rund 1100 Personen. Das Projekt wollte die Hamburger ECE umsetzen.
HafenCity: Hamburgs größtes Kongresshotel? Fehlanzeige
Die Anhandgabe ist inzwischen längst abgelaufen. HafenCity-Chef Kleinau versucht zu beruhigen: Aktuell würden die Pläne für das Projekt an diesem Standort zurückgestellt, da sich aufgrund der Corona-Pandemie die Marktsituation für ein Kongresshotel stark verändert habe. Doch auch das angrenzende Baufeld Grundstück 120 steht noch zur Verfügung, da es aufgrund der Größenordnung nicht gleichzeitig zum Baufeld 119 auf den Markt gebracht wurde.
Im Klartext: Für diese beiden Baufelder unweit des Elbtowers, der Ende 2025 fertiggestellt werden soll, wird es noch eine Herausforderung, die passenden Investoren und Konzepte zu finden.
Sports-Dome: Stillstand statt europaweit einmaliger Sportanlage
Eigentlich sollte im Quartier Baakenhafen im ersten Quartal 2024 der Sports-Dome eröffnen – so steht es zumindest auf der Internetseite. Daraus aber wird auch nichts. Auf dem Baufeld 83a ist keine Bautätigkeit zu erkennen. Die Anhandgabe für das Bauvorhaben von Leif Bachorz von der LB Sports-Dome Management GmbH ist ausgelaufen, und das rund 4000 Quadratmeter große Grundstück liegt brach. Die Pandemie habe das Bauvorhaben zum Stocken gebracht. Ein amerikanischer Pensionsfonds sei während der Pandemie als Investor abgesprungen, sagt Bachorz im Abendblatt-Gespräch.
Entstehen sollte ein Sport- und Freizeitzentrum mit rund 22.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche auf acht Etagen. Das, was man in der HafenCity plane, sei so einmalig in Europa, kündigt Bachorz an. Eine Bodyflying-Anlage soll es geben, eine stehende Welle, einen Golfsimulator und einen Eiskletterbereich. Außerdem Gastronomie und Hotel.
Warum wird nicht gebaut? "Wir passen das Konzept aktuell an"
„Wir passen das Konzept aktuell an. Es wird zum Beispiel geprüft, ob wir hier auch noch Wohnungsbau integrieren könnten. Auf jeden Fall halten wir an unserem Projekt auf dem Baufeld 83 a fest und stehen im Austausch mit der HafenCity Hamburg GmbH“, sagt Bachorz. Durch die gestiegenen Baukosten sei inzwischen von einer Investition von mehr als 120 Millionen Euro auszugehen.
Natürlich mache die aktuelle Krise auf dem Immobilienmarkt die Realisierung eines solchen Projekts nicht einfacher. Aber Bachorz schaut positiv in die Zukunft: „Wir haben einen Projektentwickler an Bord für die Realisierung und einen institutionellen Anleger, der dann die Immobilie erwerben möchte. Wir streben jetzt eine Fertigstellung bis Ende 2025 mit dem angepassten Konzept an, und natürlich müssten wir dazu abermals den Zuschlag für das Baufeld 83 a bekommen.“
Kosten beim Immobilienkauf: "Die Käufer sind zurückhaltender geworden"
Dass alles nicht mehr so glatt läuft, weiß auch Björn Dahler. Er ist ein ausgewiesener Experte, wenn es um die HafenCity geht. Der Immobiliendienstleister hat seit 2011 die Firmenzentrale seiner Unternehmen Dahler und DC Developments am Großen Grasbrook und setzt in Hamburgs jüngstem Stadtteil zahlreiche Großprojekte um. Im neuen Viertel Westfield Hamburg-Überseequartier ist DC Developments ebenfalls aktiv und realisiert 306 Eigentumswohnungen unter dem Namen Eleven Decks mit Größen von 39 bis 200 Quadratmetern. Die Vermarktung hat im Herbst 2021 begonnen.
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- Hier sinken die Preise für Häuser und Wohnungen am stärksten
„Die Käufer sind zurückhaltender geworden. Das macht sich natürlich auch bei der Vermarktung in der HafenCity bemerkbar. Manche Interessenten können sich aktuell die Wunschwohnung wegen der gestiegenen Zinsen nicht mehr leisten und entscheiden sich dann dafür, zunächst weiter zur Miete zu wohnen, oder erwerben ein kleineres Objekt.“
HafenCity: Luxuriöse Wohnungen sind weiterhin gefragt
Der Erstbezug im Eleven Decks ist im Frühjahr 2024 geplant, bislang wurden 175 Einheiten verkauft. Die Preise liegen dort bei durchschnittlich 11.300 Euro pro Quadratmeter. Und das ist im Vergleich zu den beiden anderen DC-Developments-Luxushochhäusern FiftyNine und The Crown auf dem Strandkai, die in diesem Jahr bezugsfertig sind, noch günstig. Dort werden durchschnittlich 17.700 Euro pro Quadratmeter aufgerufen. Die Wohnungen sind trotzdem so gut wie ausverkauft.
Wie man hört, sind die Preise bei Eigentumswohnungen in Neubauten in der HafenCity noch nicht gesunken.