Hamburg. Perücken, Blumenketten und Fliegerbrillen: Zur Großveranstaltung kamen 400.000 Menschen – mehr als vor Corona. Unser Autor war dabei.

„Mendocino“, „Ein Bett im Kornfeld“, „Fiesta Mexicana“ oder „Ich liebe das Leben“. Das alles sind Hits aus den 1970er-Jahren. Am Sonnabend schallen diese Kultsongs und dazu aktuelle Partyhits wieder über den Kiez. Denn der Schlagermove meldete sich nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause zurück. Am Heiligengeistfeld warten die 47 Trucks bei bestem Sommerwetter mit tausenden gut gelaunten Musikfreunden an Bord auf den Start um 15 Uhr.

Und ich bin mittendrin. Gemeinsam mit einer Schar von schlagerverrückten Freunden bin ich bereits um 14.30 auf dem Truck 24 eingecheckt. 149 Euro kostet eine Eintrittskarte, dafür gibts Bratwurst mit Senf, Pils vom Fass und Prosecco auf Eis. Und man hat das Privileg, die Partymeute von oben vom Truck zu bewundern. Schon kurz nach dem Start auf dem Millerntorplatz tanzen Tausende. Der 17-Jährige Lennart aus Hannover bekommt ganz große Augen.

Perücken, Blumenketten und Sonnenbrillen sind beliebte Accessoires.
Perücken, Blumenketten und Sonnenbrillen sind beliebte Accessoires. © Unbekannt | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Schlagermove: 70er-Jahre-Dresscode trotz Hitze

Weiter gehts auf die Helgoländer Allee und auch hier ist ein Meer von Schlagerfans zu sehen. Die haben sich tolle Kostüme einfallen lassen. Eine Gruppe junger Männer hat sich im Partnerlook in pinkfarbene Anzüge geschmissen. Und trotz der Temperaturen um 25 Grad sind Perücken ein beliebtes Accessoire. Für eine schwarze hat sich Goran entschieden.

Dazu trägt er ein ärmelloses ziemlich buntes Shirt. „Das ist ja eine mega Party. Heute gibt es für mich nur eins und zwar Schlager bis zum abwinken“, sagt der Bad Homburger, der gemeinsam mit seiner Freundin Kerstin angereist ist. Sie trägt einen silberfarbenen Jumpsuit und ist ziemlich textsicher, auch beim „Griechischen Wein“ – einem Hit von Udo Jürgens aus den 1970er-Jahren.

Wie Karneval: Fans feiern zu „Kölschen Jungs“

An Bord von Truck 24 ist auch Petra aus Köln. Gemeinsam mit drei Freundinnen ist die Vertriebsmanagerin aus dem Rheinland gekommen. „Auf dem Schlagermove ist es wie beim Karneval. Alle sind gut gelaunt und feiern ausgelassen miteinander“, sagt die 42-Jährige und macht sich auf den Weg zum DJ, der auf der unteren Ebene des Trucks auflegt. Sie wünscht sich ein Karnevalshit. Mit Erfolg, ein paar Minuten später schunkelt die Frohnatur mit ihrer Freundin Niki zu dem Lied „Kölsche Jung“ von der Band Brings.

Aus den Lautsprechern schallt der Hit „Wahnsinn“, als der Truck die Landungsbrücken erreicht. Und besser könnte man diese Kulisse gar nicht beschreiben.
Aus den Lautsprechern schallt der Hit „Wahnsinn“, als der Truck die Landungsbrücken erreicht. Und besser könnte man diese Kulisse gar nicht beschreiben. © Unbekannt | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Aus den Lautsprechern schallt der Hit „Wahnsinn“, als der Truck die Landungsbrücken erreicht. Und besser könnte man diese Kulisse gar nicht beschreiben, sie ist einfach Wahnsinn. Zehntausende Menschen im Schlagerwahn. Insgesamt sollen es rund 400.000 Teilnehmer gewesen sein – etwa 50.000 Besucher mehr als vor der Corona-Pandemie.

Junggesellenabschied auf dem Schlagermove

Inzwischen hat sich unsere bunte Truppe bereits einige Prosecco auf Eis genehmigt und eigentlich ist es egal, welches Lied gespielt wird. Wir singen einfach mit. Tatsächlich kenne ich mich im Schlagergenre ganz gut aus. „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ von Jürgen Marcus darf heute auch nicht fehlen, ebenso wie „Er hat ein knallrotes Gummiboot“ von Wencke Myhre.

Das passt ganz gut, denn gerade passieren wir im Schritttempo die St. Pauli Hafenstraße und genießen den Blick auf die Elbe. „Ich wusste gar nicht, dass Hamburg so schön ist und das die Leute hier so gut feiern können“, sagt Eva aus Köln. Begeistert ist auch der Teilnehmer eines Junggesellenabschiedes. „Wir sind mit 13 Leuten an Bord. Das geht hier ja richtig ab.“

Schlagermove zieht Urlauber an

Aus Münster ist Ralf angereist. Gemeinsam mit seiner Freundin ist der Unternehmer im Empire Riverside Hotel auf dem Kiez abgestiegen, das er nun auch vom Schlagermove-Truck aus sehen kann. „Das ist ein perfekter Wochenendtrip. Hamburg und der Schlagermove passen einfach zusammen“, sagt Ralf. Schätzungsweise Zehntausende aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland sind extra in die Hansestadt gekommen, um beim Schlagermove dabei zu sein. Die Hotels auf dem Kiez und in der Innenstadt waren weitgehend ausgebucht. Es wurden Spitzenpreise aufgerufen.

Doch über Geld wird an diesem Nachmittag nicht gesprochen, sondern viel über die Liebe gesungen. Passend dazu ertönt einer meiner Lieblingshits: „Marmor, Stein und Eisen bricht – aber unsere Liebe nicht“ von Drafi Deutscher.

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Inzwischen haben wir die Reeperbahn erreicht. Die unvermeidliche „Fiesta Mexicana“ von Rex Gildo erklingt und wir singen uns regelrecht in Ekstase. Nach gut fünf Stunden auf dem Truck neigt sich der Schlagermove für mich dem Ende zu. Wir haben wieder das Heiligengeistfeld erreicht. Das war einfach Spitze, ich bin kommendes Jahr wieder dabei. Der Termin steht schon fest: 2023 ist der Schlagermove am 8. Juli.

Ein positives Fazit kommt auch von der Hossa Hossa GmbH, die den Schlagermove veranstaltet. Ein Sprecher sagte dem Abendblatt. „Wir freuen uns, dass wir nach zwei Jahren, wieder einen bunten, fröhlichen und friedlichen Schlagermove feiern konnten.“