Hamburg. Eine Viertelmilliarde war eingeplant – und ein Ende der Arbeiten in fünf Jahren. Beide Ziele sind nicht zu halten. Woran das liegt.

Die Sanierung der historischen Kaimauern in der Speicherstadt wird vermutlich deutlich teurer und auch länger dauern. Hatte man beim Start des Projekts 2017 noch gehofft, bis 2027 fertig zu sein, gilt jetzt selbst das Jahr 2030 als kaum noch zu erreichen. „Vielleicht 2032 oder 2033“ werde man die Arbeiten abschließen, erklärte Ulrich Bormann vom Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) am Montag. Auch die bislang kalkulierten Kosten von 252 Millionen Euro seien kaum zu halten. „Es wird wahrscheinlich teurer werden“, so Bormann – wie teuer, könne man aber jetzt noch nicht sagen.

„Wir haben eine völlig überhitzte Baumarktsituation“, nannte der für den LIG zuständige Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) einen Grund für Preissteigerungen und Verzögerungen. Oft finde man keine geeigneten Auftragnehmer oder nur zu exorbitanten Preisen. Die Stadt müsse sich dem aber stellen und könne nicht einfach fünf Jahre abwarten, bis sich die Lage wieder beruhigt habe, schließlich sei an einigen Stellen sogar „Gefahr in Verzug“, so Dressel.

Speicherstadt: Unesco-Welterbe erhalten, "eine Dekaden-Aufgabe"

Daher sei für den Senat auch klar, dass er das nötige Geld zur Verfügung stellen werde: „Es geht auch um den Erhalt des historischen Erbes“, sagte der Finanzsenator mit Blick auf das zum Unesco-Welterbe gehörende größte Speicher­ensemble der Welt. Hamburg sei verpflichtet, die Speicherstadt samt der historischen Kaimauern zu erhalten. „Das ist eine Dekaden-Aufgabe und eine Milliarden-Aufgabe“, so Dressel – allerdings mit Blick auf den gesamten Hafen. Wie berichtet, gibt es in allen Bereichen des Areals marode Kaimauern, der Sanierungsbedarf übersteigt die Grenze von einer Milliarde Euro.

Beim Projekt Speicherstadt geht es um zwei Areale: zum einen 2600 Meter Kaimauern in der „Inneren Speicherstadt“ rund um Wandrahms- und St.-Annenfleet. Zweitens um rund 1650 Meter Kaimauern am Südufer des Zollkanals, der das historische Gebiet Richtung City begrenzt. Die Kaimauern an diesen Fleeten sind zwischen 1880 und 1920 entstanden – also durchweg älter als 100 Jahre. Daher leiden die hölzernen Gründungspfähle, die die Mauern tragen, inzwischen massiv unter bakterieller Zersetzung, so der LIG. Auch eine frühere Vertiefung der Fleetsohle um einen Meter und der wachsende Tidenhub (Differenz zwischen Hoch- und Niedrigwasser) sorgten für Belastungen. Daher drohen die Kaimauern Richtung Wasser zu kippen.

Technische Herausforderungen bei der Sanierung

Besonders groß ist das Problem in der Inneren Speicherstadt, da hier die mächtigen Speicher direkt auf den Kaimauern ruhen und entsprechenden Druck von oben ausüben. Hier ist auch die technische Herausforderung am größten: Einfach eine neue Mauer davorzusetzen verbietet sich schon aus historischen Gründen – schließlich würden die Speicher dann nicht mehr direkt am Wasser stehen. Der LIG und die mit der Realisierung der Maßnahmen beauftragte städtische Firma ReGe Hamburg haben daher in einem Pilotbereich verschiedene Maßnahmen erprobt: So wurde die Rückverankerung der Mauern mithilfe von bis zu 38 Meter langen, schräg ins Erdreich getriebenen Stahlpfählen verstärkt.

Davor wird der Untergrund der Fleete stabilisiert, indem entweder in einem aufwendigen Verfahren Schlick ausgebaggert und durch Sand ersetzt wird oder aber – das ist etwas einfacher – der Schlick durch rund drei Meter lange Betonpfähle verstärkt wird. Im Rahmen dieser „Säulenstabilisierung“ wurden allein im 100 Meter langen Pilot­bereich mehr als 2500 solcher Säulen verbaut. Künftig soll jeweils Abschnitt für Abschnitt entschieden werden, welche Maßnahme wo zum Einsatz kommt.

Nicht zuletzt soll das Fleetniveau um bis zu einen Meter angehoben werden, um wasserseitig mehr Gegendruck auf die Mauern zu erzeugen. Das hat jedoch Folgen für die Barkassen: Ihre Zeitfenster für die beliebte Tour durch die Speicherstadt werden deutlich kleiner, weswegen die Stadt den Umbau der Barkassen fördert. Schon vor zwei Jahren wurde das erste Schiff mit versenkbarem Ruderhaus vorgestellt – laut Finanzsenator Dressel sind aber noch „reichlich“ Fördermittel vorhanden.

Am Südufer des Zollkanals ist die Sanierung der Kaimauern einfacher, da die Gebäude hier nicht direkt am Wasser stehen. Daher wird außer der zusätzlichen Rückverankerung in der Regel eine neue Spundwand gesetzt – mal an Land hinter der bestehenden Kaimauer, mal 1,60 Meter davor im Wasser. In diesen Fällen bleibt die historische Kaimauer zwar erhalten, verschwindet aber hinter einer neuen. Diese sind zwar aus der Entfernung kaum von den alten zu unterscheiden, für Denkmalschützer sei das allerdings nur eine „historische Tapete“, wie ReGe-Manager Axel Dette einräumte.

Speicherstadt: Ukraine-Krise und Corona erschweren Bauarbeiten

Dieses Verfahren hat dafür die Nebenwirkung, dass die Stadt Land gewinnt: Gut 2000 Quadratmeter werden so erschlossen – das hilft, eine neue Promenade entlang des Zollkanals zu errichten. Auf Höhe der Katharinenkirche kann derzeit gut Neu und Alt verglichen werden: Westlich der Jungfernbrücke steht bereits eine neue Kaimauer inklusive Promenade, östlich davon ist erst die Spundwand vor der alten Kaimauer aus dem Jahr 1888 errichtet – demnächst verschwindet dieses 170 Meter lange Teilstück hinter 60 vorgefertigten Mauerwerksschalen.

Dann ist rund die Hälfte der maroden Mauern am Zollkanal saniert, die nächsten Schritte sind in Planung. „Auch hier stellt die Verfügbarkeit der Baumaterialien, insbesondere der Hunderten Tonnen Stahlspundbohlen, das Projekt vor enorme Herausforderungen, da die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine und die weiterhin gestörten Lieferketten infolge von Corona erhebliche Auswirkungen zeigen“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Finanzsenator Dressel räumte ein: So stolz Hamburg auch auf seine Lage am Wasser sei – manchmal sei diese halt auch eine große Herausforderung.