Beide Orte sind eine Reise wert – und wenn sie nur im Buch stattfindet. Was von „Rue de Paradis“ und „Ein kaltes Herz“ zu erwarten ist.
In Alexander Oetkers neuem Aquitaine-Krimi „Rue de Paradis“ (Hoffmann und Campe, 284 Seiten, 16 Euro) geht es stürmisch zu. In der Geschichte wird die titelgebende Straße gleich zweimal von einer verheerenden Sturmflut zerstört, im Abstand von nur sechs Monaten. Oetker hat das einem realen Ereignis abgeschaut: Ende Februar 2010 wurde das Cap Ferret, der Schauplatz des Romans, von einem Orkan verwüstet, viele Menschen starben.
In „Rue de Paradis“ stirbt zu Beginn eine alte Frau in den Fluten, sie und die anderen Bewohner der Straße leben in Häusern, für die es keine Baugenehmigung hätte geben dürfen. Die Politik will nach der Flut die Häuser abreißen lassen und möchte die Bewohner umsiedeln, weit weg von der Küste sollen sie leben, ihrer Heimat entwurzelt. Commissaire Luc Verlain erhält den Auftrag, die Menschen davon zu überzeugen, in diese neuen Häuser zu ziehen. Verlain ist guten Mutes, stößt jedoch schnell auf viel Misstrauen.
In „Rue de Paradis“ trifft Fiktion auf Realität
Dass es den Menschen ernst ist, wird dem Kommissar klar, als der Bürgermeister ums Leben kommt, ein bürokratischer Strippenzieher, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist. Der Tod nämlich ist kein natürlicher, es ist Mord. Sind die Bewohner der Rue de Paradis so weit gegangen, einen Menschen zu töten? Bevor Verlain sich darüber klar werden kann, kommt die nächste Flut.
Alexander Oetker erzählt eine spannende Geschichte dramaturgisch gekonnt aus mehreren Perspektiven, was dem Geschehen zusätzlich Dynamik verleiht. Gewidmet hat er seinen Roman all jenen Menschen, die im Juli 2021 bei der Flut im Ahrtal ihr Leben ließen. Einen Teil der Einnahmen aus dem Buchverkauf spendet Oetker an Familien aus der betroffenen Region.
„Ein kaltes Herz“: Zu Beginn ein grausamer Mord in Zürich
Ein für das Genre nicht eben schlechtes Zitat steht dem Kriminalroman „Ein kaltes Herz“ (Kein & Aber, 332 Seiten, 20 Euro) voran: „Alle Stunden verwunden, die letzte tötet“. Unklar bleibt allerdings, von wem dieses Zitat stammt. Goethe? Oder ist es die Inschrift auf einer historischen Sonnenuhr? Gleichwohl: Ebenso nebulös ist die Herkunft des Romanautors Fabio Lanz, vermutlich ist es ein Pseudonym.
Klar und elegant hingegen sind Sprache und Dramaturgie, derer sich der Autor in seiner Geschichte bedient. Alles beginnt im schönen Zürich, alles beginnt aber auch mit einem grausamen Mord an einem streitbaren Anwalt, der übel zugerichtet und mit herausgeschnittenem Herzen am Ufer des unschuldigen Zürichsees liegt.
Gelungenes Debüt mit Spannung und Eleganz
Mordermittlerin Sarah Conti hat eine eher ungewöhnliche Laufbahn eingeschlagen. Zwar ist sie seit zehn Jahren bei der Zürcher Kantonspolizei, eigentlich aber wollte sie Konzertpianistin werden, nachdem sie Musik und Jura studiert hatte. Doch ihr großer Sinn für Gerechtigkeit behielt die Oberhand. Hier allerdings sind es ziemlich komplizierte Ermittlungen, mit denen sie es zu tun bekommt. Denn Feldmann, der tote Anwalt, war nicht nur ein angesehenes Mitglied des Zürcher Establishments, er gehörte auch einer dubiosen religiösen Vereinigung an, einer verschworenen Bruderschaft. Liegt darin ein Motiv für den Mord? Oder ist es doch eine Tat aus Leidenschaft? Conti versetzt die gehobene Zürcher Gesellschaft in eine gewisse Aufregung – und gerät dabei selbst in Gefahr.
„Ein kaltes Herz“ ist ein überaus gelungenes Debüt, spannend, stilistisch elegant, dramaturgisch gut gebaut und mit einer facettenreichen, sympathischen Kommissarin als Protagonistin.