Hamburg. Die Dragqueen Olivia Jones hat Forderungen zur Kultur an den Bürgermeister gestellt. Gesungen wurde beim Coronatalk auch.

Unter anderen Umständen hätte es ein rein locker-launiges Gespräch werden können: Gemeinsam mit Dragqueen Olivia Jones war Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Sonnabendabend bei den Moderatoren Yared Dibaba und Michel Abdollahi auf St. Pauli zu Gast. Für ausschweifende Scherze ist die Lage auf dem Kiez in der Coronakrise jedoch zu ernst. So forderte gerade Olivia Jones eine klare Perspektive für die komplett stillgelegten Bars und Clubs von Tschentscher.

Ihr blute das Herz, wenn sie zur Zeit auf St. Pauli unterwegs sei. "Bei uns in der Club- und Barkultur gibt es überhaupt kein Licht am Ende des Tunnels", so Olivia Jones. "Wir waren die ersten, die schließen mussten, und die letzten, die irgendwann wieder öffnen können."

Tschentscher: Entscheidung über nächste Schritte ein Balanceakt

Dabei spiele der Kiez für die Anziehungskraft der ganzen Stadt eine wichtige Rolle. "Die Touristen kommen ja nicht hierher, weil sie die Mönckebergstraße so schön finden".

In der Diskussion um weitere Lockerungen kämen Bars und Clubs jedoch bislang praktisch nicht vor, sie "fielen hintenrunter". Tschentscher antwortete, dass es derzeit darum gehe, die Wirtschaft insgesamt wieder "ins Laufen" zu bekommen. Die Entscheidung über die nächsten Schritte bleibe ein Balanceakt. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zurückfallen", so Tschentscher.

Corona-Hilfsprogramm für Bars und Clubs in Hamburg geplant

Zunächst konzentrierten sich die Überlegungen derzeit auf Restaurants und die Hotelbranche. Ihm sei jedoch bewusst, dass dies nicht ausreichen werde, sagte Tschentscher. "Ich habe gerade heute dazu auch mit Olaf Scholz gesprochen." Tschentscher stellte spezielle Maßnahmen für Bars und Diskotheken in Aussicht. "Es bleibt ein Teil, wo es noch keine Lösung gibt", sagte Tschentscher. Die Besucher in Clubs könnten etwa "unmöglich den Abstand wahren und mit Mundschutz tanzen". Es sei deshalb "wahrscheinlich zusammen mit dem Bund noch ein gezieltes Hilfsprogramm" nötig.

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Der Bürgermeister betonte, dass nicht nur der Einzelhandel und Restaurants wichtig für die Stadt seien. "Das ist die Lebensqualität hier, weil man eben auch diese unglaublichen Freizeitmöglichkeiten hat". Deshalb habe die Stadt zuvor auch etwa das Reeperbahn-Festival "mit ins Laufen gebracht".

Hotels wieder offen – Frühstück nur auf dem Zimmer?

Auf die Frage von Olivia Jones, wann sie etwa am Hafen "wieder mein Käffchen trinken" könne, bezeichnete Tschentscher die Öffnung der Außengastronomie als nächsten Schritt. Er gehe davon aus, dass diese noch im Mai vollzogen werden könne. Auch für Hotels habe er konkretere Überlegungen. "Ich kann mir vorstellen, dass Übernachtungen wieder möglich sind, aber das Frühstück auf dem Zimmer gegessen werden muss". Gerade die Essensräume böten ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Der Hamburger Kiez in Coronazeiten:

Corona: Beliebte Treffpunkte in Hamburg fast menschenleer

Coronavirus in Hamburg: Polizisten machen am Freitagabend Fotos vor der leeren Großen Freiheit.
Coronavirus in Hamburg: Polizisten machen am Freitagabend Fotos vor der leeren Großen Freiheit. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Verwaist: Nur ein Kiosk neben der Gaststätte Zum Silbersack hat geöffnet.
Verwaist: Nur ein Kiosk neben der Gaststätte Zum Silbersack hat geöffnet. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Der Hans-Albers-Platz am Freitagabend: Wo die Menschen sonst feiern, ist wegen der Corona-Krise tote Hose.
Der Hans-Albers-Platz am Freitagabend: Wo die Menschen sonst feiern, ist wegen der Corona-Krise tote Hose. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Corona-Krise in Hamburg: Die meisten Menschen blieben am Wochenende zu Hause.
Corona-Krise in Hamburg: Die meisten Menschen blieben am Wochenende zu Hause. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Coronavirus in Hamburg: Der Goldene Handschuh hat zu.
Coronavirus in Hamburg: Der Goldene Handschuh hat zu. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Coronavirus in Hamburg: So wenig Menschen hat es in der Großen Freiheit auf dem Kiez an einem Freitagabend wohl noch nie gegeben.
Coronavirus in Hamburg: So wenig Menschen hat es in der Großen Freiheit auf dem Kiez an einem Freitagabend wohl noch nie gegeben. © ‚André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Viel zu kontrollieren hatte die Hamburger Polizei am Freitag nicht.
Viel zu kontrollieren hatte die Hamburger Polizei am Freitag nicht. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Coronavirus in Hamburg: Vor der Davidwache auf St. Pauli ist am Freitagabend nichts los.
Coronavirus in Hamburg: Vor der Davidwache auf St. Pauli ist am Freitagabend nichts los. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Corona-Krise: Gähnende Leere vor dem Elbschlosskeller.
Corona-Krise: Gähnende Leere vor dem Elbschlosskeller. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Wie leergefegt: Am Wochenende war auf dem Kiez nichts los.
Wie leergefegt: Am Wochenende war auf dem Kiez nichts los. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Coronavirus in Hamburg: Am Freitagabend besuchte kaum jemand den Kiez.
Coronavirus in Hamburg: Am Freitagabend besuchte kaum jemand den Kiez. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Wegen des Coronavirus' haben alle Bars, Kneipen und Clubs auf dem Kiez geschlossen.
Wegen des Coronavirus' haben alle Bars, Kneipen und Clubs auf dem Kiez geschlossen. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Coronavirus in Hamburg: Auf der Reeperbahn sind am Freitagabend kaum Menschen anzutreffen.
Coronavirus in Hamburg: Auf der Reeperbahn sind am Freitagabend kaum Menschen anzutreffen. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Coronavirus in Hamburg: Die Polizei kontrollierte am Wochenende, ob sich die Bürger an die Verordnung halten.
Coronavirus in Hamburg: Die Polizei kontrollierte am Wochenende, ob sich die Bürger an die Verordnung halten. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
Coronavirus in Hamburg: Kaum ein Mensch hat sich am Freitagabend in die Große Freiheit verirrt.
Coronavirus in Hamburg: Kaum ein Mensch hat sich am Freitagabend in die Große Freiheit verirrt. © André Lenthe Fotografie/Heiko Wessling
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Bei der nächsten Schaltkonferenz von Bund und Ländern am 6. Mai werde es weitere Entscheidungen geben. Tschentscher sagte, dass auch etwa bereits die geplante Öffnung der Spielplätze "nicht von allein" durchgesetzt wurde. "Da habe ich schon sehr drauf dringen müssen." Auch in die weiteren Gespräche gehe er mit klaren Anliegen.

Setzen Banken die Hilfskredite nicht um?

Der Moderator Michel Abdollahi sagte, er fühle sich "von der Politik im Moment absolut abgeholt". Persönlich habe er jedoch die Erfahrung gemacht, dass nicht alle Hilfsprogramme wie geplant funktionieren. So habe er mit staatlicher Unterstützung einen Kredit beantragt, "um meine Mitarbeiter bezahlen zu können" – die Haspa habe jedoch im Weg gestanden. "Die wollten ernsthaft, dass ich noch 120 Prozent an Sicherheiten erbringe". So scheitere die Hilfe nicht am Staat, "sondern an der Privatwirtschaft".

Tschentscher sagte zu dem Fall, die genaue Ausgestaltung der Hilfsprogramme habe auch rechtliche Gründe. "Wenn sich das so darstellt, ist das nicht so, wie wir das eigentlich wollen." Dann seien auch Nachbesserungen nötig.

Die Hamburger Corona-Soforthilfe (HCS) für Unternehmer:

  • Solo-Selbständige: 2500 € (Hamburg), 9000 € (Bund), 11.500 € (Gesamt)
  • 1–5 Mitarbeiter: 5000 € (HH), 9000 € (Bund), 14.000 € (Gesamt)
  • 6–10 Mitarbeiter: 5000 € (HH),15.000 € (Bund), 20.000 € (Gesamt)
  • 11–50 Mitarbeiter: 25.000 € (HH), keine Beteiligung vom Bund
  • 51–250 Mitarbeiter: 30.000 € (HH), keine Beteiligung vom Bund

Tschentscher: "So kennt man Olivia Jones nicht"

Über seinen Hintergrund als Labormediziner sagte Tschentscher, dies sei von Vorteil, um die Entwicklungen in der Krise besser zu verstehen. Gleichzeitig bedeute es auch eine Last, weil er nicht nur aus streng medizinischer Sicht zu Entscheidungen kommen könne, sondern die Gesamtgesellschaft im Blick behalten müsse.

Zumindest in wenigen Momenten war am Sonnabendabend dennoch Zeit für ein wenig Vergnügungen. Gemeinsam gaben die Moderatoren, Jones, Tschentscher und die Soul-Sängerin Terri eine Coverversion von Otis Reddings "Sittin' on the Dock of the Bay" mit teilweise plattdeutschem Text zum Besten.

Der Bürgermeister versprach, sich weiter für den Kiez einzusetzen. Die Krise sei auch etwa der ungewöhnlich ernsten Dragqueen zu seiner Rechten anzuhören. "So kennt man Olivia Jones nicht", sagte Tschentscher. Die Vielfalt auf St. Pauli müsse wiederhergestellt werden. "Es wird wieder schön. Das ist die Zuversicht, die wir jetzt brauchen."

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