Neuwerk. Das Entwicklungskonzept für die Insel und ihre 32 Bewohner sieht Nachverdichtung vor – und ein besseres Bildungsangebot.

Es geht um die Zukunft von Neuwerk. Dafür ist Falko Droßmann (SPD), Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte, mit zwei Mitarbeitern und Hans Gabáyni, Amtsleiter in der Behörde für Umwelt und Energie, auf die Insel gereist. Die Delegation verlässt gegen 13.15 Uhr die MS „Flipper“, die 105 Minuten zuvor in Cuxhaven abgelegt hatte. Der Wellengang war nicht ohne. Aber jetzt hat die Reisegruppe wieder festen Boden unter den Füßen. Immerhin: Es regnet nicht, es weht nur leichter Wind, am Himmel ein paar Wolken.

Neuwerk liegt inmitten der Elbmündung, umgeben vom Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer, ist aber ein Stadtteil des Bezirks Hamburg-Mitte. Droßmann hat für diesen Tag Anzug und Krawatte gegen festes Schuhwerk, Anorak und einen warmen blauen Wollpullover eingetauscht. Seine Mission: „Wir sprechen heute mit den Bewohnern über das Entwicklungskonzept für Neuwerk. Dieses hat zehn Punkte und soll bis Ende des Jahres von der Bürgerschaft verabschiedet werden“, sagt Droßmann.

Platz vor Leuchtturm Neuwerks soll neu gestaltet werden

Zwei Jahre sei daran gearbeitet worden. Die Herausforderung sei gewesen, die hohen Anforderungen des Naturschutzes und die Zukunftsperspektive für die Bewohner in Einklang zu bringen. Aber erst einmal steht ein Rundgang über die nur 3,3 Quadratkilometer große Insel an. Mit dabei: der neue Inselwart Christian Griebel, der für das Bezirksamt arbeitet und hier das Hotel Nige Hus führt.

Donnerstag, 23. Mai Tatort-Frage Neuwerk

Erste Station ist die Fußwaschanlage für die Wattwanderer: „Wir brauchen von hier aus wieder eine Brücke zum Nationalpark-Haus, dort, wo auch die öffentlichen Toiletten sind“, sagt Griebel. Wenige Minuten später stehen die Hamburger vor dem Turm – dem Wahrzeichen von Neuwerk. Er ist 45 Meter hoch und das älteste Bauwerk an der deutschen Küste. Hier werden auch Zimmer vermietet, aber die Turmschenke steht seit geraumer Zeit leer. Der Platz vor dem Bauwerk solle attraktiver gestaltet und für Außengastronomie genutzt werden, sagt Droßmann. Auch das ist einer der Punkte des Entwicklungskonzepts.

Neuwerk hat offiziell 32 Einwohner

Die Zeit drängt, die Insulaner warten schon in der Bar Wolkenlos mit Blick auf das Meer und Wiesen. Etwa 20 Menschen sind da, offiziell hat die Insel um die 32 Einwohner, die Saisonkräfte nicht mitgerechnet. Die Menschen verdienen ihren Lebensunterhalt hier mit Gastronomie, Gästezimmern, Heuhotels und Wattwagenfahrten. Droßmann holt das Entwicklungskonzept heraus. Ein Entwurf lag den Bewohnern bereits vor (wir berichteten), jetzt soll über Details gesprochen werden.

Einer der Punkte ist eine Nachverdichtung auf der Insel. „Wir haben hier aufgrund des Naturschutzes wenig Spielraum. Aber die Fläche, auf der die HPA (Hamburg Port Authority), die sich um den Hochwasserschutz kümmert, zurzeit ihren Lagerplatz hat, könnte mit einem Wohnhaus mit mehreren Einheiten bebaut werden. Der Platz müsste verlagert werden“, so Droßmann.

Auch auf anderen Grundstücken könnten Gebäude behutsam erweitert werden, sagt der Bezirksamtschef. Für Inselwart Griebel steht fest: „Es wird mehr Wohnraum benötigt, wir könnten auf der Insel 20 neue Arbeitskräfte brauchen, die müssen aber irgendwo leben.“ Es werden Investoren gesucht. Die Stadt könne doch hier bauen, sagt Griebel. Aber daraus wird wohl nichts. Dafür würde nur die Saga infrage kommen, und die habe bislang dankend abgelehnt, sagt Droßmann.

Bezirk will bessere Vermarktung

100.000 Touristen besuchen pro Jahr die Insel. Marketing wird bislang nicht viel gemacht. Auch um eine bessere Vermarktung werde sich der Bezirk kümmern, verspricht Droßmann. Seit Jahren schon steht das Hotel Haus Seeblick zum Verkauf. Noch ist es geöffnet, aber die Betreiber suchen dringend einen Nachfolger.

Es gibt auf der beschaulichen Insel ein ernsthaftes Problem: „Die Gänse. Die machen die Natur kaputt“, sagt Landwirt Thomas Fischer. „Die fressen die Grasnarbe auf, und da wächst nichts Ordentliches mehr nach. Dafür müsste es Entschädigungen geben“, sagt Volker Griebel, der zuvor Inselwart war.

Insulaner wollen mit Kitesurfen neue Zielgruppen erschließen

Und es geht um Sport, genauer um das Kitesurfen. Dafür würden die Insulaner gerne einen Abschnitt im Südwesten nutzen. Aber Umweltfachmann Gabáyni winkt ab, dies ginge aus „naturschutzfachlichen Gründen“ nicht. Eine Möglichkeit zum Kitesurfen sei aber wichtig, um auch mal jüngere Zielgruppen für die Insel zu begeistern, sagt Stefan Griebel, der das Hus achtern Diek mit der Bar Wolkenlos betreibt. Aber es gibt an diesem Tag noch eine Überraschung.

Bislang können Schüler nur bis zur vierten Klasse unterrichtet werden, müssen dann aufs Festland. Droßmann verkündet, er habe mit der Schulbehörde gesprochen: Künftig würden die Schüler – zurzeit sind es zwei – bis zur sechsten Klasse auf der Insel unterrichtet werden. Das sei auch ein Argument, um künftig mehr Familien für Neuwerk zu gewinnen, sagt der Bezirksamtsleiter. Das Schiff wartet. Droßmann wird wiederkommen. Aber nicht alleine, sondern am 22. August in Begleitung von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).