Hamburg. Als Unesco-Weltnaturerbe steht es unter besonderem Schutz. Im Jubiläumsjahr gibt es viele besondere Aktionen.
Es steht auf einer Stufe mit dem Grand Canyon in den USA, der Serengeti in Ostafrika oder den Galapagos-Inseln: das Wattenmeer. Ein letztes Stück Wildnis in Europa. Im Juni vor zehn Jahren hat die Unesco diesen küstennahen Bereich der Nordsee zum Weltnaturerbe ernannt und spart nicht an Superlativen: „Als Ort, wo sich Himmel und Erde eine Bühne teilen“, so wird das Wattenmeer auf der Welterbe-Website der Unesco beschrieben. Wie der Tourismus von dieser Auszeichnung profitiert und vor welchen Herausforderungen dieses wertvolle Stück Natur steht.
Martin Kühn ist das Gesicht des Wattenmeeres. Als Nationalpark-Ranger im schleswig-holsteinischen Teil des Weltnaturerbes ist er neben den zahlreichen Wattführern Ansprechpartner und Gästeführer. Sein Dienstgebiet liegt im Watt zwischen den Halligen, in der sogenannten Halligwelt und er hat ein besonderes Verhältnis zu dieser Landschaft: „Man beschreibt den Blick über unser Wattenmeer gerne als „Meeresgrund trifft Horizont“. Seit dem Erhalt der Auszeichnung als Weltnaturerbe habe ich tatsächlich das Gefühl, bis weit hinter diesen Punkt blicken zu können“, sagt Kühn.
Dünen, Salzwiesen und Inseln
Besonders die Vogelwelt kenne keine Grenzen und stelle die globale Vernetzung in ihren Zugwegen dar. „Da genügt es nicht, Naturschutz vor der eigenen Haustür zu begrenzen. Der Weltnaturerbe-Titel ist diesem Fakt gerecht geworden. Da wir unsere wertvollsten Naturräume nur noch mit einem Regelwerk und einer entsprechenden Kontrolle vor weiteren Rückschritten und Verlusten schützen können, ist ein Titel, der den Schutzwillen der Weltgemeinschaft ausdrückt, oberste Prämisse“, sagt Martin Kühn.
So viel steht fest: Das Wattenmeer, ein Gebiet von rund 11.500 Quadratkilometern auf etwa 500 Kilometern Länge vor den Küsten Dänemarks, Schleswig-Holsteins, Niedersachsens und den Niederlanden ist einzigartig auf der Welt. Denn nirgends gibt es diese Kombination von Sänden, Dünen, Salzwiesen und Inseln. Zudem verläuft hier eine wichtige Vogelzuglinie – im Frühjahr und Herbst sind es bis zu 12 Millionen Vögel, die auf der ostatlantischen Zugstrecke nach Grönland und Sibirien eine Rast im Wattenmeer einlegen.
Nobelpreis für Natur
Im Frühjahr nutzen die Ringelgänse die Hallig-Wiesen als Nahrungs- und Rastplatz – rund 20.000 Exemplare sind dann anzutreffen. Das Wattenmeer ist das vogelreichste Gebiet Europas. Jeder, der schon einmal eine Wattwanderung mitgemacht hat, weiß: Auf nur wenigen Zentimetern leben hier Tausende von Lebewesen – rund 10.000 Arten von einzelligen Organismen und Pilzen bis hin zu höheren Pflanzen und Tieren. Muscheln, Schnecken, Würmer und Fische, Seehunde und Kegelrobben sind alle Bewohner dieser besonderen Landschaft.
Wer den Nobelpreis für Natur erhält, muss eben auch etwas zu bieten haben: Das Gebiet muss einzigartige Naturwerte besitzen, weitgehend intakt und durch Schutzmaßnahmen gesichert sein. Trifft alles zu.
Drei Nationalparks
Geschützt ist es durch drei Nationalparks: den Nationalpark Schleswig-Holstein, niedersächsisches und hamburgisches Wattenmeer. Schleswig-Holstein war Vorreiter: Als bundesweit erstes wurde das Wattenmeer im nördlichsten Bundesland 1985 zum Nationalpark erklärt. Das Wattenmeer der Niederlande, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins wurde im Jahr 2009 Weltnaturerbe.
Hamburgs Anteil vor der Insel Neuwerk kam erst zwei Jahre später hinzu, der Teil Dänemarks im Jahr 2014. Das Credo: „Drei Länder, ein Ökosystem, eine Verantwortung, ein Welterbe“, so Detlef Hansen, Leiter der Nationalparkverwaltung in Schleswig-Holstein. Das Wattenmeer ist weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand erhalten.
Perfektes Frühwarnsystem
Aber wie steht es um das Weltnaturerbe und was haben die Menschen davon? „Die Anerkennung als Weltnaturerbe ist das Beste, was unserem Wattenmeeer und seinen Menschen passieren konnte“, sagt Hansen. Denn die Bewohner der Küstenregion profitieren auch davon, wenn die Natur vor ihre Haustür intakt ist. Detlef Hansen: „Sie bildet die Grundlage für nachhaltigen Tourismus.“ Als Nationalpark-Partner verpflichten sich etliche Institutionen, wie Gastronomen, Hoteliers oder Tourismusverbände für einen naturschonenden Tourismus.
Für Nationalparkranger Martin Kühn ist der Welterbe-Status ein besonderer Antrieb für seine Aufgaben im Nationalpark. „Ein solches Großschutzgebiet ist ein perfektes Frühwarnsystem. Gerade in Zeiten rasanter globaler Veränderungen - Stichwort Klimawandel - benötigen wir viele Untersuchungen, Zählungen und auch Öffentlichkeitsarbeit. Mit die größte Hürde ist es schließlich, sein eigenes Konsumverhalten zu hinterfragen und wenn nötig zu ändern. Auch dafür ist der Status Weltnaturerbe eine große Bewusstseinshilfe.“