Hamburg. Vor 40 Jahren landete das Feuerschiff “Elbe 3“ im Museumshafen Övelgönne. Es war der Ausklang einer jahrhundertelangen Ära.

Der Sturm heult, die See kocht, das Schiff reißt an seinen Ketten. Um 14 Uhr rasen drei riesige Wellenberge auf die „Bürgermeister O’Swald“ auf Elbe 1 zu. Der erste Kaventsmann drückt das Deck auf der Steuerbordseite unter Wasser, der zweite verschlingt die Lichter, der dritte überspült dann schon ein nasses Grab.

Die Katastrophe vom 27. Oktober 1936, bei der 18 Kilometer vor der Küste 15 Menschen den Tod fanden, schreibt einen modernen Mythos des Meeres fort: die Heldenstory vom Feuerschiff als schwimmender Bastion von Mannesmut und Pflichtgefühl im Kampf des modernen Menschen gegen die wilde Zerstörungswut der Natur.

18 Feuerschiffe sichern seit 1816 die fünf gefährlichsten Stellen in der Elbmündung. Eins der berühmtesten besitzt seit nun 40 Jahren der Museumshafen Oevelgönne: Pünktlich zum Hafengeburtstag 1979 übergibt SPD-Finanzminister Hans Matthöfer den Altonaern die „Elbe 3“. Sie wird das zweite Vereinsschiff nach dem Dampfschlepper „Tiger“, der bis 1966 das Bild des Hamburger Hafens prägte.

"Elbe 3" hieß vorher "Weser"

Die „Elbe 3“ ist nach der Position benannt, die sie im gleichen Jahr 1966 in der Elbmündung übernimmt. Zuvor hat sie als Leuchtschiff „Weser“ die Seefahrt am zweiten großen Strom Norddeutschlands gesichert. 1888 auf der Werft Johann Lange in Bremen-Vegesack aus Stahl zusammengenietet, ist der Dreimastschoner 45,10 Meter lang und 7,20 Meter breit, hat 3,95 Meter Tiefgang und misst 256 BRT.

Ein Jahr später fährt das schwimmende Seezeichen in die Wesermündung. Die Energie für das Leuchtfeuer liefert anfangs Petroleum, später Gas. 1936 wird die Hilfsbesegelung abgebaut, und das Schiff bekommt einen Motor, einen Schornstein und Strom. Die Hauptmaschinenanlage, ein Sechszylinder-MWM-Diesel, schafft 300 PS, zwei Hilfsmaschinen liefern je 24 PS.

Lotsenwechsel von einem Dampfer auf das Feuerschiff in der Nordsee vor der Elbmündung, um 1928.
Lotsenwechsel von einem Dampfer auf das Feuerschiff in der Nordsee vor der Elbmündung, um 1928. © akg images / Bernhard von Nethen

In der Wesermündung führt das Feuerschiff einen Service fort, der sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt: Damals handelten die Bremer den friesischen Häuptlingen Edo, Lübbe und Memme das Recht ab, zur sicheren Fahrt ihrer Koggen „tunnen to leggen un kennunge to setten“. Schon damals wurde die Versandung der Weser beklagt. Doch das ist nichts gegen die Gefahren, die an der Elbmündung drohen. Das Seegebiet vor dem 15 Kilometer breiten Trichter zählt zu den größten Schiffsfriedhöfen der Wert.

Niemand weiß genau, wie viele Hundert Frachter, Lastkähne, Fischerboote und Passagierdampfer dort auf dem Meeresgrund liegen. Die Fahrrinne ist 20 Meter tief, doch die Sände links und rechts liegen nur zwei bis vier Meter unter Wasser und verlagern sich bei jedem Sturm. Schiffe können in einem Wellental leicht auf den Grund prallen und dann vom Wasser nicht mehr losgelassen werden.

Siegfried Lenz setzte den mutigen Männern ein Denkmal

Orkane, Monsterwellen, wandernde Untiefen: Der Dienst in dieser ewigen Kampfzone dreier Elemente ist lebensgefährlich. Das vierte, Feuer, soll helfen, doch auch dabei geraten Menschen in Lebensgefahr. 1824 wird das erste Feuerschiff auf der Position „Elbe 1“, die „Seestern“, mit acht Besatzungsmitgliedern und zwei Lotsen in schwerer See in die Tiefe gezogen.

1836 erschlägt ein Blitz den Smutje der „Jacob Hinrich“. Und noch 1970 geht die „Bürgermeister O’Swald II“, 1948 als inzwischen 13. Feuerschiff ausgelegt und seither bereits 40-mal von anderen Seefahrzeugen gerammt, nach einem Zusammenstoß mit einem argentinischen Frachter fast unter.

Und doch finden sich immer wieder Männer, die den gefährlichen Job übernehmen. Hamburgs großer Schriftsteller Siegfried Lenz setzt ihnen 1960 mit der Novelle „Das Feuerschiff“ ein Denkmal. Bewaffnete Räuber, als Schiffbrüchige an Bord genommen, wollen den Kapitän zwingen, sie an Land zu bringen. Doch der mutige Mann weigert sich: „Die anderen können nur unterwegs sein, weil wir an der Kette liegen und sie sich verlassen können auf unsere Kennung“, sagt er und wird mit einem Bauchschuss niedergestreckt, bevor seine Mannschaft die Gangster überwältigen kann.

Anker liegt auf dem Parkplatz

Im Juli 1966 lässt die „Weser“ auf Position Elbe 3, nordwestlich von Cuxhaven und nordöstlich der Hamburger Insel Neuwerk, ihren Pilzanker in den Sand einspülen. Die runde Form verhindert das Herausdrehen aus dem Meeresboden. Ein solcher Anker, zwei Meter breit, liegt auch auf dem Parkplatz am Museumshafen Oevelgönne. Zerrt das Schiff im Orkan zu stark an der Kette, kann der Kapitän mit dem Motor dagegenhalten.

Die Besatzung arbeitet in zwei Schichten von je elf Mann. Sie wechseln alle 14 Tage zwischen Land und See. An Bord registrieren sie die Schiffe, die in der Fahrrinne am Großen Vogelsand und am Gelbsand vorübergleiten, einem der Hauptschifffahrtswege der Deutschen Bucht. Außerdem melden sie mehrmals Wetterdaten an das Wetteramt.

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Die "Elbe 3" präsentiert sich beim Hafengeburtstag den Besuchern. © dpa / Daniel Bockwoldt

Beliebte Törns für Touristen auf die Unterelbe

In der Freizeit basteln die Seeleute Buddelschiffe und Modelle der als Souvenir beliebten Cuxhavener Kugelbake. Außerdem angeln sie und räuchern Aale. Die Mannschaftskajüten mit je vier Kojen, die etwas gemütlicheren Zweibettkammern der Offiziere, Ingenieure und Funker und mehr noch die Einzelkajüten von Kapitän und Chefingenieur stehen heute auf dem Programm der Museumsbesucher, ebenso wie der Maschinenraum mit dem großen Viertaktmotor.

„Elbe 3“ ist zwar seitlich mit Dockschlössern festgemacht, doch der Bug zeigt Richtung Nordsee, und auf die Unterelbe führen dann auch die beliebten Dreieinhalbstunden-Törns. Denn das wahrscheinlich älteste fahrfähige Feuerschiff der Welt ist sogar als Seeschiff zugelassen. GPS und Radar sind auf dem neuesten Stand, die Rettungsringe sauber gestapelt, und in der Kombüse wird dann Erbsensuppe gekocht.

Im Mai 1977 wird die „Weser“ aus der Elbmündung abgezogen und durch eine Leuchttonne ersetzt. In Oevelgönne erhält das Feuerschiff einen neuen Namen, nach seiner letzten Position: „Elbe 3“. Vor ihm lag an dieser Stelle die „Bürgermeister Abendroth“. Sie heißt heute ebenfalls „Elbe 3“ und zählt zu den Attraktionen im Hafen des Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Dort liegt sich’s besser als auf dem Meeresgrund wie die unglückliche „Bürgermeister O’Swald“: Das Schiff, das die Seefahrt sichern sollte, wurde als Wrack zur Gefahr und deshalb gesprengt, ohne dass auch nur versucht worden wäre, die Leichen der Besatzung zu bergen.