Hamburg. Die vom Abriss bedrohte Einkaufspassage soll bleiben und könnte wieder neu belebt werden. Geheimnis um den möglichen Käufer.
Dass es an diesem Freitagnachmittag gleich zwei wichtige Ereignisse geben würde, hatten bei der Terminvereinbarung im Herbst weder das Denkmalschutzamt noch der Denkmalverein geahnt: Am 12. Januar sollten interessierte Vereinsmitglieder einen Einblick in die umfangreiche Bibliothek des Amts bekommen. Diese liegt im fünften Stock des Hanse-Viertels. Daran sollte sich ein Rundgang mit Architekt Volkwin Marg, der die Einkaufspassage Ende der 70er-Jahre entworfen hatte, anschließen.
Und dort wurde es zum ersten Mal öffentlich verkündet: „Das Hanse-Viertel ist jetzt ein Denkmal“, sagte Christine Onnen vom Denkmalschutzamt. Und Kristina Sassenscheidt vom Denkmalverein ergänzte: „Der Architekt wird uns also gleich durch sein eigenes Denkmal führen. Das gab es so in Hamburg noch nie.“
Große Erleichterung für Denkmalfreunde
Die zwei Dutzend Denkmalfreunde freuten sich über diese Neuigkeiten. Und Volkwin Marg sprach von „großer Erleichterung“. „Ich hatte panische Angst vor einem Abriss, seitdem das Hanseviertel so heruntergewirtschaftet wurde.“ Dies hatte mit dem Auszug von Möwenpick 2007 begonnen und seinen Höhepunkt 2014 mit der Insolvenz von Schacht & Westerich erreicht. Auch eine zwischenzeitliche Umgestaltung im Jahr 2012 war nicht von Erfolg gekrönt; ein schlüssiges Konzept fehlte. Nach Ansicht Margs könnte das daran liegen, dass der Eigentümer eben eine Versicherungs AG ist, und kein Betreiber einer Einkaufspassage.
Laut Christine Onnen war es die Allianz selber, die das Denkmalschutzamt im vergangenen Sommer um eine verlässliche Auskunft zur Denkmalschutzwürdigkeit des Hanse-Viertels bat. Grund hierfür war wohl der beabsichtigte Verkauf der Passage, für die sich unter anderem das Hamburger Unternehmen ECE interessiert (das Abendblatt berichtete). Beim Denkmalschutzamt, das nur auf Anfrage tätig wird, war man für den Auftrag dankbar. „Das Hanse-Viertel gehört zu den Gebäuden aus einer Zeitgeschichte, die jetzt anfängt, interessant zu werden“, so Onnen. Viele dieser jungen Bauten würden derzeit abgerissen – etwa das Allianz-Hochhaus am Großen Burstah. „Es gab also Handlungsdruck.“
"Herausragendes Bauwerk der Postmoderne"
Nach der Anfrage der Eigentümerin habe man sich vertiefter mit dem Thema Einkaufspassagen beschäftigt, sich auch in anderen Bibliotheken umgesehen und viele Gespräche mit dem Architekten geführt. Das Fazit fasst Andreas Kellner, Leiter des Denkmalschutzamts, mit den Worten zusammen: „Das Hanse-Viertel ist ein stadtgeschichtlich, städtebaulich und architektonisch herausragendes Bauwerk der Postmoderne in Hamburg.“
Als Architekt Marg durch die Passage führt, zeigt er auf all die Details, um die er sich damals bei der Gestaltung so viele Gedanken gemacht hat – und den das Denkmalschutzamt nun würdigt: Den in Hamburg traditionsreichen Backstein hat er nicht nur für die Wände verwendet, sondern auch als Bodenbelag – um die nur fünf Meter breite Passage optisch zu verbreitern, reicht er ein Stück weit in jedes Geschäft hinein. Grünfarbiges Metall hat er als Assoziation mit den im Stadtbild allgegenwärtigen Kupferdächern eingesetzt. Und die Messing-Einlegearbeiten im Boden beziehen sich auf Inschriften in hamburgischen Urkunden oder auf Zitate aus Handel und Schifffahrt. Dann sind da noch die Spiegelelemente, die in den Eingangsbereichen der Passage und der Läden Weite und Höhe vortäuschen, meist in Verbindung mit quadratischen Glasprismen. Dass einzelne Geschäfte damit begonnen haben, diese typischen Elemente mit Werbefolien oder anderem zu verdecken, erzürnt ihn. „Hier wird der Gag zerstört“, sagt er und deutet auf die im oberen Bereich abgeklebten Schaufenster von Who’s Perfect. „Sie sehen, was das ausmacht: Da kann man auch in ein Einkaufszentrum nach Billstedt fahren.“
Wird die Einkaufspassage nun wieder belebt?
Er weist auf die große Weltkugel, die sich unter der Kuppel in der Rotunde dreht, seit hier ein Boden eingezogen wurde. Auch die Bäume in der zweigeschossigen Kuppel und der Blick durch das gläserne Dach auf illuminierte Bäume draußen sind Vergangenheit. Und unter der Glaskuppel, die sich über der Glockenwand an der Ecke Poststraße erhebt, ist die ursprünglich geplante Gastronomie nie eingezogen. „Es wäre schön, wenn wie zu alten Zeiten unten in der Rotunde wieder Bäume stünden und darunter lebendiger gastronomischer Betrieb herrschte. Die Weltkugel passt gut vor den Eingang unter das Glockenspiel, und darüber in der Glaskuppel, im fünften Stock, wäre ein Cabaret-Betrieb vorstellbar“, sinniert er. Fast erweckt der Architekt den Eindruck, als wolle er sofort mit der Sanierung und Wiedererweckung „seines“ Hanse-Viertels beginnen.
Tatsächlich könnte er damit betraut werden. „Der potenzielle Käufer ist auf mich zugekommen“, sagt Marg. Vielleicht wird das Hanse-Viertel wieder das, für das es im Bericht des Denkmalschutzamts gewürdigt wird: eine gehobene Einkaufspassage mit einer durchdachten Mischung aus kleinen Einzelhandelsgeschäften und Gastronomie, mit einer großen Anziehungskraft auf Einheimische und Touristen.
Centermanager Uwe von Spreckelsen kann sich gut vorstellen, dass es so weit kommt. „Mich haben viele Menschen angesprochen, die von den Abrissgerüchten beunruhigt waren.“ Die Sanierung wäre eine gute Gelegenheit, das Hanse-Viertel wieder ins Bewusstsein der Hamburger zu bringen.