Hamburg. Neuer Bildband zeigt das „Welterbe Kontorhäuser“ als einen Ausdruck der architektonischen Kultur Hamburgs.
In den Regalen der Hanseaten in ihren Jugendstilwohnungen, Elbchausseevillen und Einfamilienhäusern müssen gleich mehrere Bretter für Bücher über Hamburg reserviert sein – anders ist nicht zu erklären, warum die Verlage immer neue Sachbücher und Bildbände über die angeblich schönste Stadt der Welt herausgeben. Der Hamburger mag seine Stadt eben.
Seit Kurzem ist ein neuer Bildband auf dem Markt, der sich dem „Welterbe Kontorhäuser“ widmet. Es ist nicht das erste Buch dazu, aber das erste nach der Verleihung des wichtigen Weltkulturerbe-Titels im Juni 2015 durch die Unesco. Das Buch wirft einen Blick dorthin, wo manches Auge ausgesperrt bleibt – in die prachtvollen Bürobauten des 20. Jahrhunderts, ihre opulenten Treppenhäuser, Eingangshallen oder durch verschwenderisch gestaltete Fenster. „Kontorhäuser sind Repräsentationsarchitektur“, heißt es in dem Buch. Und welcher Ort beherrscht das besser als die Kaufmannsstadt Hamburg – das Geld der Pfeffersäcke mag weder in Wissenschaft noch in Kultur geflossen sein, aber in Stein, Schmiedeeisen und Bleiglas.
Überreiches Erbe
Dem Autor Bernd Allenstein und dem Fotografen Michael Pasdzior gelingt es, die Hamburger auf dieses überreiche Erbe hinzuweisen und sie für ihre Kontorhäuser zu begeistern. Die Auswahl des Autorenduos umfasst die Klassiker Chilehaus, Laeiszhof und Streit’s genauso wie eher unbekannte Wirtschaftswunderbauten wie den Boltenhof oder Gehrckens Hof.
Die Auswahl, so schreibt Allenstein, sei „subjektiv, spekulativ, ästhetisch und vielleicht auch willkürlich“. Sicherlich vermisst der eine oder andere Betrachter wichtige Hamburger Kontorhäuser wie das ehemalige „Spiegel“-Haus von Werner Kallmorgen, das Springer-Gebäude, entworfen von Ferdinand Streb, oder das Unilever-Haus von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg.
Mehrere Zufälle kamen hilfreich zusammen
Die Autoren, die seit Langem zusammenarbeiten, setzen andere Maßstäbe: Fast alle dargestellten Bauten entstammen dem ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts; sie dominieren bis heute nicht nur das Stadtbild, sondern werden von der Öffentlichkeit besonders wertgeschätzt. „Auch wenn im Kontorhausviertel die Architektur in den 1920er-Jahren extrem den ökonomischen Bedingungen ihrer Zeit unterworfen war, fanden die Architekten und Bauherren ästhetische und künstlerische Wege zur Gestaltung des Stadtbilds, manchen Gebäuden der Nachkriegsära mangelt es daran“, urteilt der Autor.
Tatsächlich unterscheiden die großzügigen Büro- und Geschäftshäuser Hamburg von vielen anderen Metropolen, verleihen der Stadt ihr eigenes Gesicht. Die Kontorhäuser sind Allenstein zufolge „als spezifisch hamburgischer Ausdruck einer architektonischen Kultur durch ihre ästhetische und ökonomische, ihre baukünstlerische und ideologische Ausgestaltung als Hamburger Beitrag zur modernen Architektur gefeiert worden“. Gleich mehrere Zufälle kamen hilfreich zusammen – der Abriss der Gängeviertel, die dynamische Wirtschaftsentwicklung der 1920er-Jahre und die Weitsicht des Oberbaudirektors Fritz Schumacher und seine Vorliebe für den Backstein.
Das Buch jedoch zieht weiter als durch das Kontorhausviertel, es beschreibt die Bauten an der Mönckebergstraße genauso wie die am Wallring oder im Passagenviertel. Gerade die Anekdoten zu stadtprägenden Bauten wie dem Hapag-Haus, bei dem sich der Rathaus-Architekt Martin Haller und der Chilehaus-Architekt Fritz Höger bekämpften, sind unterhaltsam; manchmal aber nehmen die Autoren mit ihrer nüchternen Art zu sehr das Fachpublikum in den Blick; zur Bettlektüre wird „Welterbe Kontorhäuser“ kaum taugen.
Kultursenator Carsten Brosda lobt in seinem Grußwort, das Buch „schließt inhaltlich wie ästhetisch eine Lücke und ergänzt die vorhandene Fachliteratur und die Architekturführer“. Sehr viele Lücken indes sind bald kaum noch auszumachen: Bei einem großen Onlineversender kommt die Hansestadt auf 36.618 Bücher und geht deutschlandweit als Zweiter durchs Ziel. Noch beliebter als die „schönste Stadt der Welt“ ist nur Berlin – aber mit 294.131 Büchern.