Hamburg. Das Verwaltungsgericht muss über einen Baustopp für das südliche Überseequartier entscheiden. Investor plant 200 Läden und Hotels.

Der erste Spatenstich ist erst zwei Monate her: Im südlichen Überseequartier der HafenCity soll bis zum Jahr 2021 Hamburgs größtes Einkaufszentrum mit rund 200 Läden entstehen. Droht dem Milliardenprojekt nun das Aus? Der auf Baurecht spezialisierte Rechtsanwalt Michael Günther hat nach Abendblatt-Informationen im Auftrag von fünf Wohnungseigentümern aus der HafenCity beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag für einen Baustopp in der Baugrube des südlichen Überseequartiers eingereicht.

Das bestätigte Anwalt Günther auf Anfrage. Er sagt: „Eine Entscheidung des Gerichts wird in vier bis fünf Wochen erwartet. Dieser Eilantrag dient auch der Vorbereitung für weitere Anträge und Klagen.“ Eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts Hamburg bestätigte, dass der Eilantrag eingegangen ist: „Die Stadt, die die Baugenehmigung erteilt hat, ist zu einer Stellungnahme aufgefordert worden.“

Anwohner befürchten hohe Verkehrsbelastung

Die deutsche Tochterfirma des französischen Immobilienunternehmens Unibail Rodamco entwickelt das Projekt und investiert rund eine Milliarde Euro. Der Eilantrag ist dort bekannt: „Wir nehmen die Einwendungen der Anwohner in der HafenCity natürlich ernst und sind für Kritik offen. Aber trotzdem halten wir an unseren Planungen und Vorgaben der Stadt für die Projektentwicklung im südlichen Überseequartier fest und werden nach und nach die weiteren Baugenehmigungen für die folgenden Bauabschnitte bei der Stadt beantragen“, sagt Unibail-Rodamco-Entwicklungschef Michael Hartung dem Abendblatt.

Warum sind die Anwohner gegen das Projekt? „Es wird mit einem Verkehrsaufkommen von etwa 25.000 Kraftfahrzeugen täglich nach der Eröffnung des südlichen Überseequartiers ausgegangen, die durch die angrenzenden Straßen mit Wohnbebauung fahren. Das geht aus Planungsunterlagen der Stadt hervor“, sagt Günther. Der Jurist kritisiert: „Diese enorme zusätzliche Verkehrsbelastung kommt einer Enteignung der Wohnungseigentümer nahe, denn dann ist eine gesunde Wohnnutzung wegen zu hoher Lärm- und Luftbelastungen kaum mehr möglich. Die von dem Vorhaben ausgehenden Konflikte werden auf die Nachbarn verlagert und nicht bewältigt.“

Die Eröffnung des Quartiers ist für 2021 geplant

85.000 Quadratmeter ist das Areal im südlichen Überseequartier groß. Das passt zu den Dimensionen, die die deutsche Tochterfirma des französischen Immobilienunternehmens Unibail Rodamco in der HafenCity plant: „Wir realisieren hier eines der größten innerstädtischen Bauvorhaben in Europa“, sagte Unibail-Rodamco-Entwicklungschef Michael Hartung dem Abendblatt. Der gebürtige Hamburger steht mitten in der Baugrube, die bis Ende des Jahres ausgehoben sein soll. Es solle das Herzstück der HafenCity werden, ein Ort zum Wohlfühlen mit einem besonderen Einkaufserlebnis für die Besucher, sagte Hartung.

Für den Einzelhandel sind allein 80.500 Quadratmeter vorgesehen. 200 Geschäfte sollen in dem neuen Einkaufsquartier eröffnen. Auch drei Hotels mit rund 800 Zimmern, Büros und ein neues Kreuzfahrtterminal mit 10.000 Qua­dratmeter Fläche sind geplant. In zwei Untergeschossen entstehen rund 2900 Parkplätze.

Zurzeit werden auf dem Gelände Schlitzwände eingesetzt, die bis zu 30 Meter tief in den Erdboden reichen, um das Grundstück vor dem Wasser zu schützen. Im Frühsommer 2018 soll dann die Bodenplatte eingebaut werden, das sei der eigentliche Baustart, so Hartung. Die Eröffnung des neuen Quartiers ist für Herbst 2021 geplant.

Projektentwickler will gutes Verhältnis zu den Nachbarn

Die größten Flächen im Einkaufsquartier sind für potenzielle Ankermieter vorgesehen. Dazu werden laut Hartung bereits Gespräche geführt. „Natürlich werden hier Marken vertreten sein, die es in der Innenstadt gibt. Aber wir wollen auch internationale Marken in das südliche Überseequartier holen, die bislang in Hamburg nicht vertreten sind.“ Der Entwicklungschef setzt auch auf „Hamburger Einzelhändler, die mit innovativen Konzepten bei uns Ladenflächen anmieten.“ Das gilt auch für die 30 Restaurants und Bars, die in dem Quartier eröffnen sollen. Dafür sind rund 8000 Quadratmeter eingeplant.

Dass es jetzt einen Eilantrag auf Baustopp für die Baugrube gibt, dürfte Unibail Rodamco nicht ins Konzept passen. Dem Projektentwickler ist an einem guten Verhältnis zu den Nachbarn gelegen: „Wir haben bereits bei einem Treffen mit rund 200 Anwohnern über das Projekt informiert und haben dabei überwiegend positive Resonanz gehabt“, sagte Hartung.

Auch dass es in der City Vorbehalte gegen das Projekt gibt, ist Hartung bekannt. Der Trägerverbund Innenstadt befürchtet sogar einen Umsatzrückgang von bis zu 15 Prozent. Aber Hartung entgegnet: „Wir schaffen hier ein Projekt mit einer so großen Strahlkraft, dass davon auch der Einzelhandel in der Innenstadt profitieren wird. Wichtig ist nur, dass zwischen der HafenCity und der Innenstadt eine attraktive Wegeverbindung geschaffen wird.“

Expertenanhörung im Stadtentwicklungsausschuss

Der Stadtentwicklungsausschuss der Bürgerschaft beschäftigt sich am Donnerstag mit einem Antrag der FDP-Fraktion zum südlichen Überseequartier. Bei der Expertenanhörung wird unter anderen HafenCity-Hamburg-GmbH-Chef Jürgen Bruns-Berentelg zu den Fragen der Abgeordneten Stellung nehmen.

Eines steht jetzt schon fest. Das neue Quartier im südlichen Überseequartier wird für eine Belebung der HafenCity sorgen: Die Projektentwickler gehen von zwölf Millionen Besuchern pro Jahr aus. Und vielleicht kann dann auch an sieben Tagen in der Woche eingekauft werden: „Eine Sonntagsöffnung für die Geschäfte in der HafenCity würden wir begrüßen, auch weil dann die vielen Touristen, die am Kreuzfahrtterminal ankommen, im südlichen Überseequartier einkaufen könnten. Wir halten uns hier aber natürlich an die Regelungen der Stadt Hamburg“, sagte Michael Hartung.