Hamburg. Untersuchung zur Todesursache dauert dagegen an. Die Leiche des HSV-Managers war von dem Kapitän einer Hafenfähre entdeckt worden.
Ein bisschen Hoffnung gab es, immer noch. Zwei Monate lang hatte die Polizei gesucht, ermittelt, einmal auch schon am Ponton der „Rickmer Rickmers“ tauchen lassen, auf der Suche nach einem Hinweis. Die Gewissheit bahnt sich am Donnerstagmorgen schon früh um 6.40 Uhr an: Eine Leiche wird vor der „Cap San Diego“ entdeckt. Feuerwehrleute bergen den Körper, im Institut für Rechtsmedizin wird die Bekleidung der Leiche durchsucht. Die Rechtsmediziner finden seinen Personalausweis – und können den Toten anhand seines Zahnschemas identifizieren. Timo Kraus ist tot.
Der Familienvater und Merchandising-Chef des HSV ist wahrscheinlich am Abend des 7. Januar in die Elbe gefallen und ertrunken. Die Polizei hatte dies bereits unmittelbar nach seinem Verschwinden vermutet – bislang aber angenommen, seine Leiche wäre weiter weggetrieben worden. Der Fundort auf Höhe der Überseebrücke liegt kaum 500 Meter von der „Rickmer Rickmers“ an den Landungsbrücken entfernt, an dem das Handy von Timo Kraus zuletzt geortet worden war. Am Abend seines Verschwindens herrschte nahezu in der gesamten Stadt gefährliche Eisglätte bei minus drei Grad.
"Er ist jetzt identifiziert“, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Die Todesursache sei aber bislang nicht geklärt. "Diese Untersuchung dauert noch an.“ Die äußerliche Leichenschau ergab aber keine Hinweise auf ein Fremdverschulden.
"Wir sind zutiefst bestürzt. Unsere Anteilnahme und unser tiefes Mitgefühl gelten Timos Familie, der wir weiterhin zur Seite stehen werden", erklärte HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein am Freitag in einer Mitteilung des Fußball-Bundesligisten. Kraus hinterlässt eine Ehefrau und zwei Söhne.
Der wichtigste Zeuge fehlt weiterhin
Warum die Leiche so lange unentdeckt blieb, ist noch unklar – mit steigenden Temperaturen werden leblose Körper in der Elbe meist binnen einer Woche sichtbar. Möglicherweise verfing sich die Leiche, nachdem Timo Kraus in die Elbe gefallen war. Durch das kühle Wasser war der Körper kaum verwest. Zunächst dachten die Feuerwehrleute, dass es sich deshalb nicht um Timo Kraus handeln könne – sie hielten seine Bekleidung zudem für die eines Anglers.
Auch nach dem Fund seiner Leiche bleiben offene Fragen im Zusammenhang mit dem Verschwinden des 44-Jährigen. Trotz der enormen Ermittlungsarbeit haben die Beamten noch immer kein stimmiges Bild von den Geschehnissen in der Nacht, als Timo Kraus verschwand.
Zeugen sahen, wie Timo Kraus vor Mitternacht an den Landungsbrücken in eines der wenigen Taxis stieg, die bei der Eisesglätte noch fuhren. Am Steuer der Mercedes B-Klasse soll ein Afrikaner gesessen haben. Die Beamten kontaktierten systematisch alle Taxiunternehmen und alle eingetragenen Halter einer B-Klasse. Ergebnislos.
Ist der Taxifahrer illegal in Hamburg?
In Polizeikreisen wird davon ausgegangen, dass der dunkelhäutige Fahrer keine Lizenz oder Aufenthaltserlaubnis hat und sich deshalb nicht bei der Polizei melden will. „Wir glauben, dass der Betroffene durch die große öffentliche Aufmerksamkeit definitiv von der Suche erfahren hat. Möglicherweise haben wir auch mit dem Richtigen schon gesprochen“, sagte ein Sprecher der zuständigen Polizeiinspektion Harburg.
Auch in den WhatsApp-Gruppen der Taxifahrer zirkulierten beide veröffentlichten Bilder des Vermissten – ohne jede Rückmeldung. Ein emotionaler Appell der Polizei an den Fahrer, sich zu melden, verhallte ebenfalls.
Warum ging Kraus zurück zum Schiffsanleger?
Ohne den wichtigsten Zeugen bleibt die zentrale Frage ungeklärt. Warum kam Timo Kraus nicht am Haus seiner Familie im südlichen Umland an, nachdem er ins Taxi gestiegen war? Die Polizei vermutete, dass die Fahrt nur etwa einen Kilometer weit in Richtung Osten führte, endgültig gesichert ist dies nicht. Möglich ist, dass der Taxifahrer Timo Kraus nicht weiter befördern wollte, der zum Zeitpunkt seines Verschwindens alkoholisiert war.
Der 44-Jährige könnte jedoch auch auf eigenen Wunsch ausgestiegen sein und aus unbekanntem Grund entschieden haben, zurück in Richtung des Block Bräu zu gehen. Dabei trug er laut einem Zeugen seine Jacke jedoch nicht mehr bei sich, sondern nur einen Pullover mit dem Emblem des HSV am Oberkörper.
Bruchhagen hoffte auf Missverständnis
Bei dem Fußballverein hatte Timo Kraus bis zu seinem Verschwinden die Merchandising-Abteilung geleitet. HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen hoffte wenige Tage nach dem Verschwinden noch, dass es sich um ein Missverständnis handele. Der Fall hänge wie ein „bleierner Schatten“ über dem Verein, so Bruchhagen. Kollegen aus seiner Abteilung haben die Führungsaufgaben kommissarisch übernommen.
Nur mit der offiziellen Feststellung des Todes hat die Familie von Timo Kraus Anspruch auf finanzielle Hilfe, etwa aus einer Lebensversicherung.