Hamburg. Das Museum für Hamburgische Geschichte zeigt, wie sich das Bierbrauen sogar auf den Lauf der Alster auswirkte.

München oder Dortmund – aber Hamburg? Die Hansestadt fällt nicht jedem auf Anhieb ein, wenn man namhafte Biermetropolen aufzählen soll. Dabei war Hamburg Jahrhunderte lang das norddeutsche Zentrum der Braukunst, im späten Mittelalter gehörte Bier zum Alltag – wie die Schifffahrt, der Fischfang und der Handel.

Das Museum für Hamburgische Geschichte lädt ab dem 7. September zu einer Ausstellung rund um das Bier ein
Das Museum für Hamburgische Geschichte lädt ab dem 7. September zu einer Ausstellung rund um das Bier ein © dpa | Daniel Bockwoldt

„Wenn Lübeck das Kaufhaus der Hanse- und Köln das Weinhaus der Hanse war, dann war Hamburg das Brauhaus“, sagt Ralf Wiechmann, Kurator der Ausstellung „Kein Bier ohne Alster“, die am 7. September im Museum für Hamburgische Geschichte Eröffnung feiert und bis zum 12. März 2017 zu sehen ist. Ohne Bier, resümiert er, sähe Hamburg heute anders aus. Denn um die Mühlen zu betreiben, die nicht nur für Korn, sondern auch zum Mahlen von Malz für die Bierproduktion benötigt wurden, wurde die Alster ab dem 13. Jahrhundert gestaut und in ihre heutige Form gebracht. Die Bierproduktion schwoll an.

Pro Kopf-Verbrauch bei mehreren hundert Litern im Jahr

Zu den Hochzeiten in der Mitte des 14. Jahrhunderts betrug der Ausstoß der Brauer der Stadt jährlich 574.000 Hektoliter. „Das wissen wir aus alten Steuerlisten und durch Hochrechnungen“, sagt Wiechmann. Zwar war Bier – als eines der wenigen keimfreien Getränke – ein Grundnahrungsmittel für Jung und Alt. Männer, Frauen, Kinder und griffen zum Bier – es war im Vergleich zu heute relativ alkoholarm. „Der Pro Kopf-Verbrauch lag bei mehreren hundert Litern im Jahr“, sagt Wiechmann: „Davon träumen Brauereien heute“.

Doch der große Ausstoß war nicht allein dem überbordenden Durst der Hamburger geschuldet. Vielmehr profitierten die Brauereien vom Handelsnetz der Hanse. Ziel der Bierexporte waren neben anderen deutschen Städten auch Häfen in Holland, England, Flandern und in skandinavischen Ländern.

1,5 Millionen Hektoliter Jahresausstoß bei Holsten

Erst mit dem Ende des Hansebundes und dem Aufkommen keimfreier Heißgetränke wie Tee und Kaffee im 17. Jahrhundert ging die Bierproduktion zurück. Ein Revival erlebte sie im 19. Jahrhundert, mit dem Aufkommen der „Actien-Brauerein“. Es gab die Winterhuder Brauerei, die Actien-Bier-Brauerei Marienthal oder die Union-Brauerei Hamburg. Doch die großen Firmen, so Wiechmann, „fraßen sich gegenseitig auf“ und boten bald fast nur noch besonders populäre Biere nach Pils-Art an. „Das ging zu Lasten der Sortenvielfalt.“

Heute scheint der Zenit der Bierproduktion überschritten. Mit genauen Produktionszahlen sind die Brauereien zurückhaltend. Das gilt auch für die Hamburger Holsten-Brauerei, die lediglich die kursierende Zahl von etwa 1,5 Millionen Hektolitern Jahresausstoß an der Holstenstraße bestätigt- verteilt auf alle Marken.

In absoluten Zahlen ist das mehr als im 14. Jahrhundert. Berücksichtigt man aber, dass Hamburg damals nur wenige tausend Einwohner hatte, und der Weltmarkt trotz des Hansebundes schwerer zu bedienen war, zeigt sich der Bedeutungsverlust eines einst alles dominierenden Geschäftsfelds.

Craft Beer sorgt für größere Geschmacksvielfalt

Trotzdem haben Bierfreunde Anlass, optimistisch zu sein. Beflügelt wird die Branche zuletzt vor allem vom Craft Beer-Trend aus Nordamerika, der seit ein paar Jahren in Europa Fuß fasst. Dahinter verbergen sich handwerklich gebraute Biere aus möglichst kleiner Produktion. Auch immer mehr Hamburger Brauereien versuchen sich an den besonderen Bieren in limitierter Auflage. Sie erhofft sich davon vor allem Aufmerksamkeit.

„Bei Craft Bier handelt es sich eher um eine Nische“, sagt Carlsberg-Sprecher Christoph Boneberg. Um die Bierproduktion neue Höhen erklimmen zu lassen, sei der Absatz zu gering.

Bier-Experte Wiechmann begrüßt die Entwicklung aus anderen Gründen: „Die Craft-Brauer sorgen für eine Wiederbelebung und docken an alte Traditionen an.“ Das schaffe Konkurrenzdruck auf die „ganz Großen“, wieder eine größere Geschmacksvielfalt anzubieten: Feierabendbiere gebe es heute wieder in vielen Geschmacksrichtungen.