Wiesbaden/Hamburg. Die Deutschen Bierproduzenten durchbrechen Negativtrend der letzten Jahre. Kleine Brauereien profitieren vom Craft-Beer-Trend.

Wenn Deutschlands Fußballfans vor Welt- und Europameisterschaften die Nationaltrikots überstreifen und ihre Plastikfähnchen am Auto montieren, freuen sich stets auch die Bierbrauer im Land: Die Turniere bringen der gebeutelten Branche regelmäßig dringend benötigtes Zusatzgeschäft mit Pils und Hefeweizen. Das funktionierte 2006 beim „Sommermärchen“, 2014 beim Titelgewinn in Brasilien und trotz des durchwachsenen Wetters auch bei der EM in Frankreich.

Im ersten Halbjahr 2016 gab es gegen den stabilen Negativtrend mal wieder ein leichtes Plus auf dem Heimatmarkt – nach 15 Jahren Rückgang im Inlandsabsatz mit Ausnahme von 2006 und 2014. Insgesamt setzten die Brauereien mit 47,8 Millionen Hektolitern laut Statistischem Bundesamt sogar 1,9 Prozent mehr um als im Vorjahr – dem Export sei dank, der kräftig stieg. In Hamburg und Schleswig-Holstein zeigt sich ein anderes Bild. Der Bierabsatz blieb in beiden Ländern zusammen mit rund zwei Millionen Hektolitern gleich, allerdings brach der Export ein und im Inland stieg die Menge um relativ deutliche zwei Prozent. Anders ausgedrückt: Bier aus dem Norden war in der Bundesrepublik beliebter, im Ausland weniger.

Zuwächse melden auch Hamburger Unternehmen. Das Blockbräu an den Landungsbrücken liege beim Absatz „einen kleinen Tick über dem Vorjahresniveau“, sagte Braumeister Thomas Hundt dem Abendblatt. Statt brutto 2300 Hektoliter wie im Vorjahr erwartet er für das Gesamtjahr rund 2400 Hektoliter. Die kleine Hamburger Brauerei Buddelship will die Produktionsmenge etwa verdoppeln auf 1000 Hektoliter. Das Unternehmen gehört zur aufstrebenden Craft-Beer-Szene, die sich auf die handwerkliche Braukunst beruft und im hochpreisigen Segment beheimatet ist. „Das Interesse an Bier generell steigt“, sagt Chef Simon Siemsglüss und rechnet mit Zuwächsen bei den meisten kleineren Wettbewerbern. Carlsberg, mit den Marken Holsten und Astra, die größte Hamburger Brauerei, äußert sich nicht zu regionalisierten Absatzzahlen.

„Die Fußball-EM hat wichtige Impulse gesetzt“

„Die Fußball-EM hat als publikumswirksames Großereignis zusammen mit dem 500. Jubiläum des Reinheitsgebotes wichtige Impulse gesetzt“, erklärt der Deutsche Brauer-Bund. „Wir hatten den positiven Sondereffekt EM“, sagt der Chef des Getränkegroßhandelsverbandes GFGH, Günther Guder, „jetzt ist aber die Frage, ob wir das Plus ins Gesamtjahr hinüberretten.“ Die demografischen Effekte blieben weiter negativ. Denn die deutsche Bevölkerung altert, und je älter die Verbraucher werden, desto maßvoller trinken sie laut den Marktforschungsdaten der Branche. Pro Jahr liege der „Abschmelzverlust“ am deutschen Biermarkt bei ein bis 1,5 Prozent, sagt Guder. Und seit 1986 schrumpfte der Pro-Kopf-Verbrauch bei Bier um fast 28 Prozent.

Die Freude über Absatzzuwächse zur Fußball-EM wurde der Branche zudem von einem heftigen Preiskampf verdorben. Große Lebensmittelketten hatten kräftige Rabattaktionen gestartet. Teils wurde die Schwelle von zehn Euro für den Kasten mit 20 Halb-Liter-Flaschen im Bierhandel klar unterboten.

Die deutsche Bierbranche setzt im Kampf gegen den heimischen Abwärtstrend auf Produktinnovationen, regionale Spezialitäten und den zunehmenden Trend zum alkoholfreien Bier. Außerdem investieren Großhändler verstärkt in das Äußere der Getränkemärkte, damit Kunden länger in den Märkten bleiben und kaufen. Guder: „Wir wollen kein ,Scheunenfeeling‘ mehr.“