Hamburg. Außenminister Steinmeier überreichte heute die Unesco-Urkunde für die Speicherstadt. Besucheranstieg bereits seit Vergabe des Titels.
Seit einem Jahr sind Speicherstadt und das angrenzende Kontorhausviertel bereits in der Unesco-Liste des Weltkulturerbes eingetragen – doch richtig offiziell ist der wohlklingende Titel für Hamburg eigentlich erst jetzt. Am Montag überreichte Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) bei einem Festakt in der früheren Kaffeebörse in der Speicherstadt die entsprechende Urkunde.
„Die Speicherstadt und das Kontorhausviertel dokumentieren auf einzigartige Weise den Aufstieg Hamburgs zu einem der größten Seehäfen weltweit“, sagte der Minister. Und daher symbolisiere ein solches Kulturerbe kulturelle und gesellschaftliche Identität, in diesem Fall die der weltoffenen Hafenstadt Hamburg. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sprach dann auch von einer „großen Ehre“. „Unsere Erwartungen an die Außenwirkung dieser hohen Tradition wurden bisher weit übertroffen“, sagte er.
Große Veränderungen in der Speicherstadt konnte Scholz nicht präsentieren
Große Veränderungen seit Aufnahme in der Unesco-Liste konnte Scholz seinem Parteifreund bei einem anschließenden kurzen Rundgang jedoch noch nicht präsentieren: Schilder mit dem Hinweis „Weltkulturerbe“ oder gar ein Info-Zentrum sucht man noch vergeblich in der Speicherstadt. Viel geändert hat sich hier noch nicht, heißt es oft, wenn man in den Betrieben dort nachfragt. Jedenfalls nicht mit konkreten Bauten. „Was man aber merkt, ist, dass die Besucher mehr und internationaler geworden sind“, sagt Lars Winkler vom Restaurant Schönes Leben, das als Pionier der inzwischen gut entwickelten Gastroszene gilt.
Außenminister besucht die Speicherstadt
Und tatsächlich dürfte seit der Verleihung des Titels im Juli vor einem Jahr die Speicherstadt Ziel von mehr Menschen gewesen sein, als jemals zuvor. Mal Weltkulturerbe anschauen – allein das dürfte zu einem Spaziergang durch die Reihen der wilhelminischen Backsteingotik locken. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht, aber Indizien: So schätzt Klaus Hadaschik, Chef der Immobilienabteilung des Hafenkonzerns und Speicherstadt-Eigentümerin HHLA, aufgrund seiner Gespräche mit Mietern, dass seit vergangenem Jahr gut 15 Prozent mehr Besucher in die Museen und Restaurants gekommen sind als in den Jahren zuvor.
Sehr deutlich wird dies am Beispiel des Speicherstadtmuseums (Am Sandtorkai 36). Nach einem Umzug war die Besucherzahl dort zunächst von durchschnittlich 57.000 auf 52.000 pro Jahr eingebrochen. Doch dann sprang die Zahl 2015 plötzlich auf 64.000. Und in der ersten Hälfte dieses Jahres verzeichnete das kleine aber sehr schöne Museum sogar einen Zuwachs um 5000 Besucher mehr im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015. „Das führen wir ganz signifikant auf den Titel zurück“, sagt der Historiker Ralf Lange, der wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Museum ist.
Ein eigener Weltkulturerbe-Beauftragter wird eingestellt
Außer höheren Besucherzahlen hat allerdings auch der Speicherstadt-Experte noch keine sichtbaren Veränderungen registrieren können. „Das geht jetzt alles seinen ruhigen, bürokratischen Gang“, sagt er. Da dürfte etwas dran sein. Wesentliche Posten für die Weltkulturerbe-Bewerbung werden laut Kulturbehörde gerade erst jetzt in den Haushaltsberatungen für 2017 verhandelt. Unter anderem soll dazu für rund 700.000 Euro ein Weltkulturerbe-Zentrum gebaut werden. Noch im Juli soll dazu ein eigener Beauftragter für das Weltkulturerbe eingestellt werden.
Daneben hatte die Kulturbehörde gemeinsam mit Hamburg Marketing kleinere Projekte auf den Weg gebracht, um mit dem Titel um Touristen zu werben: Flyer wurden dazu gedruckt, Gästeführer geschult und auch Pressereisen organisiert, um Speicherstadt und Kontorhausviertel als Reiseziel weltweit publik zu machen. Und genau darin dürfte wohl auch der größte wirtschaftliche Nutzen für die Stadt liegen.
Extra Geld von der Unesco gibt es durch die Verleihung eines solchen Titels nicht. Dazu ist die Weltorganisation zu spendabel mit der Vergabe, allein in Deutschland gibt es rund 40 Weltkulturerbe-Stätten.
Bald dürften noch mehr Besucher durch die Speicherstadt schlendern
Aber es ist die Ehre, die zählt. Der Tourismus in Hamburg gilt in Hamburg als außerordentlich wichtiger Geschäftszweig, der laut der städtischen Hamburg Tourismus GmbH bei einem Nettoumsatz pro Jahr von rund 5,3 Milliarden Euro pro Jahr ähnliche Umsätze macht wie die Schifffahrt. Die Hamburg Touristik GmbH wirbt daher inzwischen auch gezielt mit dem Weltkulturerbe-Titel und bietet spezielle Pakete an. Ein Angebot, das offensichtlich gut ankommt, wenn man sich die Bewertungen auf der Internetseite des Unternehmens anschaut: „So einen Mix aus Handel, Venedig und Geschichte findet man meiner Meinung nirgendwo“, hat beispielsweise ein begeisterter Speicherstadt-Tourist notiert.
So dürften künftig noch mehr Besucher durch die Speicherstadt schlendern, die bereits seit 1991 unter Denkmalschutz steht. „Wir haben hier schon immer stark auf den Denkmalschutz geachtet“, sagt HHLA-Immobilienchef Hadaschik. Und wer an den zwischen 1885 und 1917 gebauten Backstein-Speichern vorbeischlendert, wie heute der Außenminister, sieht noch immer die typischen goldenen Firmenschriftzüge und traditionellen Klingelknöpfe.
Nur klassische Lagerbetriebe sucht man eben meist vergebens. „Urban Electrics“ oder „High-End-Fashion“ steht dort heute. Allenfalls Teppichhändler sind noch vom traditionellen Hafenbetrieb übrig geblieben, aber ihre Zahl ist von einigen Hundert auf gut 50 geschrumpft. Museen, Modefirmen, Gastronomie und Büros sind stattdessen inzwischen hier eingezogen, während die klassischen Lagerbetriebe in moderne Hallen weiter südlich verlagert wurden. Seit die Speicherstadt 2003 aus dem Freihafen herausgenommen wurde, hat sich ihr Inneres zwar gewandelt – die Fassaden sehen indes noch aus wie im 19. Jahrhundert, als der Ort eines der modernsten Logistikzentren seiner Zeit war. Ein Erbe, das Hamburg mit neuem Leben gefüllt hat.