Kommt der Dachgarten auf dem Feldstraßenbunker? Die Entscheidung sagt viel über Hamburg aus.

Vor zehn Jahren gab es einen Ort, der den Reiz der Hansestadt mit dem Zauber des Fußballs vermählte. Auf das Dach des Feldstraßenbunkers lud während der Weltmeisterschaft 2006 der Fensterhersteller Velux in seine Lounge. Dort oben in 39 Metern Höhe stand plötzlich eine Bar, ein Beach-Club, ein Ausguck aufs Fanfest. Das alles klang zunächst nach einer bescheuerten Idee, bei der Eröffnung der Lounge regnete es Hunde und Katzen. Und die anwesenden Medienvertreter rätselten, was das größere Fiasko wird: Die Fußball-Weltmeisterschaft im misslaunig-verregneten-ausländerfeindlichen Deutschland oder ein Veranstaltungsort ausgerechnet auf einem Nazi-Hochbunker. Zehn Jahre später ist jeder froh, der dabei sein durfte.

Auf ein großes Sportfest wird die Stadt vorerst verzichten müssen, aber mit dem Ausblick vom Feldstraßenbunker könnte es bald etwas werden. Eine Initiative um den Investor Thomas Matzen möchte den Bunker aufstocken und mit einem großen Dachgarten begrünen („Hilldegarden“). Die Idee kommt aus dem Stadtteil und setzt da an, wo es dem Stadtteil St. Pauli mangelt: Endlich würde ein großer Park mit Gemeinschaftsflächen inklusive Gemüseanbau entstehen; im Aufbau soll eine Sporthalle Platz finden, die sich der Verein im Viertel seit Langem wünscht. Natürlich will Thomas Matzen Geld verdienen, und die Stadt sollte nicht aus purer Begeisterung den Erbbaurechtsvertrag verlängern. Aber der Wunsch des Investors, Gewinne etwa durch ein Hotel zu erzielen, ist noch nicht einmal auf St. Pauli verboten – vor allem dann nicht, wenn Investor wie Allgemeinheit davon beide profitieren.

Feldstraßenbunker grün oder grau – die Entscheidung naht

Doch die Bezirkspolitik zaudert. Die Behörden prüfen und prüfen. Das regierende SPD/Grünen-Bündnis in Mitte liefert sich einen Wettbewerb der Bedenkenträgerei. Seit der Olympia-Schlappe scheut die Politik offenbar prinzipiell, für etwas zu sein. Besser im Stillstand verharren und eine Stadt der eingeschlafenen Füße zu regieren, als etwas mutig zu entscheiden, das am Ende die Wähler gegen sich aufbringen könnte. Vielleicht kann man mit dieser Politik, die eher einer Politikverweigerung gleicht, eine Wahl gewinnen. Die Zukunft aber wird man mit dieser Strategie verlieren. Selbst nicht eben konfliktscheue Parteigrößen wie der mächtige SPD-Mitte-Mann Johannes Kahrs twittert bedenkenträgerisch: „Der Bunker ist jetzt ein Denkmal, ne klare Sache. So ein Grünschleier zerstört den Eindruck.“ Ansonsten lässt er verlauten: „Hm, hmmm, naja, nun ja.“

Nun ja. Ist das noch die Avantgarde der Kritik oder doch eher ein Neo-Biedermeier? Kaschiert der Denkmalschutz am Ende den eigenen Kleinmut? Immerhin verschwände ja kein Gedenkort, sondern entstünde erst. Der Bunker an der Feldstraße wurde nach dem Krieg um- und ausgebaut, zwischenzeitlich sollte er in den 90er- Jahren sogar dem Erdboden gleichgemacht werden. Das Schicksal der Zwangsarbeiter, die das Betonmonstrum 1942 errichten mussten, wurde bis jetzt vergessen, die schwierige Geschichte des Nazi-Denkmals und Schutzraums verdrängt. Erst seit „Hilldegarden“ läuft der Prozess der Aufarbeitung hin zu einer Gedenkstätte.

Das ficht die Denkmalschützer nicht an. Der Bunker „sollte als mahnendes und unverfälschtes Bauwerk erhalten bleiben ... Das Projekt einer Aufstockung und Begrünung würde den Mahnmalcharakter des Denkmals nicht nur beeinträchtigen, sondern vollkommen unkenntlich machen“, warnt der Denkmalrat. Als 2013 im Rahmen der IBA auf dem Bunker in Wilhelmsburg ein Café mit Aussichtsterrasse entstand, störte sich niemand daran. Die Medien reagierten geradezu verzückt angesichts eines „spektakulären Umbauprojekts“ einer „Kriegsruine“. Heute warnen und mahnen die überregionalen Feuilletons. Längst ist der Protest spannender als die Idee. Das „Nein“ tanzt auf offener Bühne, das „Ja“ spielt nur die Nebenrolle. Verhindern ist sexy, Gestalten nicht.

Hamburg wird sich entscheiden müssen, was aus dem Feldstraßenbunker werden soll. Ein Denkmal der Janusköpfigkeit der Geschichte, ein Bunker als Garten. Oder ein Denkmal für die Betonköpfe, ein Bunker als Symbol für die Unbeweglichkeit des Denkens.