Hamburg . Die neue Domwache wurde am Montag eingeweiht – nach jahrelangen erbitterten Auseinandersetzungen mit dem Fußball-Club.

Die Übergabe von Vereinswimpeln gehört zu den gewohnten Pflichten eines Sportfunktionärs. Doch als Jochen Winand, Vizepräsident des FC St. Pauli, am Montag um 12.34 Uhr Innensenator Andy Grote (SPD) das Kunststoff-Fähnchen des Kiezclubs in die Hand drückte, konnte von Routine keine Rede sein. Die Geste bei der Einweihung der Domwache auf dem Heiligengeistfeld war der symbolische Schlusspunkt jahrelanger Streitigkeiten, die zwischendurch sogar den Ausbau des Millerntorstadions gefährdet hatten.

Dabei ist die 4,4 Millionen Euro teure Domwache im Schatten des Stadions alles andere als spektakulär, sondern gehört mit Flachdach und zwei Geschossen eher in die Rubrik Zweckbau. Drinnen sind nüchterne Büros sowie karge Arrestzellen für randalierende Dom-Besucher oder Fußballfans. Auffällig sind allein die stilisierten Fußballer-Graffitis an den Außenwänden.

Gekämpft wurde indes um diesen Bau mit einer Verbissenheit, die eher an die zahlreichen Kämpfe gegen den Abstieg auf dem benachbarten Rasen erinnerten.

Corny Littmann hatte der Stadt 2006 eine Wache im Stadion zugesichert

Begonnen hatte alles mit einem mündlichen Versprechen des ehemaligen Vereinspräsidenten Corny Littmann. Der Theatermacher hatte der Stadt 2006 zugesichert, dass die Polizei nach dem Umbau des völlig maroden Stadions in die neue Gegengerade einziehen darf. Littmann brauchte damals dringend einen guten Draht zum Senat – aus eigenen Mitteln hätte der Kiezclub sein ambitioniertes Bauprojekt niemals stemmen können. Die Hamburger Bürgerschaft hatte 2006 einen Zuschuss von 5,5 Millionen Euro bewilligt, dazu Bürgschaften.

Der Leiter des Polizeikommissariates 16, Polizeioberrat Peter Lewandowski (l-r), Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), und der Geschäftsführer der Sprinkenhof GmbH, Martin Görge bei der Eröffnung der Domwache
Der Leiter des Polizeikommissariates 16, Polizeioberrat Peter Lewandowski (l-r), Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), und der Geschäftsführer der Sprinkenhof GmbH, Martin Görge bei der Eröffnung der Domwache © dpa | Bodo Marks

Während die Arena Bauabschnitt für Bauabschnitt moderner und schöner wurde, spielte das Versprechen Littmanns öffentlich keine Rolle mehr. Dieses geriet erst 2012 beim Bau der Gegengerade auf die Agenda, als die aktive Fanzszene mit Erfolg gegen die Wache mobilisierte. Schließlich wäre die Polizei in unmittelbarer Nachbarschaft der Fanräume eingezogen. Und Totenkopf und Schlagstock, so das Argument, würden nun wirklich nicht zusammenpassen. Zudem bräuchte man den Platz unbedingt für ein vereinseigenes Museum.

Für den damaligen Innensenator Michael Neumann ein Unding. Sehr bestimmt erinnerte er den Vorstand an die Zusage. Littmann war zwar zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Amt – aber ein Versprechen gilt eben auch über den Rücktritt hinaus. Unmissverständlich machte der Sozialdemokrat der Vereinsführung klar, dass der Senat auf eine kostengünstige Herberge für die Polizei bestehe. „Der Zeitdruck für eine Einigung war am Ende enorm“, sagt Winand – vor allem durch den Abriss der alten Nordtribüne, dem letzten Bauabschnitt 2014. Das Problem: Die eigentlich naheliegende Lösung – der Verein stellt der Polizei einen Neubau genau an die Stelle der alten Domwache hin – kam für den Kiezclub nie in Betracht. „Das Bauherren-Risiko wäre für uns viel zu groß gewesen“, sagt Winand. Schließlich liegt das Grundstück genau über der Tunnelstrecke der U-Bahnlinie 3.

Der Kompromiss ist komplex

Der Kompromiss, auf den sich dann Politik und Verein verständigten, ist jetzt so komplex wie taktische Anweisungen des Trainer-Gurus Pep Guardiola. Die Stadt stellt das Grundstück zur Verfügung, die Sprinkenhof GmbH, die Immobilienholding der Stadt, baut die Wache und vermietet sie an den FC St. Pauli. Der wiederum macht Untermietverträge mit Polizei und Deutschem Roten Kreuz (DRK), einem Stromanbieter, dem Toilettenhausbetreiber und dem Dom-Referat, die das Gebäude ebenfalls nutzen. Allerdings sind die Konditionen so verhandelt, dass der Club ordentlich draufzahlt. Winand will zu den genauen Konditionen keine Angabe machen; 2014 lagen die internen Schätzungen des jährlichen Mietverlustes nach Abendblatt-Informationen bei 150.000 Euro. Einen Teil der Kosten übernehmen die Dauerkarteninhaber durch einen kleinen Aufschlag bei den Tickets.

Senator Grote ist wie Sprinkenhof-Chef Martin Görge von einer „win-win“-Situation überzeugt: „Alle Seiten können mit diesem Kompromiss leben.“ Auch der FC St. Pauli, dessen Interessen Grote nicht nur als Senator wichtig sind: Der Sozialdemokrat ist schließlich auch Vereinsmitglied. Er muss jetzt noch mehr hoffen, dass sein Club weiter ordentlich wirtschaftet. Denn laut Vertrag muss seine Behörde einspringen, falls sich der Club das Mietgeschäft nicht mehr leisten kann.

Als Sieger darf sich definitiv Polizeioberrat Peter Lewandowski fühlen, als Chef des Polizeikomissariats 16 auch für die neue Domwache verantwortlich: „Unsere Kolleginnen und Kollegen haben jetzt optimale Räume.“ Die erste Bewährungsprobe steht für die Domwache am Sonntag bevor, dann startet das EM-Fanfest auf dem Heiligengeistfeld. Die Polizei hofft unterdessen, dass die Fußballer-Graffiti unbeschadet weiter leuchten. Die ersten Schmierereien gab es bereits.