Hamburg. Sabine P. musste Deutsche Bank-Kunden Ramsch-Fonds aufschwatzen. Die Verluste glich sie aus, indem sie Geld von einem Konto stahl.

Widerwillig drehte die Anlageberaterin der Deutschen Bank am Eppendorfer Klosterstern ihren Kunden risikobehaftete Finanzprodukte an, darunter Lebensversicherungen oder geschlossene Schiffsbeteiligungen. Schmierten die Wertanlagen ab, was sie regelmäßig taten, blieben ihre Kunden auf mitunter immensen Verlusten sitzen.

Ältere Menschen, die Sabine P. ins Herz geschlossen hatte, verloren so auf einen Schlag Zehntausende Euro. Weil sie das nicht hinnehmen mochte, buchte sie fast 370.000 Euro vom Konto einer vermögenden Bankkundin auf die Konten der Betroffenen um. So schilderte es die Angeklagte: „Ich fühlte mich verantwortlich.“

Sabine P. zweigte auch Geld für sich selbst ab

Die an Robin Hood erinnernde, gleichwohl kriminelle Aktion war indes nicht nur von Selbstlosigkeit getragen: Mehr als 140.000 Euro transferierte Sabine P. auf ihr eigenes Konto. Am Montag stand die 44-Jährige wegen Betrugs und Urkundenfälschung vor Gericht.

Fast 20 Jahre lang war Sabine P. bei der Deutschen Bank im normalen Kundenbereich tätig. Sie galt als integer und freundlich, mit einigen Kunden war sie per Du. „Sie war die gute Seele des Klostersterns“, sagte ihr ehemaliger Kollege Fabian T. im Zeugenstand. So hätte es weiterlaufen können.

Doch statt am Schalter Überweisungen entgegenzunehmen, sollte Sabine P. von 2008 an riskante Anlagen und Wertpapiere an den Mann bringen. Mit der Aufgabe fühlte sie sich rasch überfordert, außerdem lastete ein enormer Druck auf der labilen Frau. Kein Tag sei vergangen, an dem ihr Vorgesetzter nicht genau wissen wollte, ob sie die Zielvorgaben einhalte, sagte Sabine P. unter Tränen. Dabei habe den Chef am meisten interessiert, ob für die Bank am Ende die Höhe der Provision stimmte. „Es hieß, mein Platz sei nur gerechtfertigt, wenn ich die Zahlen bringe“, sagte die Angeklagte.

Geschädigte merkte nicht, dass Geld verschwand

Etliche der geschlossenen Fonds, die sie verkaufte, stellten sich als kompletter Ramsch heraus. Sabine P. traute sich jedoch nicht, ihren Kunden reinen Wein einzuschenken. Zunächst habe sie noch versucht, die Verluste durch Kreditlinien auszugleichen und die Papiere auf dem Zweitmarkt loszuwerden. Weil das aber nicht funktionierte, buchte sie über drei Jahre immer wieder Beträge – zum Teil Tausende Euro – vom Konto der Sozialpädagogin Kristina L. auf die Konten jener Kunden um, deren Anlagen Verluste eingefahren hatten. Teilweise fälschte Sabine P. dafür sogar Unterschriften.

Einmal angefangen verlor sie schnell die Kontrolle über die Geldflüsse – dennoch dauerte es drei Jahre, bis der Betrug aufflog. Kristina L. merkte nicht einmal, dass im Laufe der Zeit 512.480 Euro ihres Vermögens verschwanden. „Ich hatte Frau P. vertraut und mich nicht weiter um mein Konto gekümmert“, sagte sie am Montag. Zudem überwies Sabine P. 143.500 Euro auf ihr eigenes Kreditkartenkonto, nachdem sie das Geld kurzzeitig auf einem weiteren Kundenkonto „zwischengeparkt“ hatte. „Wirre Sachen“ habe sie mit dem Geld angestellt: Reisen finanziert, Markenklamotten gekauft und einen erheblichen Teil sogar gespendet „Irgendwann habe ich abgeschaltet, lebte nur noch in meiner Traumwelt“, sagte die Angeklagte.

99 Kunden betroffen

Die Sache flog auf, als eine Kundin wegen einer irregulären Kontobewegung bei der Bank nachhakte. Nach kurzer Recherche dämmerte den Verantwortlichen, dass es sich keineswegs um einen Einzelfall handelt. Mit den Vorwürfen im November 2013 konfrontiert, zeigte sich die 44-Jährige sofort selbst an. Eine vom Frankfurter Mutterhaus eingesetzte Taskforce ermittelte 99 betroffene Kunden, von denen die meisten begünstigt worden waren. Die Deutsche Bank hat Kristina L. inzwischen „vollumfänglich entschädigt“ und von den zu Unrecht begünstigten Kunden das Geld zurückgefordert.

Sie habe das Vertrauen ihrer Kunden und ihres Arbeitgebers missbraucht, das tue ihr leid, sagte Sabine P. Das Schöffengericht nahm ihr die Reue ab und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Für die 44-Jährige ist es seit dem Fiasko zwar aufwärtsgegangen. Sie befindet sich in Therapie und hat einen neuen Job in der Finanzbranche. Doch mit dem milden Urteil ist die Sache noch längst nicht ausgestanden: Die zivilrechtliche Auseinandersetzung mit der Deutschen Bank kommt erst noch.