Hamburg. St. Paulis SPD will verhindern, dass Spekulanten mit Grundstücken an der Reeperbahn handeln statt diese zu entwickeln.

Mit einer neuen Verordnung will die SPD St. Pauli Eigentümern Grenzen setzen, die ihre Grundstücke aus reinen Spekulationszwecken über Jahre brach liegen lassen. Eine „Vorkaufsverordnung“ für den Bereich der Reeperbahn würde der Stadt ein Vorkaufsrecht an unbebauten Grundstücken einräumen. Anlass für den Vorstoß ist die seit 2003 bestehende Baulücke des ehemaligen Apollo Wellenbads am Spielbudenplatz.

Es wäre die erste Verordnung dieser Art in Hamburg. Mit einem Vorkaufsrecht kann die Stadt Druck auf den Eigentümer ausüben: Will er verkaufen, kann sie das Grundstück entweder zum vereinbarten Kaufpreis oder, falls dieser den Verkehrswert wesentlich übersteigt, zum Verkehrswert erwerben. „Über das Vorkaufsrecht könnten wir denjenigen Einhalt gebieten, die leere Grundstücke nicht entwickeln, sondern nur teuer weiterverkaufen wollen“, sagt Carl Philipp Schöpe, baupolitischer Sprecher der SPD-Bezirksfraktion. „Darüber hinaus würde es den Einfluss der Öffentlichkeit an diesem besonderen Ort stärken. Das würde auch der städtebaulichen Bedeutung der Reeperbahn gerecht.“

Die Möglichkeit einer Vorkaufsverordnung werde zurzeit vom Rechtsamt des Bezirks geprüft, so Schöpe. Bei positivem Ergebnis müsste auch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen von Senatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) grünes Licht geben, einen entsprechenden Entwurf erarbeiten und in den Senat einbringen. Die Verordnung würde dann vom Senat erlassen, so wie zum Beispiel eine Soziale Erhaltungsverordnung.

Unbebaute Grundstücke sind immer wieder ein Ärgernis auf St. Pauli. Nachdem die Heiße Ecke nach jahrelangem Leerstand nun endlich bebaut werden soll, nimmt die SPD jetzt auch die zweite „ewige Baulücke“ zwischen Schmidt Theater und Schmidts Tivoli schräg gegenüber ins Visier. Ende der 80er-Jahre hatte der Unternehmer Rolf Mahnke dort das Gebäude des ehemaligen Apollo Wellenbads gekauft. Zunächst wollte er das Gebäude abreißen lassen und eine Spielhalle eröffnen, trat dann mit anderen Nutzungsabsichten an die Öffentlichkeit, darunter ein Restaurant mit 20 Stockwerken. Doch keiner der Pläne war umsetzungsreif. Der von Mahnke beantragte Abriss wurde vom Bezirk nicht genehmigt. Um beim Neubau des angrenzenden Schmidt Theaters Platz für Baufahrzeuge zu schaffen, wurde das Gebäude 2003 dann doch abgerissen, nur die Fassade blieb stehen.

Seither tat sich – nichts. „Hier wird mitten im Herzen von St. Pauli seit Jahren mit einem Grundstück spekuliert. Das ist unerträglich“, sagte der damalige SPD-Fraktionschef und heutige Bezirksamtsleiter Falko Droßmann im August 2014. Für CDU-Fraktionschef Gunter Böttcher stand fest: „Dieser Zustand muss beendet und die Fläche wieder bebaut werden.“

Die Reeperbahn sei „ein einmaliger Ort, dessen Zukunft die Menschen weit über St. Pauli hinaus interessiert“, sagt Henriette von Enckevort, SPD-Bürgerschaftsabgeordnete für St. Pauli, zu der neuen Idee. „Es kann nicht angehen, dass Einzelne die Entwicklung hier durch Spekulation gefährden. Wir wollen eine lebendige Reeperbahn. Da sind leer stehende Grundstücke das Letzte, was es braucht.“

Das Grundstück
zwischen Schmidt
Theater und
Schmidts Tivoli
liegt seit 2003
brach, nur die
denkmalgeschützte
Gründerzeitfassade
steht noch
Das Grundstück zwischen Schmidt Theater und Schmidts Tivoli liegt seit 2003 brach, nur die denkmalgeschützte Gründerzeitfassade steht noch © HA | Irene Jung

Offenbar will man in der SPD jede Möglichkeit prüfen, um dem entgegenzuwirken. Auch über eine zweite Option wurde bereits nachgedacht: Mit einem Baugebot können Kommunen die Eigentümer von Brachen und Baulücken nach Paragraf 176 Baugesetzbuch verpflichten, die Fläche zu bebauen. Der Eigentümer muss dann innerhalb gesetzter Fristen einen Bauantrag einreichen. Kommt er dem nicht nach, kann er enteignet werden.

Die Hürden dafür liegen allerdings hoch. Auch ein Baugebot ist ein schwerer Eingriff in das private Eigentumsrecht, und bisher wurde es in Hamburg noch nie durchgesetzt. „Man müsste eine städtebauliche Erforderlichkeit nachweisen, die Bebauung muss für den Eigentümer auch wirtschaftlich zumutbar sein“, sagt Schöpe. Nach dem geltenden Planungsrecht liegt das Grundstück überdies in einem Gewerbegebiet G4 (Gewerbebebauung mit vier Geschossen). „Wohnungsbau wäre hier also nicht zulässig“, sagt Bezirkssprecherin Sorina Weiland.

Ingolf Goritz (Die Grünen), Mitglied des Bauausschusses im Bezirk Mitte, sieht das nicht so pessimistisch. Zum Spielbudenplatz hin sei Wohnungsbau sicher nicht möglich, „aber auf dem rückwärtigen Grundstücksteil an der Kastanienallee könnte man sich durchaus Gedanken darüber machen“, sagt Goritz. Für ein kleineres Wohnobjekt, das an die Kastanienallee angrenzt, könne wahrscheinlich eine Befreiung vom geltenden G4-Planungsrecht erreicht werden, da dort ohnehin Wohnhäuser angrenzen. Denn die Zeiten hätten sich geändert: Hamburg brauche Platz für weitere 40.000 Flüchtlinge. „Vor diesem Hintergrund würde ein Verwaltungsgericht ein Baugebot vielleicht anders bewerten als vor fünf Jahren“, so Goritz.

Für das Gelände hatte es schon mehrere Interessenten gegeben. Aber offenbar kam Rolf Mahnke mit keinem ins Geschäft. Dabei hat das Areal eine schillernde Geschichte. Es begann 1882 mit einer Konzerthalle, von 1900 bis 1914 residierte hier die berühmte Hamburg-Amerika-Bar. 1934 eröffnete „Deutschlands modernstes Sportbad“, hier lernten Generationen von Paulianern das Schwimmen, bevor die Wasserwerke das Bad 1980 schlossen. Nur die denkmalgeschützte Gründerzeitfassade existiert noch.