Hamburg. Die neuen Westen müssen Polizeibeamte auf Streife tragen. So soll nach den Silvester-Übergriffen das Sicherheitsgefühl gestärkt werden.
Eine modische Veränderung soll für mehr Sicherheit in Hamburg sorgen: Die Polizei plant, ihre Beamten künftig im gesamten Innenstadtbereich mit neonfarbenen Signalwesten auszustatten. „Wir wollen die Sichtbarkeit der Polizisten in belebten Bereichen erhöhen und damit auch das Sicherheitsgefühl der Bürger stärken“, sagte die Polizeisprecherin Tanja von der Ahé dem Abendblatt.
Polizei zeigte nach Silvester-Übergriffen hohe Präsenz auf St. Pauli
Die Beamten sollen die Westen im Streifendienst und bei besonderen Einsätzen „nach taktischen Erwägungen“ über der Uniform tragen. Auch außerhalb der Innenstadt werden Bereitschaftspolizisten bei sogenannten Präsenzdiensten auf diese Weise in Zukunft deutlich besser sichtbar. Innensenator Andy Grote (SPD) bezeichnete die Anschaffung gegenüber Gewerbetreibenden als „einfache und sinnvolle Idee“. So könnten etwa Opfer von Taschendieben in der Innenstadt den nahesten Polizeibeamten deutlich schneller erkennen als bisher.
Nach den Übergriffen in der Silvesternacht hatten die Polizeibeamten bereits auf St. Pauli massive Präsenz mit reflektierenden Jacken gezeigt. Der Publikumsverkehr brach zu Beginn des Jahres massiv ein, erholt sich aber seit einigen Wochen wieder. „Es ist ganz wichtig, dass man die Beamten derzeit auch in der Dunkelheit gut sehen kann. Dass die Opfer in der Silvesternacht nicht direkt zu den Beamten am Ende der Großen Freiheit gekommen sind, hat das Geschehen für uns noch viel schlimmer gemacht“, heißt es aus dem Polizeipräsidium.
Polizeigewerkschaften sehen den neuen Dresscode mit anderen Augen
Bereits im vergangenen Jahr ordnete Polizeipräsident Ralf Martin Meyer nach einer Amerikareise ein Pilotprojekt zu dem Thema an. Zuletzt wurden in Wandsbek verschiedene Farben und Materialen probeweise von Polizisten verwendet. „Die endgültige Entscheidung über ein Modell steht noch bevor“, sagt Sprecherin von der Ahé. Sobald diese getroffen sei, würde eine entsprechende Menge an Jacken angeschafft. Die Kosten hierfür ließen sich noch nicht abschätzen.
Die Polizeigewerkschaften stehen der Neuerung uneinheitlich gegenüber. „Gegen die Einführung solcher Westen ist nichts einzuwenden“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Westen bringen aber keine zusätzlichen Polizisten.“ Ähnlich sieht es der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard Kirsch: „Ich würde mir außerdem lieber die weißen Dienstmützen zurückwünschen, um die Sichtbarkeit zu verbessern. An den eigentlichen Problemen ändert eine solche Maßnahme gar nichts.“
Hamburger Polizeibeamten schieben Millionen von Überstunden vor sich her
Das Thema Präsenz ist seit Jahren auf dem Tisch. Ein Programm, durch das vor vier Jahren 100 Beamte zusätzlich auf die Straße gebracht werden sollte, konnte nur zäh, oft gegen Widerstände betroffener Polizisten und unvollständig umgesetzt werden. Entsprechende Versuche seien immer wieder an den Notwendigkeiten in der Polizeiverwaltung gescheitert, sagt Lenders. Der Gewerkschaftschef Gerhard Kirsch sieht alle Möglichkeiten durch Umverteilung ausgeschöpft: „Sie können nicht noch mehr Beamte auf die Straße versetzen, da die Aufgaben in der Verwaltung eher wachsen als schrumpfen“, sagte Kirsch.
Unklar ist auch oft, was überhaupt unter dem Begriff Präsenz zu verstehen sei. „Die Last der Präsenz liegt zu einem großen Teil bei den Schichten der Wachen, die rund um die Uhr die Streifenwagen besetzen oder als Verstärkungskräfte durch die Bereitschaftspolizei ebenfalls im Schichtdienst im Einsatz sind“, sagt Lenders. „Das sind die Polizisten, die in erster Linie mit dem Bürger zu tun haben.“ Inzwischen schieben die Hamburger Beamten mehr als eine Million Überstunden vor sich her, ein großer Teil davon im Bereich von Bereitschafts- und Schutzpolizei.
Belastung der Polizeibeamten steigt weiterhin
Der Senat räumte in der Vergangenheit ein, dass die Belastung für die Beamten deutlich gestiegen sei. Zur Hamburger Polizei gehören rund 8000 Beamte, hinzu kommen etwa 2000 Angestellte im Polizeidienst. Angesichts der Flüchtlingskrise wurden zuletzt 50 pensionierte Beamte zurück in den Dienst versetzt. Bis 2019 soll die Zahl der Polizeianwärter schrittweise von 325 auf 425 jährlich erhöht werden.
Für den innenpolitischen Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator, reichen diese Maßnahmen nicht aus. Der Senat verschiebe nur Mängel innerhalb des Polizeiapparats. „Irgendwann reicht es nicht mehr, eine Tischdecke immer notdürftig hin und her zu ziehen. Dann muss man eine neue kaufen“, sagte Gladiator.