St. Pauli. Nach den Silvester-Übergriffen zeigt die Polizeipräsenz jetzt Wirkung: Reeperbahn-Bummler so zahlreich wie zuvor. Kampagne geplant.
So richtig scheinen sie nicht zu verstehen, was gerade mit ihnen passiert. Ein hochgewachsener Polizist mit gelber Warnweste fordert die beiden Männer erneut auf, die Hosenbeine langsam nach oben zu krempeln und die Mütze vom Kopf zu nehmen. Nur zögerlich und äußerst widerwillig kommen beide der Aufforderung nach. Über Funk werden in der Zwischenzeit die Daten der Betroffenen überprüft. „Wenn nichts gegen Sie vorliegt, dürfen Sie gehen.“
Auch zwei Wochen nach Bekanntwerden der sexuellen Übergriffe auf junge Frauen in der Silvesternacht setzt die Polizei ihre massiven Kontrollen auf St. Pauli fort. Allein in der Nacht auf Sonntag sind mehr als 100 Beamte im Einsatz. Insgesamt werden Freitag- und Sonnabendabend 573 Personen überprüft und 65 Aufenthaltsverbote ausgesprochen. Acht Menschen kommmen in Gewahrsam. Auch die Reiterstaffel ist erneut unterwegs.
Die Präsenz der Polizei erhöht offenbar das Sicherheitsgefühl vieler Kiezbummler. Am späten Sonnabend herrscht auf der Großen Freiheit zwischenzeitlich dichtes Gedränge. In Clubs wie Shooters, Superfly oder Halo tanzen schwitzende Körper dicht an dicht. Auf der Straße wird Junggesellinnenabschied mit Hochprozentigem gefeiert. „Es sind wieder sehr viele junge Frauen unterwegs“, freut sich Kiezgastronom Christian Fong (u. a. Dollhouse, Shooters, Safari Bierdorf). „Die Polizei ist da, und das ist gut so. Die Besucher fühlen sich sicher.“
Massive Umsatzeinbußen nach der Silvesternacht
Für die Club- und Barbetreiber ist das eine gute Nachricht. Sie klagten zuletzt über massive Umsatzeinbußen. Denn obwohl der Januar erwartungsgemäß ein eher besucherarmer Monat ist, seien die Umsätze in den ersten beiden Wochen des Jahres noch einmal deutlich eingebrochen. „Wenn das so weitergeht, ist das der schlechteste Januar, den wir jemals hatten“, sagt Inge Malewitsch, die seit mehr als 20 Jahren in der Kultkneipe Gretel & Alfons das Bier zapft. „Wir müssen etwas tun. Wenn keine Frauen mehr kommen, bleibt bald die ganze Straße leer.“
Wie berichtet, hatten sich Gewerbetreibende aus der Großen Freiheit daher vergangene Woche zu einem internen Sicherheitsgipfel verabredet, an dem auch Vertreter der Polizei teilnahmen. Neben einer engeren Zusammenarbeit verabredete man auch, künftig mobile Türsteher an der Straße einzusetzen. Diese sollen durch Warnwesten oder Armbinden klar erkennbar sein und den Besucherinnen ein Gefühl von Sicherheit geben. „Jeder, der Hilfe braucht, kann sich an uns wenden“, sagt ein beteiligter Türsteher. Im Bedarfsfall würde man die Frauen auch zum Taxi oder zur S-Bahn begleiten.
Anders als zuvor angekündigt, sind seine Kollegen und er an diesem Wochenende jedoch noch nicht auf der Straße unterwegs. „Wir müssen uns erst noch organisieren.“ Die Firma „Security Große Freiheit“, die insgesamt sieben Läden an der Straße bewacht, hat bereits signalisiert, Personal bereitzustellen. Die mobilen Patrouillen sollen vom kommenden Wochenende an im Einsatz sein.
„Wir wollen keine Bürgerwehr und keine Schlägertrupps“
Für Irritationen sorgte allerdings zwischenzeitlich eine Gruppe von 17 Türstehern, die sich in der vergangenen Woche in martialischer Haltung und mit geballten Fäusten auf der Großen Freiheit hatten fotografieren lassen. Die Polizeiführung zeigte sich darüber „beunruhigt“. Und auch auf der Großen Freiheit befürchtet man, das Foto könne die Aktion in Verruf bringen. „Wir wollen keine Bürgerwehr und keine Schlägertrupps“, heißt es von verschiedenen Betreibern einhellig. Alle Beteiligten seien sich einig, dass man in enger Absprache mit der Polizei agieren wolle. „Wir werden nicht deren Arbeit übernehmen.“ Die Aufgabe der Türsteher sei es, Präsenz zu zeigen und den Besuchern Schutz zu geben. Lediglich im Falle einer Straftat könnten die Türsteher die Täter bis zum Eintreffen der Polizei festhalten.
Bis auf die Große Freiheit wird es auf St. Pauli vorerst keine weiteren Patrouillen geben. Jedoch sollen Türsteher in Zukunft auch anderswo auf dem Kiez deutlicher zu erkennen sein. „Dabei könnte es sich entweder um eine Weste oder eine einheitliche farbliche Markierung handeln“, sagt BID-Quartiersmanagerin Julia Staron. „Die Besucher sollen sofort erkennen, wen sie im Notfall ansprechen können. Wir wollen zeigen: Egal, was passiert, wir sind für euch da.“
Des Weiteren arbeite man derzeit an einer Aufklärungskampagne, die Kiezbesucher über mögliche Gefahren informieren und ihnen praktische Tipps an die Hand geben will.