Hamburg. Kran hievt Träger auf Aussichtsplattform. Anfang 2016 wird das neue Geläut aufgehängt, für das Hamburger 350.000 Euro spendeten.

Zusätzliche Stahlträger sollen dem Turm des Hamburger Michels die notwendige Stabilität für zwei neue Glocken geben. Die von außen nicht sichtbare Stützkonstruktion wird in der Kuppel des Hamburger Wahrzeichens montiert. Die 22 Einzelteile wurden mit einem Kran auf die Aussichtsplattform gehoben. „Sie werden diese Woche noch verschraubt und verschweißt“, sagte Frank Fischer von der Ingenieurgesellschaft Sellhorn am Mittwoch. Die etwa fünf Tonnen schweren Träger stabilisieren die acht tragenden Stahlsäulen der Kuppel.

Ein großer Kran hat die Stahlträger auf die Aussichtsplattform gehievt
Ein großer Kran hat die Stahlträger auf die Aussichtsplattform gehievt

Die beiden neuen Glocken liegen zurzeit noch im Kirchenschiff. Anfang nächsten Jahres sollen sie an der neuen Trägerkonstruktion aufgehängt werden. Dann werden sie mit den beiden vorhandenen Uhrschlagglocken ein Glockenspiel mit einer neuen Melodie bilden. Zusammen mit den sechs Läuteglocken im Turm wird die Kirche erstmals seit 1917 wieder über zehn Glocken verfügen.

Glockenklang mit emotionaler Bedeutung

Im Ersten Weltkrieg hatte die Gemeinde die Glocken bis auf eine abgeben müssen. Sie sollten zur Herstellung von Kanonen eingeschmolzen werden. Nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden nie wieder alle Glocken ersetzt. Dank einer Spendenaktion, insgesamt wurden 350.000 Euro gesammelt, konnten die beiden noch fehlenden im vergangenen Juni gegossen und im September im Michel geweiht werden.

Hauptpastor Alexander Röder betonte am Mittwoch die emotionale Bedeutung des Glockenklangs vom Michel für die Hamburger. Es habe keine Kritik an der Erweiterung des Glockenspiels gegeben. „Im Gegenteil, hier ist es so, dass der Uhrschlag für viele Menschen, gerade ältere Menschen im Stadtteil, auch etwas Beruhigendes hat, nach dem Motto: Der Michel ist noch da“, sagte Röder. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Michel im Jahr 1947 die erste Kirche in der Hamburger Innenstadt gewesen, die ihre Glocken wiederbekommen habe. „Das muss damals ein hochemotionales Ereignis gewesen sein.“ Der Pastor erinnerte zugleich an die NDR-Radiosendung „Hafenkonzert“, die jeden Sonntagmorgen den Klang der Michel-Glocken in alle Welt übertrage.

Jedes Jahr 1,3 Millionen Besucher im Michel

Die Gemeinde spricht auch von „Friedensglocken“, denn die Idee zur Aktion kam im Rahmen des Weltkriegsgedenkens auf. Die größere Glocke trägt die Inschrift „Vater vergib!“ in Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch. Es ist der erste Vers des Friedensgebets von Coventry, das nach der Zerstörung der englischen Kathedrale durch deutsche Bomber 1940 entstand. Die Glocken würden ein „Gegengewicht“ zu dem Hurra-Patriotismus bilden, der vor 100 Jahren den Ersten Weltkrieg begleitete, sagte Röder.

Der Michel zählt nach Angaben der Gemeinde 1,3 Millionen Besucher pro Jahr. Rund 800 000 von ihnen besteigen auch den Turm. Die Tickets dafür finanzieren den Unterhalt der Kirche zu 70 Prozent, weitere 20 Prozent kommen aus Spenden und nur 10 Prozent aus Kirchensteuern.