Hamburg. Kulturbehörde hält seit Monaten Ausschau nach einem neuem Museumschef. Dieser muss Vorgänger mit einem beträchtlichem Renommee ablösen.

Es ist kein Job, sondern ein Amt mit beträchtlichem Renommee. Wer Direktor der Hamburger Kunsthalle wird, hat eine Stimme in der Stadt. Und wenn er sich zu Wort meldet, wird er in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wie vielleicht sonst nur noch der Michel-Hauptpastor, die Intendanten der Staatstheater und wenige andere Persönlichkeiten.

Bedeutender und schwieriger Posten

Hubertus Gaßner, der 2006 vom Essener Museum Folkwang nach Hamburg wechselte, erfüllt diese Erwartungen. Er kann aus dem Stegreif über nahezu jedes kunstgeschichtliche Thema druckreif sprechen und versteht es auf vielfältige Weise, die Menschen für die Kunst im Allgemeinen und für das größte Hamburger Kunstmuseum im Speziellen zu begeistern. Bei Gymnasiasten kommt er ebenso gut an, wie bei bildungsbeflissenen Rentnern, und dass er Mäzene und Sponsoren für sein Haus zu gewinnen versteht, zeigte sich gerade jetzt, wo die Kunsthalle mit einer 15 Millionen Sachspende des Unternehmer-Ehepaars Dorit und Alexander Otto sozusagen auf Hochglanz poliert wird.

Doch Hubertus Gaßner erreicht im nächsten Jahr das Rentenalter und gibt daher sein Amt zum 30. Juni 2016 auf. Wer ihm nachfolgt, ist bislang nicht bekannt, vielleicht steht es noch nicht einmal fest. Fest steht nur, dass es hier nicht nur um einen bedeutenden, sondern auch um einen schwierigen Posten geht. Denn in den letzten 20 Jahren sind die Rahmenbedingungen sowohl für das Museum, als auch für dessen Direktor komplizierter geworden.

Das waren die früheren Kunsthallen-Direktoren

Wenn man das Amt eines Hamburger Staatstheater-Intendanten mit dem eines Museumsdirektors vergleicht, gab es in der Vergangenheit Unterschiede in dem jeweils damit verbundenen Risiko und in der Bezahlung. Im Vergleich zu den meist besser besoldeten Theaterintendanten bot der Sessel des Kunsthallendirektors früher allerdings eine Art Lebensstellung. Die Anstellung war unbefristet und mit allen Annehmlichkeiten eines beamteten Dienstverhältnisses ausgestattet. Gründungsdirektor Alfred Lichtwark war 23 Jahre im Amt, sein Nachfolger Gustav Pauli leitete das Museum 19 Jahre, bis ihn die Nationalsozialisten vor die Tür setzten.

Werner Hofmann war knapp 21 Jahre lang Kunsthallen-Chef und sein Nachfolger Uwe M. Schneede immerhin 15 Jahre. Das hat sich mit der 1999 vollzogenen Umwandlung der staatlichen Museen in Stiftungen öffentlichen Rechts geändert. Der letzte Beamte auf dem Direktorenposten war Gaßners Vorgänger Schneede, der die Umwandlung zur Stiftung vollzogen hat. Als Gaßner 2006 nach Hamburg kam, bot man ihm nur noch einen Fünf-Jahres-Vertrag an, der zudem beinahe noch vorzeitig gekündigt worden wäre. Grund dafür war ein Zerwürfnis zwischen dem Kunsthallen-Direktor und der äußerst unglücklich agierenden damaligen Kultursenatorin Karin von Welck.

Zerwürfnisse machen Nachfolgersuche schwierig

Nachdem Gaßner sich 2010 geweigert hatte, eine Liste mit verkäuflichen Kunstwerken aus der Sammlung zu erstellen, und außerdem offengelegt hatte, dass die monatelange Schließung der Galerie der Gegenwart aus Spargründen erfolgt war, und nicht – wie offiziell verlautet – aufgrund des sicherheitstechnisch notwendigen Austauschs der Brandschutzklappen, bekam er vorfristig einen geänderten Arbeitsvertrag zugeschickt. Als er ihn las, traute er seinen Augen nicht und bezeichnete ihn in einem Zeitungsbeitrag als „unsittliches Angebot“.

Demnach sollte er ein Fünftel seines Gehalts gestrichen bekommen, wenn er das Budget seines unterfinanzierten Museums überschreiten würde. Noch eine Woche vor ihrem Rücktritt hatte von Welck den Stiftungsrat einberufen, um Gaßner vor die Tür zu setzen, wozu es nur deshalb nicht kam, weil sich das Gremium als beschlussunfähig erwies. Erst von Welcks Nachfolger Reinhard Stuth verlängerte Gaßners Vertrag zu veränderten Bedingungen.

Auch wenn mit Barbara Kisseler seit März 2011 eine Kultursenatorin im Amt ist, die die Hamburger Museumsszene mit Gespür und Engagement in ein ruhigeres und erfolgreiches Fahrwasser geführt hat, sind die Auseinandersetzungen der jüngeren Vergangenheit noch in frischer Erinnerung. So ist der Posten zwar einerseits für profilierte Museumsleute durchaus erstrebenswert, denn bei der Hamburger Kunsthalle handelt es sich um eines der größten und erfolgreichsten deutschen Kunstmuseen. Andererseits gilt Hamburg aber eben auch als schwieriges Pflaster, auf dem auch ein ambitionierter Museumschef ausrutschen kann, spätestens wenn es ums Geld geht.

Geld bleibt in Kunsthalle heikles Thema

Und Geld ist in mehrfacher Hinsicht ein undankbares Thema, denn einerseits bleibt die Finanzlage der Kunsthalle, die nach wie vor über keinen richtigen Ankaufetat verfügt, weiterhin angespannt. Andererseits ist das Salär, das ein Direktor hier erwarten kann, mit zuletzt zwischen 115.000 und 150.000 Euro vergleichsweise wenig üppig. Für renommierte Museums­macher wie etwa Martin Roth, der 2011 von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zum Victoria & Albert Museum wechselte oder für seinen Dresdner Nachfolger Hartwig Fischer, der im nächsten Frühjahr Chef des British Museums wird, dürften die Hamburger Verhältnisse auch deshalb indiskutabel sein.

Das gilt ganz sicher auch für jemanden wie Christoph Heinrich. Der frühere Kurator der 1997 eröffneten Galerie der Gegenwart war 2007 als Kurator für moderne und zeitgenössische Kunst ans Denver Art Museum gewechselt, welches er seit 2010 als Direktor leitet. Eigentlich wäre er ein idealer Kandidat, da er eine charismatische Persönlichkeit ist, die Kunsthalle bestens kennt, zudem ein exzellenter Ausstellungsmacher, der das internationale Geschäft gut kennt und über Leitungserfahrung verfügt.

Nachdem die Kulturbehörde am 27. Februar eine Stellenanzeige geschaltet hatte, waren – so heißt es – etwa 100 Bewerbungen eingegangen. Die Hälfte davon sei jedoch kaum ernst zu nehmen gewesen. Dennoch habe es eine Reihe interessanter und geeigneter Kandidaten gegeben. Doch bereits das erste Wort des Anzeigentextes dürfte manchen Bewerber nachdenklich gestimmt haben. „Gemeinsam mit dem kaufmännischen Geschäftsführer werden Sie die Stiftung leiten“, heißt es da. Denn mit der Stiftungsgründung wurde 1999 zugleich die Doppelspitze eingeführt, die dem Direktor einen gleichberechtigten kaufmännischen Geschäftsführer zur Seite stellt, der sich um die wirtschaftlichen Belange kümmert.

Nachfolge hängt an Kultursenatorin Kisseler

Das kann man positiv sehen, da sich der Direktor nun voll auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren kann. Weil aber Ausstellungsprojekte und andere Vorhaben immer finanzielle Konsequenzen haben, liegt die Verantwortlichkeit letztlich auch inhaltlich auf beiden Schultern. Und mit Stefan Brandt ist seit 2012 kein genügsamer Betriebswirtschaftler im Amt, der sich nur für Zahlen und Bilanzen interessiert, sondern ein ambitionierter Musikwissenschaftler und Kulturmanager, der neben dem kaufmännischen Bereich auch das interdisziplinäre Programm der Kunsthalle verantwortet, das auch Musik- und Theaterprojekte umfasst.

Voraussichtlich noch in der ersten Novemberwoche wird sich die Findungskommission zu ihrer entscheidenden Sitzung treffen. Mit der Bekanntgabe dürfte in den darauffolgenden Tagen zu rechnen sein. Was Insider hoffnungsvoll stimmt, ist die Tatsache, dass die in der Szene bestens vernetzte Kultursenatorin Barbara Kisseler bei der Besetzung vakanter Museumsposten bisher stets ein gutes Händchen gehabt hat. So gelten Hans-Jörg Czech und Rita Müller, die das Altonaer Museum und das Museum der Arbeit seit 2013 bzw. 2014 ebenso effizient wie konfliktfrei leiten, als glückliche Wahl. Ebenso wie Börries von Notz, der seit Februar 2014 als Alleinvorstand die Stiftung Historische Museen managt und ihr erstmals seit ihrer eher planlosen Gründung ein gemeinsames und zukunftsfähiges Profil verleiht.