Finkenwerder. Trasse ging 2012 in Betrieb. Bürger und Politik ziehen positive Bilanz, obwohl täglich noch 12.500 Autos durch den Ort fahren.
39 lange Jahre hatten die Menschen auf Finkenwerder auf ihre Ortsumgehung gewartet. Im Dezember 2012 war es endlich so weit: Die 5,5 Kilometer lange Trasse, die im südlichen Bogen um Finkenwerder herumführt, wurde feierlich eröffnet. Sie verknüpft die Pendlerstrecke vom Landkreis Stade bis zum Airbuswerk mit dem Anschluss in Hafennähe an der Finkenwerder Straße nahe dem Aluwerk. Der große Tag, auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) war dabei, ist fast drei Jahre her. Zeit für eine Bilanz: „Finkenwerder ist lebenswerter und attraktiver geworden, seitdem es die Ortsumgehung gibt“, sagt Peter Dierking, der mit der Initiative „Ortsumgehung – Jetzt“ für das Vorhaben seit 2001 gekämpft hatte. Der Verkehr durch den Ort sei deutlich zurückgegangen, sagt der Rentner weiter und lächelt zufrieden.
Einige Geschäfte haben leichte Umsatzrückgänge zu verzeichnen
Die positive Entwicklung lässt sich auch mit Zahlen belegen. Vor der Eröffnung der Ortsumgehung wurden am Neßdeich, der durch Finkenwerder führt und beim Flugzeugbauer Airbus endet, rund 19.350 Fahrzeuge am Tag gezählt. Im Mai 2013, also ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme der Straße, waren es noch 12.590. Der Anteil der Lkw hatte sich von 480 auf 240 halbiert. Aktuellere Zahlen liegen laut Richard Lemloh, dem Sprecher der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI), nicht vor.
Auch Rainer Külper ist zufrieden. Der Rechtsanwalt ist der Erste Vorsitzende des Gewerbevereins Finkwarder. „Die Ortsumgehung hat viele positive Effekte für Finkenwerder gebracht, in erster Linie ist natürlich die Lebensqualität dadurch gestiegen“, betont er. Zunächst gab es Befürchtungen bei den Händlern, dass es zu Umsatzrückgängen kommen könnte, wenn weniger Fahrzeuge durch den Ort rollen: „Es hat zum Beispiel bei den Bäckereien leichte Umsatzeinbußen gegeben, aber diese sind nicht existenzbedrohend“, so Külper.
Die Initiative „Ortsumgehung – Jetzt“ hat sich wenige Monate nach der Eröffnung der Ortsumgehung aufgelöst: „Wir hatten unsere Mission erfüllt. Das war ja auch ein langer Weg“, sagt Dierking.
Bereits 1973 hatte der damalige CDU-Kommunalpolitiker Max Lauschner formell einen Antrag in den Ortsausschuss eingebracht und die Forderung der Menschen auf der Elbinsel nach einer Ortsumgehung formuliert.
Der Kern von Finkenwerder war bis zur großen Sturmflut von 1962 eine beschauliche Sackgasse, über die Alte Süderelbe ging es nur mit einer Fähre. Doch nach der Flut wurde dieser Elbarm abgetrennt, es wurde eine neue Straße gebaut, und der Stadtteil wurde zur Durchgangsstation für Pendler und für den Verkehr zu den großen Industriebetrieben, heute vor allem zum Airbuswerk. Für den Flugzeugbauer arbeiten allein auf Finkenwerder rund 13.000 Mitarbeiter, die natürlich einen großen Anteil an dem Verkehr auf der Elbinsel haben, auch wenn rund 5500 von ihnen täglich mit der Airbus-Fähre von der nördlichen Elbseite zur Arbeit fahren.
Für Ralf Neubauer, Vorsitzender der SPD Finkenwerder, steht fest: „Die Ortsumgehung ist durchaus eine Erfolgsgeschichte. Sie könnte allerdings noch erfolgreicher werden, wenn mit dem Ausbau des neuen Airbus-Südtors weiterer Verkehr von der Ortsdurchfahrt auf die Ortsumgehung verlagert wird.“
Der Kommunalpolitiker nennt konkrete Zahlen: „Etwa 3500 Fahrzeuge fahren täglich über das Osttor am Kreetslag auf das Werksgelände. Das Osttor ist über die Finkenwerder Ortsdurchfahrt deutlich schneller zu erreichen als über die Ortsumgehung.“
Bei Airbus ist das Thema bekannt. Zurzeit baut das Unternehmen sein Südtor an der Straße Am Rosengarten aus. Das soll zu einer weiteren Entlastung für Finkenwerder beitragen: „Der regelmäßige Lieferverkehr soll künftig so weit wie möglich das Südtor nutzen. Bereits zur Eröffnung der Umgehungsstraße haben wir unsere Lieferanten angewiesen, nur noch dieses zu nutzen“, bestätigte Airbus-Sprecher Florian Seidel auf Abendblatt-Anfrage. Noch wird der meiste Lieferverkehr über das Osttor an der Straße Kreetslag abgewickelt.
Auch viele Mitarbeiter, die dieses nutzen, fahren durch Finkenwerder, denn die Strecke über die Ortsumgehung ist deutlich länger. Florian Seidel betont, dass Airbus seine Mitarbeiter in die Pflicht nehmen will: „Wir haben unsere Mitarbeiter eindringlich gebeten, die Ortsumgehung zu nutzen, und dadurch hat sich die Situation deutlich entspannt.“
Aber das sehen dann doch nicht alle Bürger so: „Ich kann keine großen Veränderungen feststellen. Hier ist immer noch viel Verkehr, der durch den Ort rast und sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hält“, sagt beispielsweise Adolf Jürgs, der seit vielen Jahren am Finkenwerder Norderdeich wohnt.
Die Finkenwerder wünschen sich regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen
Für Autofahrer gilt auf dem Finkenwerder Norderdeich und dem sich anschließenden Neßdeich Tempo 50, die Lkw dürfen nicht mehr als 30 Kilometer pro Stunde fahren. Daran halte sich aber kaum einer, sagt auch Hanne Gerken. Die Steuerberaterin würde, wie viele andere Bürger auch, deshalb am liebsten einen Blitzer auf der Durchgangsstraße aufstellen lassen.
Dieses Thema kennt auch SPD-Politiker Ralf Neubauer: „Wir diskutieren das hier vor Ort intensiv und sind dazu auch im Gespräch mit den Behörden.“ Wenn auch bisher ohne Ergebnis.