Hamburg. Feuer zerstörte Bühne auf dem Spielbudenplatz am Kiez. Politiker diskutieren schon, ob sie je wieder aufgebaut wird. Video zeigt Brand.
Sie waren erst seit neun Jahren in Betrieb und galten als neues Wahrzeichen der Reeperbahn: die beiden Bühnen auf dem Spielbudenplatz. Jetzt wurde eine von ihnen zerstört. Die westliche Bühne ist in der Nacht zum Dienstag in Flammen aufgegangen. Auch viele Geräte, darunter Verstärker und Lautsprecher, wurden dabei zerstört. Politiker diskutieren schon über die Gestaltung des Platzes.
Die Polizei hielt sich mit Aussagen zur Brandursache am Dienstag noch zurück. Angesichts des „aktuellen Gesamtbildes“ sei „Brandstiftung nicht auszuschließen“, sagte Polizeisprecher Holger Vehren dem Abendblatt. Im Laufe des Dienstags verdichteten sich die Hinweise, dass der Brand vorsätzlich gelegt worden ist. Dafür spricht auch, dass das Feuer extrem schnell hohe Temperaturen von mehr als 800 Grad erreichte. Dadurch schmolz die Metallkonstruktion, das Dach stürzte schnell ein. Zudem ist im Internetportal Youtube ein Handy-Video aufgetaucht, das die Bühne vor dem Eintreffen der Feuerwehr zeigt. Darauf ist zu sehen, dass die Flammen zunächst nicht im Innern des Bauwerks, sondern außerhalb wüteten, erst dann griffen sie auf den Rest der Bühne über. „Das ist schon ein klares Indiz für Brandstiftung“, sagte ein Feuerwehrbeamter dem Abendblatt.
Geschäftsführer Bohnsack schätzt den Schaden auf rund 1,4 Millionen Euro
Als gegen 2.40 Uhr Alarm ausgelöst wurde, stand ein riesiger Rauchpilz über dem Kiez, die Wolke zog bis zur HafenCity. Noch bevor die Feuerwehr am Spielbudenplatz eintraf, waren Teile der 225 Quadratmeter großen Bühnendecke eingestürzt, später drohten weitere Fragmente der lichterloh brennenden Konstruktion auf die Straße zu fallen. Die Reeperbahn wurde weiträumig abgesperrt, Bewohner sollten Fenster und Türen geschlossen halten.
Jochen Bohnsack war einer der ersten am Brandort, er ist Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, die den Spielbudenplatz nach der Umgestaltung 2006 von der Stadt gepachtet hatte. Gegen 3 Uhr hatte ihn ein Bekannter angerufen, Bohnsack eilte zur West-Bühne und wollte seinen Augen nicht trauen. „Ich dachte, ich bin im falschen Film“, sagt Bohnsack. Dichter Rauch stieg über dem Bauwerk auf, im Innern loderten noch ein paar Flammen. Er wolle wirklich nicht übertreiben, aber die Bühne sei für ihn mehr gewesen „als bloß ein Stahlkoloss“. Den Schaden schätzt Bohnsack auf rund 1,4 Millionen Euro. Die beweglichen, zehn Meter hohen, gelegentlich durch LED-Technik farbenprächtig illuminierten Bühnen spielten bei vielen Veranstaltungen eine zentrale Rolle. Unumstritten waren sie keineswegs. Der letztlich erfolgreiche Entwurf der Architektenbüros Lützow 7 und Spengler/Wischolek erschien vielen Bewohnern im Jahr 2004 als zu kommerziell, die Realisation des Konzepts als weiterer Beleg für die „Eventisierung“ und den Ausverkauf des Viertels. Nach dem Umbau des fast 5000 Quadratmeter großen Spielbudenplatzes im Jahr 2006 wurden die Bühnen immer wieder in Großveranstaltungen wie das Reeperbahnfestival eingebunden – und stießen so nach und nach auf mehr Akzeptanz im Quartier.
Nun ist die West-Bühne Geschichte. Mehr als 40 Feuerwehrleute bekämpften die Flammen von Teleskopmastfahrzeugen und Drehleitern aus. Nach einer Stunde hatten sie den Brand unter Kontrolle. Umliegende Gebäude und die Tiefgarage unter der Bühne seien nicht beschädigt worden, sagte Hendrik Frese von der Hamburger Feuerwehr.
Freunde und Kollegen boten Bohnsack nach dem Brand gleich ihre Hilfe an. In der Nacht hatte der Spielbudenplatz-Chef vor lauter Aufregung kein Auge zutun können. Am Mittag war er noch immer bei der Ruine, überall lagen Trümmer und verkohlte Überreste herum, die abgeknickte Decke auf dem Boden erinnerte entfernt an eine riesige Sprungschanze. Der Anblick der zerstörten Bühne habe ihn erschüttert, sagte Bohnsack dem Abendblatt.
Ob und wann die Bühne wiederaufgebaut wird, ist völlig unklar. Der Bezirk Hamburg-Mitte wolle zunächst das Ergebnis der Brandermittlungen abwarten, sagte Amtssprecherin Sorina Weiland. Das Reeperbahnfestival in zwei Wochen auf dem Spielbudenplatz mit 26 Konzerten soll aber wie geplant stattfinden. In den vergangenen Jahren wurden die beiden beweglichen Bühnen zur „Spielbude“ zusammengeschoben. Die neue, etwas kleinere „Spielbude“ erhalte nun an der westlichen Seite eine frei tragende Gerüstkonstruktion.
„Alle Veranstaltungen werden wie geplant stattfinden“ sagt Alexander Schulz, Geschäftsführer des Reeperbahn Festivals. Unterdessen diskutiert die Politik im Bezirk Hamburg-Mitte über die Zukunft des Spielbudenplatzes: „Es sollte beim Wiederaufbau des Spielbudenplatzes keine Denkverbote geben“, forderte Falko Droßmann, SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Die Kiezbewohner hätten beim Neubau der sogenannten „Esso-Häuser“ Wünsche geäußert: „Besonders forderten die St. Paulianer hier Freiräume ohne Konsumzwang sowie einen Raum für Experimente und Subkultur. Hierfür bieten sich die Bühnen auf dem Platz an.“
Die CDU sieht keinen Bedarf, die Bühne mit Steuergeld wieder aufzubauen
Auch Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg ist offen für Veränderungen: „Beim Betrieb auf dem Spielbudenplatz hat sich in den letzten Jahren vieles gut entwickelt, es gibt aber auch einiges zu verbessern. Die Konzeption des Spielbudenplatzes muss in Ruhe überdacht und weiterentwickelt werden.“ Die CDU sieht dafür keinen Bedarf. „Wenn die Bühne nun zerstört wurde und kein Versicherungsfall vorliegen sollte, sieht die CDU Hamburg-Mitte keine Notwendigkeit, aus öffentlichen Mitteln die zweite Bühne wieder neu aufzubauen“, sagte Fraktionschef Gunter Böttcher. Der Spielbudenplatz funktioniere auch so, bei Bedarf nach einer großen Bühne könne man entsprechende mobile Bühnenkonstruktionen verwenden, für kleinere Veranstaltungen genüge auch die verbliebene Ostbühne, sagte Böttcher.