Sie haben auch schon Demenzkranke wieder aufgespürt: Vierbeiner des Suchhundezentrums Nordost übten auf der „Cap San Diego“ im Hamburger Hafen für den Ernstfall.
Hamburg. Gerade hat Ivan auf der „Cap San Diego“ noch an dem weißen Haarband geschnuppert, jetzt ist er nicht mehr zu halten. „Riech und trail“, sagt Hundeführerin Susanna Simon zu ihrem französischen Laufhund. Und Ivan sucht, schießt los. Er tippelt auf dem Museumsfrachter die Treppen rauf und runter, saust um die Ecken, schnuppert auf den Schiffsplanken. Dabei hat er nur ein Ziel: jene junge Frau zu finden, der das Haarband gehört, und die sich auf dem Schiff irgendwo versteckt hat. Es ist ein Probetraining des K9 Suchhundezentrums Nordost auf der „Cap San Diego“.
Wenn Ivan und die anderen Suchhunde nicht gerade auf einem Gelände trainieren, dann suchen sie Vergewaltiger, Mörder oder Suizidgefährdete – und zunehmend auch vermisste Senioren und Demenzkranke, die sich verlaufen haben.
„Der Einsatz von Suchhunden bei Demenzkranken spielt eine immer größere Rolle“, sagt Simon. Die Hundetrainerin und Ausbilderin, zugleich Vorstandsmitglied im Deutschen Trailverband, leitet das K9-Zentrum Nordost, zu dem auch der Stützpunkt Hamburg gehört. Im Schnitt hat sie mit ihren zwei Suchhunden 60 Einsätze pro Jahr für Dienststellen in Schleswig-Holstein, im nördlichen Niedersachsen und in Mecklenburg-Vorpommern. Auch Ivan und seine Kumpanen haben schon verwirrte Senioren ausfindig gemacht.
Auch in der Forschung, insbesondere beim Aufspüren von Krankheiten, so haben Experimente ergeben, könnten Suchhunde künftig eine Rolle spielen. Dank ihres ausgeprägten Geruchssinnes sind sie beispielsweise in der Lage, in bestimmten Fällen Krebskranke von Gesunden zu unterscheiden. In einer in Deutschland durchgeführten Studie erkannten vier Hunde in 71 von 100 Fällen Lungenkrebs. Überdies ordneten sie 372 von 400 Atemproben von Gesunden richtig zu, berichtete das „European Respiratory Journal“. Trainiert wurden die Hunde nur elf Wochen lang. In Kalifornien ergab ein Test, dass Hunde Krebstumoren riechen können.
Für Ivan auf der „Cap San Diego" geht es nicht um Krankheiten, sondern um das Haarband. Der Vierbeiner, ein Hund der französischen Rasse Petit Bleu de Gascogne, gerade mal vier Jahre alt, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Immer wieder jault er auf, setzt seinen Weg unbeirrt fort. „Er hat einen Finderwillen“, erläutert Susanna Simon. Touristen, die an diesem Morgen den Frachter besichtigen, ignoriert er ebenso wie Elbluft und andere unwichtige Gerüche auf dem Schiff. „Er ist voll konzentriert“, sagt die 39-Jährige, während er sie an der Leine hinterherzieht. „Jeder Mensch verliert pro Minute etwa 40.000 Hautschuppen, hat seinen ganz einzigartigen Geruch, vergleichbar einem Fingerabdruck“, erläutert die Hundeexpertin.
Bis zum Einsatzhund war es für Ivan und die anderen ein hartes Stück Arbeit. Rund zweieinhalb Jahre werden sie unter anderem in dem K9 Suchhundezentrum Nordost ausgebildet. Entscheidend sind die Duftmoleküle der Zielperson, die gesucht werden, und nicht die Bodenverletzungen wie bei der Fährtenarbeit. Beim „Mantrailing“ wird eine Person anhand ihres Individualgeruchs vom Hund gesucht. Er bekommt eine Geruchsprobe der zu suchenden Person, etwa ein Kleidungsstück, und folgt der Geruchsspur, die die Person auf ihrem Weg hinterlassen hat. Der Individualgeruch setzt sich unter anderem aus Abbauprodukten des menschlichen Körpers wie Hormonen und Schweiß zusammen; auch Parfüm kann eine Rolle spielen. Während der Suche differenziert der Hund all die Gerüche, die er aufnimmt, er unterscheidet, welcher Spur er folgen muss. Hunde sind in der Lage, diesen Geruch auch noch viele Stunden und sogar Tage später auszumachen. „Der Hund muss in unterschiedlichen Umgebungen trainieren, damit er souverän und sicher auch in schwierigen geruchlichen Umfeldern der menschlichen Spur folgen kann und sicher anzeigt“, erläutert Susanne Simon.
Im Prinzip kann jeder seinen Hund „schulen“ lassen, es gibt viele Motivationen. Das „Basictrailen“ sei eine Ausbildung zum Suchhund „für Mensch und Hund zur reinen Auslastung ohne sportliche Ambitionen, aber mit strukturiertem und durchdachtem Aufbau und Background“, sagt Simon. Oder das Training helfe ängstlichen oder aggressiven Hunden beim sogenannten Therapie-Trailen.
Nadine Wachs, 28, kam mit ihrem Labrador Lucky zu K9, „um ihn einfach zu beschäftigen, als Ausgleich“, sagt die tiermedizinische Fachangestellte. Sie lässt sich selbst gerade für ihr Hobby zur Hundetrainerin ausbilden.
Die Einsatzhunde können schon mal bis zu zwei Stunden ohne Pause arbeiten. Es gibt verschiedene Prüfungen (von Weiß bis Schwarz), die höchste Stufe ist der Einsatzhund bei Rettungseinsätzen oder forensischen Anlässen. „Wir arbeiten mit der Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen, von dort kommen viele Such-Einsätze auf allen möglichen Gebieten“, sagt Susanna Simon. Einmal galt es, einen Vergewaltiger aufzuspüren. Einer ihrer Hunde nahm die Spur an einer Parkbank auf, wo das Opfer mit seinem späteren Peiniger zusammengetroffen war. „Die Spur führte in ein Gebäude, wo die Person als Reinigungskraft arbeitete. Dort wurde das Phantombild noch mal aufgehängt, wenig später der Täter dort entdeckt.“
Ein anderes Mal halfen die Suchhunde von Susanna Simon, einen Raub mit Todesfolge aufzuklären. Der Hund folgte der Spur in einem Wohngebiet – wenig später wurde der Täter auch dort ermittelt.
Heute ist der Auftrag einfach. Nach ein paar Minuten steht Ivan vor der Frau, die das Haarband zur Verfügung gestellt hat. Er leckt ihr Haar ab. Ziel erreicht. Zur Belohnung gibt es Hundekuchen, bis zum nächsten Einsatz.