Der Umzug der muslimischen Al-Nour-Gemeinde in die Kapernaumkirche in Hamburg-Horn löste gespaltene Reaktionen aus. Nun ist der Umbau des Gotteshauses fast abgeschlossen. Ein Ortstermin.
Horn. Oben, auf der Turmspitze, thront weithin sichtbar ein goldenes Kreuz. Unten, im Innern des Gebäudes, erinnert kaum noch etwas daran, dass hier einmal christliche Gottesdienste gefeiert wurden. Vor einem guten halben Jahr haben die Bauarbeiten für eine spektakuläre Metamorphose begonnen: Aus der ehemaligen Kapernaumkirche in Hamburg-Horn soll eine Moschee werden. „Es geht Schritt für Schritt“, sagt Daniel Abdin.
Der Vorsitzende der Al-Nour-Gemeinde steht in dem großen offenen Raum und sieht ziemlich zufrieden aus. Die Abendsonne fällt durch die bunten Glasfenster, wirft orientalisch anmutende Muster. „Das ist geblieben. Daran haben wir gar nichts geändert“, sagt er. Immer wieder ist auch er noch überrascht, wie nah die frühere Bestimmung des Gotteshauses der zukünftigen ist.
Seit November 2012 ist das Islamische Zentrum Al-Nour Eigentümer des Sakralbaus an der Sievekingsallee. Die evangelische Kirche hatte das Gebäude bereits zehn Jahre zuvor aufgegeben und an einen Privatinvestor verkauft. Seitdem stand es leer. „Als ich es zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, das passt“, sagt Gemeindechef Abdin, der jahrelang nach neuen Räumen für die sunnitische Gemeinde gesucht hatte. Derzeit beten die Mitglieder, die hauptsächlich aus dem arabischen Raum stammen, unter sehr beengten Umständen in einer alten Tiefgarage in St. Georg.
Als die Umbaupläne für die Kirche Anfang vergangenen Jahres bekannt wurden, standen Abdin und seine Gemeinde mit einem Schlag im Licht des öffentlichen Interesses. „Das war eine große Herausforderung“, sagt er. Besonders in Hamburg war das Thema kontrovers aufgenommen worden. In der evangelischen Kirche wurden Stimmen laut, die von einem „Dammbruch“ sprachen. Rechte versuchten das Thema zu besetzen. Aber es gab auch viele, die in der Umnutzung einen Beitrag zur Verständigung der Religionen sahen.
Inzwischen ist es ruhiger geworden um das Moscheeprojekt. Vor dem Eingang steht ein hoher Bauzaun. Ein großes Schild zeigt, wie das denkmalgeschützte Gotteshaus künftig aussehen soll. „Außen Kirche, innen Moschee“, nennt Abdin den Leitgedanken für den Umbau gern. Fast ein Jahr hatte es gedauert, bis alle Genehmigungen vorlagen. In den vergangenen Monaten wurde der Fußboden bis in eine Tiefe von zwei Metern komplett erneuert. Die maroden Wände, die durch den langen Leerstand massiv geschädigt waren, sind weitestgehend saniert. Auch die Stahlkonstruktion für die neue Empore steht. Dort sollen gemäß den Regeln des Islam künftig die Frauen beten. Direkt gegenüber geben einige Kreidestriche auf dem roten Backstein einen ersten Eindruck von dem bevorstehenden religiösen Transformationsprozess. Eine Gebetsnische, der Mihrab, ist dort skizziert und die Kanzel für den Imam, der Mimbar. „Wenn es fertig ist, wird es ein Schmuckstück sein“, sagt Abdin.
Etwa zwei Millionen Euro soll der gesamte Umbau kosten
Das kann allerdings noch dauern. Nachdem erste Terminkündigungen sich als nicht haltbar erwiesen hatten, ist der Gemeindechef vorsichtig mit Voraussagen für die Eröffnung. „Wir sammeln Geld und bauen parallel. Riesenschritte sind nicht möglich.“ Inzwischen rechnet Abdin mit Kosten von mindestens zwei Millionen Euro, finanziert werden sollen sie vollständig aus Spenden. „Uns ist bewusst, dass es ein sehr teures Moscheeprojekt ist“, sagt er. „Aber die friedenstiftende Wirkung ist mit Geld nicht zu bezahlen.“ Für ihn persönlich ist der Umbau längst zur Lebensaufgabe geworden. Das hat auch mit seiner Biografie zu tun.
Der 51-Jährige, im Hauptberuf Telekommunikationskaufmann, hat jordanisch-libanesische Wurzeln. Seine Ehefrau bringt schiitisches und christliches Erbe mit in die Familie. „Das prägt“, sagt der Wahl-Hamburger. Die Moschee, so seine Hoffnung, soll „eine Begegnungsstätte für Muslime und Nichtmuslime werden“.
Transparenz sei da ganz wichtig. Und gute Nachbarschaft. Am morgigen Sonnabend öffnet das Islamische Zentrum deshalb die Türen und lädt mit der evangelischen Kirchengemeinde zu Hamburg-Horn von 15 Uhr an zu einem „Dialog auf der Baustelle“. Neben Gesprächen gibt es Gelegenheit, den Baufortschritt in Augenschein zu nehmen. Außerdem steht im Rahmen des Projekts „Wege zum Frieden“ von der Hauptkirche St. Michaelis, dem Luruper Goethe-Gymnasium, der Schura und der Evangelischen Jugend eine Podiumsdiskussion zum Thema „Heilige Räume“ auf dem Programm.
Erst unlängst habe eine Befragung der Schura ergeben, dass der Bedarf an weiteren Moscheen in Hamburg groß ist, sagt Abdin, der auch im Vorstand des Zusammenschlusses ist. Aktuell liefen Verhandlungen mit dem Senat, wie der Bau weiterer muslimischer Gotteshäuser vereinfacht werden könne. Dabei werde eine Umwandlung wie im Fall der Kapernaumkirche ein Einzelfall bleiben. „Kirche soll Kirche bleiben.“
Bis zum Jahresende, hofft der Al-Nour-Vorsitzende, sind die Arbeiten im Innern der neuen Moschee abgeschlossen. Danach werde mit den Außenarbeiten begonnen. Der Vorbau soll erneuert werden. Geplant ist zudem, den maroden Verbindungsbau zum Turm abzureißen. Dort entstehen moderne Sanitärräume. Auch der Turm ist nach seinen Worten sanierungsbedürftig. Unten soll ein rituelles Bad eingebaut werden. Ganz zum Schluss wird das goldene Kreuz auf der Turmspitze abgenommen.
Anders als zunächst vorgesehen, soll es nicht durch einen goldenen Halbmond als Symbol für den Islam ersetzt werden. „Wir wollen einen Schriftzug mit dem Wort ,Allah‘ dort anbringen“, sagt Abdin. „Das ist der Name Gottes, der alle Gläubigen verbindet.“