Es gibt viel Ablehnung, aber auch Zuspruch auf dem Kiez. Heute beginnt die Auswertung der Stimmzettel. Manche halten den Bürgerentscheid „Hamburger Seilbahn“ nur für eine große Illusionsmaschine.
Hamburg. Zu Seilbahnen hatte der St. Paulianer bisher ein ähnlich enges Verhältnis wie zum Matterhorn: mal davon gehört, aber zu Hause kein Bedarf. Jetzt hat jeder die Abstimmungszettel für den Bürgerentscheid bekommen, und das Matterhorn rückt in eine nie vermutete Nähe. Einer der Initiatoren, die Stage Entertainment, sitzt immerhin auf St.Pauli. In Kommentaren des Abendblatt-St.Pauli Blogs schlagen die Wogen hoch – von „ohne die Stage würde es Hamburg nie im Leben so gut gehen“ bis „bezahlter Stimmenfang“ –, aber deutlich höher als auf der Straße: Da bleibt der Kiez in der Seilbahn-Frage eher gelassen.
„Das ist eine Furz-Idee“, sagt Opa bei „Painless Tattoo“ in der Silbersackstraße spontan. Der Senior des Tätowierstudios ist sich sicher: „So eine moderne Seilbahn passt nicht zu St.Pauli. Die Leute sollen mit dem Dampfer rüber zum Musicalzelt fahren oder durch den Alten Elbtunnel laufen, das ist viel schöner. Also: Vier Leute von Painless Tattoo dagegen!“ Alle drei Angestellte nicken.
Kiezbäcker Thomas Angele gegenüber steht zur Seilbahn „fifty/fifty“, sagt er: „Für den Tourismus wäre sie gut, optisch wäre sie schlecht, weil sie das Bild vom Hafen verändern würde.“ Nach seiner Auffassung stehen bei dem Bürgerentscheid allerdings „die Interessen der Stage im Vordergrund“.
Manche halten den Bürgerentscheid „Hamburger Seilbahn“ nur für eine große Illusionsmaschine. Für Teresa Jakob, stadtteilbekannt durch ihre Mahnwachen vor den Ruinen der Esso-Häuser, ist das Projekt eine weitere Spielform der fortschreitenden „Eventisierung“. Doppelmayr plane mit der Hamburger Flachlandseilbahn eine „Verkaufsausstellung“ für weitere Projekte. Auch Steffen Jörg vom Verein „Gemeinwesenarbeit St.Pauli“ befürchtet „eine zusätzliche Belastung für die Anwohner. Natürlich ist St.Pauli geprägt vom Tourismus, aber es ist auch ein Wohnviertel und dies muss wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden.“
Andere finden die Seilbahn-Idee charmant. „Ich habe nichts gegen ein umweltfreundliches, geräuschloses Verkehrsmittel in der Großstadt“, sagt Fotograf Günter Zint. „Stadtplaner sehen die Seilbahn sogar als das zukünftige Transportmittel in Großstädten. Ich freue sich schon auf eine Fahrt mit Blick über mein St.Pauli und den Hafen.“ Die Seilbahn sei wichtig für den Tourismus, von dem lebe der Stadtteil nun mal, sagt auch Horst Schleich vom „Crazy Horst“. „Das Argument, die Seilbahn sei hässlich, kann ich nicht nachvollziehen. Wie sieht denn eine hässliche Seilbahn aus oder eine schöne? Ich finde, sie würde die schönste Stadt der Welt noch attraktiver machen.“ Eine Mitarbeiterin des St.Pauli Theaters nervt an der ganzen Diskussion, „dass viele schon die Idee so reflexartig ablehnen“, sagt sie. „Warum darf es hier eigentlich nie Veränderungen geben? Man muss doch in die Zukunft schauen.“
Tourismus ja – aber wie und welchen? Diese Frage ist eine Art ständige Hintergrundmusik auf St.Pauli. Übrigens auch bei Bewohnern der Neustadt, die sich ebenfalls in der Anwohner-Initiative „Keine Seilbahn“ engagieren. Der Alte Elbpark, lange vernachlässigt, gerät wieder in den Fokus.
Von Hamburgs höchster Bar „heaven’s nest“ im 24. Stock der Tanzenden Türme guckt man auf die Elbphilharmonie und den Bismarck im Elbpark – genau da würde der 92 Meter hohe Seilbahn-Pylon stehen. Was sagt Christoph Strenger, Geschäftsführer von „heaven’s nest“, des Restaurants „Clouds“ und des „East Hotel“? „Eine Seilbahn passt nicht gut nach Hamburg“, meint er. „Zu einer Hafenstadt gehört es doch, die Elbe auf Schiffen, über Brücken und durch einen Tunnel zu überqueren, auch zu den Musicals kommt man bequem mit einem Schiff.“ Eine Seilbahn biete sicher einen schönen Blick, „aber sie passt nicht in unser Stadtbild“. Seine anfangs positive Einstellung habe sich nach vielen Gesprächen geändert: „Wenn ich allein zu entscheiden hätte, würde ich keine Seilbahn bauen.“
Aus ähnlichen Gründen bleibt „Silbersack“-Wirt Dominik Großefeld skeptisch. Gerade als Betreiber dieser Traditionskneipe stehe er „für den Erhalt von Altbeständen“, sagt er. „Und ich erfahre täglich von Anwohnern und Stammgästen, wie wichtig es für sie ist, eine Bastion zu haben, an der sich nichts ändert – gerade in Zeiten, wo auch Hamburg im Zeichen des großen Wandels steht. Deshalb fällt es mir sehr schwer, eine derartige Veränderung unseres Erscheinungsbilds und der damit verbundenen Außenwirkung schon vorab gutzuheißen.“ Wie er fragen sich viele, welchen Nutzen die Seilbahn für Anwohner hätte und ob sie wirtschaftliche Vorteile auch für Betriebe brächte, die nicht mit der Stage verbunden sind.
„Von mir aus braucht diese Affenschaukel nicht gebaut werden“, meint Heiner Harhues vom Imbiss „kleine haie Grosse fische“. „Wir haben mit dem Alten Elbtunnel schon einen wunderbaren Weg über die Elbe, der auch noch umsonst ist.“