Immer mehr Häuser in der Hansestadt bekommen ein grünes Dach – gerade in der HafenCity. Der Hamburger Senat stellt dafür bis 2019 insgesamt rund drei Millionen Euro zur Verfügung.
Hamburg. Beim Landeanflug auf Hamburg fällt Passagieren beim Blick aus dem Flugzeugfenster immer wieder auf, wie grün die Stadt an vielen Ecken ist. Ein Eindruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlich verstärken wird. Denn Entwicklungen in der Bautechnik und eine kürzlich verabschiedete neue „Grün-Dach-Strategie“ des SPD-Senats dürften dazu führen, dass auf den Dächern Hamburgs immer mehr Dachgärten angelegt werden.
Davon gehen jedenfalls Experten wie Wolfgang Dickhaut von der HafenCity-Universität aus. Aufgrund von Luftbildauswertungen schätzt man den Anteil begrünter Dächer im Stadtstaat Hamburg derzeit auf rund zwei Prozent. Diese Zahl könnte sich, so die Prognosen, in absehbarer Zeit auf bis zu 40 Prozent erhöhen, sagt der Professor für umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung. Mit seiner „Grün-Dach-Strategie“ will der Senat von 2015 an den Bau von grünen Dächern und die entsprechende Sanierung vorhandener Flachdächer finanziell fördern. Bis zum Jahr 2019 sollen dafür drei Millionen Euro bereitgestellt werden. Weiterer Anreiz: Besitzer von Gründächern müssen dann in Hamburg nur noch 50 Prozent der fälligen Niederschlagswassergebühr zahlen.
Der Hintergrund dieser Strategie: Grüne Dächer gelten als geeignetes Mittel zur Anpassung an den Klimawandel. Die Pflanzen speichern Wasser, das auf dem Dach langsam verdunsten kann. Bei Starkregen müssen die Siele daher nicht plötzlich ganz so viel Wasser aufnehmen wie in einer völlig dicht gebauten Stadt. Überschwemmungen und damit Millionenschäden wie sie in vergangenen Jahren häufiger vorgekommen sind, würden auf diese Art vermieden, sagt Gründach-Experte Dickhaut.
Zudem würden grüne Dächer für ein besseres Stadtklima sorgen. Gerade in heißen Sommern kühlen sich die mit Straßen, Pflasterwegen und Häusern eng versiegelten Innenstädte wie Hamburg kaum ab. In ländlichen Gegenden hingegen sinkt die Lufttemperatur abends deutlich schneller – was als angenehm empfunden wird. Gründächer könnten also auch in den dicht bebauten Großstädten für eine Art „Landeffekt“ sorgen, in dem sie wie eine Dorfwiese wirken. „Wenn die Stadt immer weiter verdichtet wird, ist es absolut sinnvoll das Potenzial auf den Flachdächern zu nutzen“, sagt Experte Dickhaut.
In der HafenCity ist diese Entwicklung jetzt schon an vielen Ecken zu beobachten: Hoch oben auf dem Dach des Ökumenischen Forums beispielsweise. In dem von 19 christlichen Kirchen getragenen Gebäude wohnen rund 40 Bewohner. In Wohngemeinschaften oder Single-Haushalten. Das Dach in der sechsten Etage hätten die Bewohner längst als Garten entdeckt, wie Maria Lauel sagt. Es gebe sogar eine „Dachgartengruppe“, die sich um die Anlage kümmert, und einen Gießplan. Im Wind dort oben rauschen Ziersträucher, aber auch Kartoffelpflanzen oder Kräuter wie Thymian. Rosmarin und Petersilie. Bauernblumen wie Rittersporn und Dahlien flimmern bunt. Ein Wein rangt am Fahrstuhlschacht. Alles wächst in Kübeln, dazwischen stehen Gartenmöbel, und wenn es abends besonders heiß ist, schläft mancher Bewohner auch schon einmal dort. „Wunderbar so unterm Sternenhimmel“, schwärmt Maria Lauel.
Von dort oben fällt der Blick auf weitere grüne Dächer. Auf die Elbarkaden beispielsweise: Hecken und ein Rasen begrünen das neue Gebäude am Magdeburger Hafen, genutzt wird es von den Mietern als Hochgarten. Auch auf dem Unilever-Gebäude sprießt es aus dem Dach. Dort hat der Lebensmittelkonzern ein Gründach mit speziellen Pflanzen und Magerrasen angelegt. Ein luftiger Park für die Mittagspause. Dachgartenpläne gibt es auch für weitere Bauten in der östlichen HafenCity. Eine Baugemeinschaft baut am Lohsepark ein Gebäude, das 2016 fertig sein soll. Ein grünes Rasendach und sogar Gemüsebeete und ein Obstgarten sind geplant. Auf immerhin 1200 Quadratmetern.
Bisher wurden die Flachdächer in der HafenCity oft genutzt, um dort kostengünstig Gebäudetechnik unterzubringen, um Klimaanlagen, Abluftzüge oder Fahrstuhlschächte aufs Dach zu setzen. Oder Bauherren installierten Solaranlagen zur Warmwasserversorgung. In den neu entwickelten Arealen fördert die HafenCity GmbH nun aber andere Formen der regenerativen Energien, die zur Wärmeerzeugung genutzt werden, Erdwärme beispielsweise. Damit werden die Dächer quasi für andere Nutzungen frei, eine Begrünung wird dann von der HafenCity mit dem Goldstandard ihres Umweltzeichens belohnt. Eine begehrte Auszeichnung, die sich in der Vermarktung gut macht. „Künftig werden in der HafenCity noch deutlich mehr grüne Dächer entstehen“, sagt HafenCity-Sprecherin Susanne Bühler.
Experten wie Professor Dickhaut unterscheiden dabei zwei Arten von Gründächern: Die einfachste Art ist eine sogenannte Extensivbegrünung mit anspruchslosen Sedumarten, also mit kräuterartigen Pflanzen, die mit dicken Blättern viel Wasser speichern können. Solche Dächer kommen weitgehend ohne Bewässerung aus.
Statische Probleme gibt es bei dem Umbau eines konventionellen Flachdachs zur Extensivbegrünung nicht, sagt Dickhaut. „Man tauscht einfach den Kies aus.“ Eine Schichtdecke von zehn Zentimetern reiche schon aus.
Aufwendiger ist eine Intensivbegrünung mit Sträuchern und Blumen. Mehr als 40 Zentimeter dick sind dazu die Bodenauflagen, in denen dann auch besonders viel Wasser gespeichert wird. Dennoch könne sich die Investition lohnen, sagt der Professor. Mittelfristig könnten sich solche Dächer rechnen, weil die Bepflanzung das Dach vor UV-Strahlung schützt und es so eine längere Lebensdauer erreiche.
Wie sich solche Dächer auf Konstruktionen auswirken, wie viel Wasser sie tatsächlich speichern können – solche Effekte wird Dickhaut mit seinen Mitarbeitern für den Senat wissenschaftlich untersuchen. Weit gehen müssen sie dazu nicht. Auch der Neubau der HafenCity-Universität hat ein grünes Dach.