Der Hauseigentümer ließ im Hinterhof zwischen Schwencke- und Selliusstraße alles Grün entfernen. Die Anwohner fühlen sich überrumpelt. Jetzt haben beide Seiten ihre Anwälte eingeschaltet.
Hamburg. Noch vor vier Tagen wuchsen im Hinterhof, der die Altbauten der Sellius-, Clasing- und Schwenckestraße miteinander verbindet, Birnenbäume, Tannen und Farn. Im Boden wurzelten Rosen, Hortensien und Erdbeeren und warteten auf den nächsten Frühling. Doch blühen werden sie nicht mehr, wenn es wärmer wird. Denn von der kleinen Stadtoase sind nur noch Baumstümpfe übrig, Äste und aufgeschüttete Erde.
Der Vermieter, die Treuhandgesellschaft Mentor, ließ das Grün entfernen. Statt Büschen, Sträuchern und Gras soll hier bald Kies das Bild prägen. Gegen den Willen der Anwohner, sagt Tanja Gwiasda. Die 47-Jährige wohnt seit acht Jahren in dem Altbau an der Clasingstraße. Sie hat die blaue Wollmütze gegen die Kälte tief ins Gesicht gezogen, der Wind pfeift eisig. Dort, wo einst ihre Terrasse war, verdeckt Schnee den kahlen Boden. „Ich habe morgens noch aus dem Fenster geguckt“, sagt sie, „und dann rückten hier die Bauarbeiter einfach an und haben alles rausgerissen.“ Die Mieter haben daraufhin die Polizei alarmiert. Mit einer einstweiligen Verfügung vom Amtsgericht Hamburg stoppten sie den Kahlschlag. Viel retten konnten sie dadurch aber nicht.
Der Streit um den Garten schwelt nicht erst seit Anfang der Woche. Ende Dezember 2012 erreichte die Mieter ein erstes Schreiben der Treuhandgesellschaft, in dem sie über Modernisierungsmaßnahmen informiert wurden. Die Häuser sollten gedämmt, Fenster ausgetauscht werden. Weitere Schreiben folgten, immer mit dem gleichen Betreff. Und in zwei Zeilen die Bitte, in den Gärten abgestellte Gegenstände zu entfernen. Von geplanten Umbaumaßnahmen im Garten kein Wort. Bis im Sommer vergangenen Jahres erste Gerüchte über eine Einkiesung aufkamen. „Seitdem haben wir den Vermieter in unzähligen Schreiben darum gebeten, uns zu sagen, was er mit dem Garten vorhat“, sagt Gwiasda. Zurück im Wohnzimmer hält sie die Schreiben wie zum Beweis in der Hand. Auf dem runden Holztisch stapeln sich Briefe und Ordner. Eine Antwort hat sie bis heute nicht erhalten, dafür die detaillierte Aufschlüsselung einer Mieterhöhung wegen der durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen. „Wir haben hier in unserer Nachbarschaft gesehen, wie eine Einkiesung aussieht und das wollen wir nicht“, sagt sie.
Manfred Linden, 73, versteht die Aufregung der Mieter nicht. Er ist der Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft, die geplante Umgestaltung des Gartens hält er für sinnvoll. „In den Mietverträgen steht doch kein Wort von einem Garten. Die Mieter haben sich die Gärten einfach angelegt. Aber dagegen haben wir ja gar nichts“, sagt er. Wogegen er etwas hat, sei das Gestrüpp, das Ratten anziehe. „Mit dem Kies sieht der Garten einfach sauber und ordentlich aus“, findet Linden. In einem anderen Gebäude der Treuhandgesellschaft sei der Garten auch eingekiest worden und dort seien die Hausbewohner sehr zufrieden damit. Wenn doch positive Erfahrungen damit bereits gemacht worden sind, warum antwortet er dann Tanja Gwiasda und den anderen Mietern nicht? „Ich habe den Hausmeister einen Tag vor Heiligabend damit beauftragt, die Mieter über den geplanten Umbau des Gartens zu informieren“, sagt Linden. Gleichzeitig habe er ihnen auch angeboten, ihre Gärten abzustecken, um die Kiesel dann nur an der nicht markierten Fläche auszubringen. Außerdem gebe es auch Sprechstunden, in denen sich die Mieter an den Hausmeister hätten wenden können, sagt Linden.
„Einen Tag vor Weihnachten waren einige Nachbarn schon im Urlaub“, sagt Gwiasda. „Die haben davon gar nichts mitbekommen.“ Deshalb habe sie gemeinsam mit anderen Mietern wieder einen Brief an die Treuhandgesellschaft geschrieben. Damit wollte sie die Aussage, dass abgesteckte Gärten nicht eingekiest werden, schriftlich bekommen. Und wieder: Keine Antwort. Stattdessen rückten laut Gwiasda unangekündigt Anfang der Woche Mitarbeiter der Firma an, die mit den Abrissarbeiten beauftragt worden war. Und machten kurzen Prozess. „Das sieht da draußen doch aus wie auf einem Schlachtfeld“, beschwert sich Gwiasda. Deshalb wolle man jetzt in die Offensive gehen. Hilfe erhoffen sie sich unter anderem von Gabriela Küll, Grünen-Politikerin im Bezirk Eimsbüttel, die sich an diesem Tag ebenfalls ein Bild vom Garten machen will, sowie vom Hamburger Mieterverein. „Es gab schon Rechtsprechungen, wonach der Vermieter nicht einfach machen kann was er will, ohne die Mieter zu fragen. Zumal einige schon seit 30 Jahren dort leben, also auch ein Nutzungsrecht haben“, sagt Eve Ratschen, Sprecherin und Juristin des Hamburger Mietervereins.
Für die Mieter ist klar, sie wollen ihre Gärten zurück. Um das zu erreichen, haben sie einen Anwalt eingeschaltet. Das hat Manfred Linden auch getan.