Gastronomen wollen eine Entschädigung vom Investor, weil sie ihre Flächen wegen der Einsturzgefahr früher räumen mussten. Abriss schon Anfang Februar.
Hamburg. Ihr jähes Ende in den maroden Esso-Häusern kam auch für die acht Gewerbetreibenden überraschend. Nicht nur die Wohnungen wurden in der Nacht zum 15. Dezember evakuiert, sondern auch Lokale und Clubs wie Das Herz von St. Pauli, Hörsaal, Planet Pauli und Molotow sind seitdem aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Damals wurden Erschütterungen in dem Gebäudekomplex gemeldet und wenige Tage später auch Risse festgestellt. Es besteht Einsturzgefahr. Nach Abendblatt-Informationen wird das Bezirksamt Mitte dem Investor Bayerische Hausbau noch in dieser Woche die Abrissgenehmigung erteilen. Der Abbruch soll Anfang Februar beginnen.
Während viele Mieter in Hotels untergebracht wurden und inzwischen 50 der rund 90 Bewohner in Ersatzwohnungen umgezogen sind, stehen die Unternehmer ohne neue Flächen da. Etwa 100 Mitarbeiter und Aushilfen, genauere Zahlen gibt es nicht, mussten gekündigt werden.
Die Gewerbetreibenden haben nicht nur ihre Läden über Nacht verloren, sondern stehen auch vor finanziellen Sorgen. Vor allem wegen der Umsatzeinbußen. Eigentlich sollten die Mietverträge erst Ende März auslaufen, und den Gewerbetreibenden war von der Bayerischen Hausbau sogar noch eine „formlose Verlängerung“ bis Ende Juni in Aussicht gestellt worden.
Jetzt schaltet sich Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) ein und forderte im Abendblatt-Gespräch: „Zunächst einmal ist wichtig, dass die Bayerische Hausbau mit den betroffenen Gewerbetreibenden über einen finanziellen Ausgleich für den früheren Auszug aus den Räumlichkeiten spricht.“
Das hofft auch Uwe Christiansen, der seit Anfang 2003 Das Herz von St. Pauli am Spielbudenplatz betrieben hatte: „Ich musste insgesamt 14 Mitarbeitern kündigen. Wir wussten, dass wir irgendwann rausmüssen, aber dann hat es uns doch kalt erwischt.“ Vor allem auch finanziell: „Wir mussten im Dezember schließen, mitten im Weihnachtsgeschäft, und das ist unsere umsatzstärkste Zeit. Dadurch ist uns viel Geld verloren gegangen.“
Der Gastronom sagte weiter: „Wir erwarten, dass wir den durch den abrupten Auszug entstandenen Schaden, angemessen durch die Bayerische Hausbau ersetzt bekommen. Bislang gab es aber noch kein Gesprächsangebot.“ Außerdem braucht sein „Herz von St. Pauli“ eine neue Heimat: „Aber passende Räume zu finden, die außerdem bezahlbar sind, ist eine echte Herausforderung“, sagt Christiansen.
Betroffen sind auch Axel Strehlitz und Corny Littmann, die seit 2005 in den Esso-Häusern das Musiklokal Hörsaal betrieben haben: „Das Ende für unsere Location kam von einer Minute auf die andere. Wir hatten elf studentische Aushilfen, denen wir kündigen mussten. Das ist bitter, denn wir waren erst von einem Auszug Ende Juni ausgegangen“, sagte Strehlitz. Die drei festen Mitarbeiter, darunter eine Auszubildende, wurden zunächst in anderen Betrieben von Strehlitz untergebracht.
Nun sind Strehlitz und Littmann auf der Suche nach einer neuen Fläche, so lange haben sie als Zwischenlösung zumindest am Freitag und Sonnabend den Hörsaal in das Nachtschlösschen an der Talstraße verlegt: „Aber das ist natürlich keine Dauerlösung. Wir brauchen neue Räumlichkeiten, die möglichst mitten auf dem Kiez liegen und wo keine Wuchermieten verlangt werden“, sagte Strehlitz. Den finanziellen Schaden, entstanden durch fehlenden Umsatz und fehlende Teile der Einrichtung, die wegen Einsturzgefahr nicht entfernt werden dürfen, beziffert Strehlitz auf einen fünfstelligen Betrag.
Auch Lars Schütze, Juniorchef der Esso-Tankstelle, spricht von einem „wirtschaftlichen Schaden“. Die 20 Mitarbeiter der Tankstelle hätten bereits im August ihre Kündigungen zu Ende März dieses Jahres erhalten: „Aber dann war zwangsweise schon Mitte Dezember Schluss. Unsere Angestellten müssen wir aber noch bis Ende März bezahlen, auch wenn es kaum noch etwas zu tun gibt“, sagt Schütze.
Besonderes Augenmerk liegt auf dem Musikclub Molotow: „Das Molotow ist als Livemusik-Spielstätte einzigartig und nimmt einen ganz besonderen Platz in der deutschen Clubszene ein. Deshalb wollen wir diese Institution auf dem Kiez unbedingt halten“, sagte Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD). Er gibt sich zuversichtlich: „Das Molotow wird auf St. Pauli bleiben, wir sind in Gesprächen mit Vermietern über neue Räumlichkeiten.“
Und was macht die Bayerische Hausbau? Sprecher Bernhard Taubenberger sagte: „Wir sprechen mit den Gewerbemietern auch über Entschädigungen.“ Und: „Wir haben individuelle Hilfestellungen angeboten. Das reichte von der Vermittlung von Umzugsunternehmern, Containern zur Entsorgung der Einrichtung bis hin zu Lagermöglichkeiten.“
Bei einigen schweren Einbauten sei es aus Sicherheitsgründen nicht möglich gewesen, diese auszubauen. Da werde man aber versuchen, im Zuge des Abrisses Lösungen zu finden, sagt Taubenberger.