Am 12. Dezember planen Schüler eine Demonstration, statt zum Unterricht zu gehen. Schulbehörde droht mit Konsequenzen. Unterstützt wird der Protest auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Hamburg. „Bleiberecht für alle!“ Unter diesem Titel rufen Hamburgs Schüler zu einem eintägigen Schulstreik auf. Am 12.Dezember wollen sie nicht zum Unterricht in ihre Klassenzimmer gehen, sondern von 10 Uhr an auf dem Hachmannplatz in St. Georg für Flüchtlingsrechte demonstrieren. Mit Flyern, Plakaten und im sozialen Netzwerk Facebook – dort gibt es bereits 1200 Unterstützer der Aktion – versuchen sie, möglichst viele Menschen zu mobilisieren.
Unterstützt wird der Protest auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Es ist das erste Mal seit der bundesweiten Bildungsstreik-Aktion 2009, dass Hamburger Schüler auf der Straße demonstrieren.
„Wir wollen eine andere Migrations- und Flüchtlingspolitik, die flüchtenden Menschen ein gutes Leben mit uns gemeinsam in Deutschland ermöglicht“, sagt Taro Tatura. Der 21-jährige Auszubildende zählt zu den rund 110 Schülern aus 30 Schulen und einigen wenigen Auszubildenden und Studenten, die die Demonstration organisieren. Sie fordern den offenen Zugang zu Bildung, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, sowie ein sofortiges Bleiberecht für alle Flüchtlinge, etwa auch die Lampedusa-Flüchtlinge, die zum Teil in der St.Pauli-Kirche seit Monaten Unterschlupf gefunden haben.
„Wir wollen dafür auf die Straße gehen und dem Senat zeigen, dass wir nicht mit der Politik einverstanden sind“, sagt Tatura. Dazu sei es notwendig, die Schule für einen Tag sausen zu lassen, um ein starkes Signal für die Rechte der Flüchtlinge zu setzen.
Das wird in der Schulbehörde völlig anders gesehen. „Es gibt keinen Grund, dass Demonstrationen während der Unterrichtszeit stattfinden“, sagt Behördensprecher Peter Albrecht. Es sei grundsätzlich positiv, wenn sich Schüler mit politischen Themen beschäftigten, das könne jedoch auch nachmittags außerhalb des Unterrichts geschehen. Wer als Schüler an der Bleiberechts-Demonstration teilnehme, fehle unentschuldigt. „Das wird in der Schule vermerkt“, sagte Albrecht.
Die Jugendlichen sind dennoch zuversichtlich, dass sich viele Schüler an dem Protest beteiligen werden. „Wir rechnen mit mehr als 1000 Demonstranten“, sagt Taro Tatura. Auf ihrer Facebook-Seite „Refugee Schulstreik Hamburg“ haben bis gestern Abend 347 Personen angegeben, dass sie an der Aktion teilnehmen werden.
Die GEW begrüßt die Initiative der Schüler. „Wir freuen uns, dass sich die Schülerinnen und Schüler hier engagieren“, sagt die GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze. Es sei ein Zeichen von Zivilcourage, wenn sich Schüler für die Rechte von Flüchtlingen einsetzten. „Wir rufen die Schulen dazu auf, den Schulstreik als praktischen Politikunterricht zum Zwecke der politischen Bildung zu verstehen und wohlwollend mit dieser Aktivität umzugehen“, sagt Bensinger-Stolze. Lehrer könnten die Thematik etwa im Unterricht vorbereiten. „Wir wünschen uns, dass den Schülern keine Unannehmlichkeiten entstehen, wenn sie an dem Schulstreik teilnehmen.“
Die Schulbehörde lehnt dieses Vorgehen ab. „Man kann den Politikunterricht nicht auf die Straße verlegen. Das ist nicht zulässig“, sagt Behördensprecher Albrecht. Lehrern sei es als Beamten darüber hinaus verboten, während ihrer Arbeitszeit an der Demonstration teilzunehmen.
Kritik am Schulstreik kommt auch von der oppositionellen CDU, die sich vor allem mit der GEW auseinandersetzt. „Humanität und Rechtsstaatlichkeit gehören ohne Zweifel in den Politikunterricht“, sagt die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien. Dazu gehöre auch das Asylrecht und das Schicksal von Flüchtlingen. „Eine einseitige, undifferenzierte Parteinahme zugunsten der Lampedusa-Flüchtlinge, deren Forderungen oder für die Änderung des Asylrechts hat aber im Unterricht nichts zu suchen“, sagt Prien. Die Schüler hätten ein Recht auf eine ausgewogene Darstellung politischer Themen. „Die Schüler sind sehr wohl in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden“, so die CDU-Politikerin.