Das mit 25.000 Fans nahezu ausverkaufte Dockville Festival bewies zum bereits siebten Mal, dass es nach Wilhelmsburg gehört. Vieles hat sich verändert seit 2007, seit dem ersten Dockville.

Hamburg. Der Regen hat die Glitzerschminke auf den Gesichtern verlaufen lassen. Doch die Stimmung drückt das graue Wetter am letzten von drei Festivaltagen nicht. Schließlich hat man schon einiges erlebt seit Freitagnachmittag, hat Bands und DJs zugehört, gefeiert, getanzt und Skulpturen bestaunt: kurz, die einzigartige Atmosphäre des Dockville genossen.

Vieles hat sich verändert seit 2007, seit dem ersten Dockville. Das Festival ist ein Stück weit erwachsen geworden. An die Fabrikhallen, die in den Anfangsjahren noch als musikalische Nebenschauplätze dienten, erinnert nur noch der Name einer Bühne: Maschinenraum. Die Internationale Gartenschau hat ebenfalls ihre Spuren hinterlassen. Das Großschot – die Hauptbühne – steht nicht mehr in einer Industriebrache, sondern im Uferpark, dem westlichsten Ausläufer der Ausstellung.

Doch ein Ideal-Standard-Festival, dass sich nur über die dort spielenden Bands definiert, das wird das Dockville wohl nie werden. Denn der anarchische Charme, der von grob zusammengezimmerten Bühnen auf Lichtungen ausgeht, von Kunstwerken, die zwischen Bierständen und Mobiltoiletten stehen, der ist erhalten geblieben, wird gehegt und gepflegt. Man weiß, dass man hier etwas Besonderes geschaffen hat, dass sich nicht einfach irgendwo auf eine grüne Wiese jenseits der Stadtgrenze verlegen lässt. Und diese Erkenntnis scheint sich langsam auch aufseiten der Stadt durchzusetzen, Kultursenatorin Barbara Kisseler bezeichnete das Dockville jüngst als „wichtigen Anker für die kulturellen Aktivitäten auf der Elbinsel“. Doch langfristige Planungssicherheit gibt es nach wie vor nicht. Immerhin weiß das Festivalteam seit Ende Juli, dass es das Areal auch in den nächsten beiden Jahren nutzen kann. Und der Erfolg spricht für sich. Wer ganz spontan nach Wilhelmsburg kommen wollte, musste sich auf einen Tagesbesuch am Sonntag beschränken. Alle anderen Karten waren verkauft.

Auch abseits der bekannten Namen kann man beim Dockville viel entdecken

Natürlich ist es nicht nur das ganz eigene Ambiente, das das überwiegend sehr junge Publikum anlockt. Ohne Bands wäre ein Festival schließlich nur ein Campingausflug. Ein äußerst schräger zwar, haben die Dockville-Besucher doch ein sehr ausgeprägtes Faible für Glitzer, Schminke, Seifenblasen und bonbonbunte Kleidung. Aber eben kein Festival.

Dazu gehören zwingend Headliner wie die Folkrocker The Lumineers oder der französische Monumental-Musiker Woodkid, die große Festivalmomente auf die Hauptbühne zaubern. Doch auch abseits der bekannten Namen kann man beim Dockville immer wieder etwas entdecken. Die Rakede zum Beispiel, sechs Jungs, die Hip-Hop mit Dubstep, mit Rock und Reggae zu einem Soundbastard verquirlen, der ohne Umweg über das Großhirn in die Füße geht. Oder sphärischen, treibenden Electro-Pop von Vimes.

Die kurzen Wege zwischen den sechs Bühnen laden zum Sich-treiben-Lassen ein, zu einer Entdeckungsreise, die von den leisen Tönen der Singer-Songwriterin Lùisa bis zum irritierend lauten Nonsens-Gehabe von MC Fitti führt. Manchmal muss man sich nicht einmal bewegen, um zwei Enden einer Skala zu erleben. Nach sozialkritischer, in feinster Rap-Manier der alten Schule vorgetragener „Sprechmusik am frühen Abend“ von Benny und Kraatz alias Herr von Grau wird auf der zweitgrößten, Vorschot genannten Bühne gefälliger, aber letztlich auch gesichtsloser Pop von Leslie Clio gegeben.

Neben den vielen Bands und DJs, die zum ersten Mal zu Gast beim Dockville sind, gibt es auch die gern wiedergesehenen Gäste. Kitty, Daisy & Lewis schließen nahtlos an ihren Auftritt 2010 an, liefern wieder schmissige Retro-Klänge. Auch für das Elektropunk-Duo Bratze, für Agnes Obel und die Crystal Fighters ist Wilhelmsburg kein weißer Fleck auf der Landkarte. Ausgerechnet die Band aber, die schon fast zur Festivalfamilie gehört, musste kurzfristig absagen. Der Keyboarder der norwegischen Band Kakkmaddafakka, die in diesem Jahr ihren dritten Dockville-Auftritt feiern wollten, zusammen mit dem Tanzworkshop des Kinder-Feriencamps Lüttville, ist schwer erkrankt. Stattdessen endet das siebte Dockville Festival am Sonntagabend mit einem Konzert des isländischen Elektro-Pop-Quartetts FM Belfast.

Dann bleibt nur noch der Weg zum Shuttlebus und nach Hause, unter die Dusche. Im Abfluss wirbeln letzte Glitzerreste, ein funkelnder Abschiedsgruß – und für viele ein Grund zur Vorfreude auf nächstes Jahr.